Experten für Recht auf Verschlüsselung


"Verschlüsselung ist Grundrechtsschutz", erst sie schaffe Freiräume für einen selbstbestimmten Umgang mit persönlichen Daten, formulierte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber
Kelber mahnte "einfachere und sicherere Lösungen als bisher" an, um Verschlüsselungstechnik "ohne Einschränkung für alle nutzbar" zu machen



Die Forderung, ein "Recht auf Verschlüsselung" von Daten und Netzverkehr gesetzlich festzuschreiben, findet unter Fachleuten fast einhelligen Zuspruch. Dies war der Tenor einer Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat, die einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion (19/5764) zum Anlass hatte. Alle geladenen Experten wiesen darauf hin, dass digitale Verschlüsselungstechniken dem Schutz wesentlicher Grundrechte und damit einem verfassungsrechtlich bedeutsamen Anliegen dienten. Die Anwendung sei allerdings für nicht digital-affine Nutzer vielfach noch zu kompliziert; hier bestehe weiterer Entwicklungsbedarf. Ein Sachverständiger mahnte, das Ermittlungsinteresse von Sicherheitsbehörden nicht unberücksichtigt zu lassen.

"Verschlüsselung ist Grundrechtsschutz", erst sie schaffe Freiräume für einen selbstbestimmten Umgang mit persönlichen Daten, formulierte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber. In der digitalen Welt seien Verschlüsselungstechniken die "Basis der wirtschaftlichen Tätigkeit" und damit ein Erfolgsfaktor für die Wirtschaftspolitik. Die Bundesregierung sei gut beraten, ihren Einsatz und ihre Weiterentwicklung zu "forcieren". Wenn der Staat damit auch "ein Abwehrrecht gegen sich selbst in Kauf" nehme, so sei das "hinnehmbar". Kelber mahnte "einfachere und sicherere Lösungen als bisher" an, um Verschlüsselungstechnik "ohne Einschränkung für alle nutzbar" zu machen.

Wenn Deutschland nach dem Willen der Bundesregierung "Verschlüsselungsstandort Nummer Eins" werden solle, dann "verbietet sich jeglicher Versuch, Kryptographie zu beschränken oder mit Verboten zu versehen", betonte Professor Michael Meier vom Bonner Institut für Computer-Wissenschaft. Es sei im Gegenteil geboten, Sicherheitslücken zu schließen, statt sie gegebenenfalls für Fahndungen im Netz auszunutzen: "Die Interessen der Ermittlungsbehörden dürfen nicht überwiegen", sagte Meier. Noch stünden der Benutzbarkeit kryptographischer Verfahren "große Hürden" im Wege. Es sei eine "staatliche Verantwortung", hier Abhilfe zu schaffen.

"Ich bin mit allen im Antrag der FDP aufgeführten Vorschlägen einverstanden", erklärte der Berliner Informatik-Professor Marian Margraf, der ebenfalls darauf drängte, die Forschung für nutzerfreundlichere Techniken weiter voranzutreiben: "Kryptographen wissen, welche Verfahren sicher sind. Die meiste Menschen setzen sie aber nicht ein." Die gelegentlich diskutierte Idee, erkannte Sicherheitslücken absichtlich bestehen zu lassen, um Einfallstore für Ermittlungen im Netz offen zu halten, "sehe ich kritisch", sagte Margraf.

Der Präsident der Gesellschaft für Informatik, Professor Hannes Federrath, sprach sich dafür aus. Kommunikationsanbieter zur Verschlüsselung persönlicher Daten zu verpflichten. Dies sei "aus technischer Sicht möglich" und im Sinne des Grundrechtsschutzes auch geboten. Eine gesetzliche Beschränkung des Einsatzes der Kryptographie wäre nach Federraths Überzeugung nicht durchsetzbar.

Dass solche Maßnahmen kaum praktikabel und obendrein verfassungsrechtlich bedenklich wären, meinte auch der Rechtswissenschaftler Jan-Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Andererseits sei ein "Recht auf Verschlüsselung" nirgendwo kodifiziert, und seien auch die Fahndungsinteressen der Sicherheitsbehörden zu berücksichtigen: "Der Staat kann es nicht akzeptieren, dass der Vollzug seiner Gesetze durch missbräuchliche Verschlüsselung unmöglich gemacht wird." (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 19.02.20
Newsletterlauf: 16.04.20


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