Sanktionsdrohungen der USA


Regierung wendet sich gegen US-Sanktionen bei Nord Stream 2
Linke urteilt: Einmal mehr erinnere das US-amerikanische Vorgehen nach Ansicht der Fragesteller an mafiotische Methoden der (Schutzgeld-)Erpressung, noch dazu gegenüber einem "verbündeten" Staat



Die Bundesregierung steht zu extraterritorialen US-Sanktionen und Sanktionsandrohungen im Allgemeinen sowie zu den US-Sanktionsandrohungen gegen Unternehmen, die am Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind, mit der US-Regierung in Kontakt. Wie sie in der Antwort (19/25039) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke schreibt (19/24544), habe sie immer wieder deutlich gemacht, "dass sie unilaterale, gegen deutsche und europäische Unternehmen gerichtete extraterritoriale Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt und jüngst erneut verschärft wurden, als Eingriff in die EU-Regelungskompetenz ablehnt". Über das weitere Vorgehen befinde sich die Bundesregierung zudem in enger Abstimmung mit europäischen Partnern, dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und der Europäischen Kommission sowie betroffenen Unternehmen.

Vorbemerkung der Fragesteller
Seit Jahren laufen US-Regierungen Sturm gegen die Projektierung, den Bau und den Betrieb der Erdgas-Pipeline "Nord Stream 2". Durch das 2017 vom US-Kongress verabschiedeten CAATSA-Gesetz gelten Firmen und Personen, auch deutsche, die sich am Bau und Betrieb der Pipeline beteiligen, als "Gegner Amerikas" (gemeint sind eigentlich nur die USA).

Die Einmischung Washingtons in deutsche und europäische Energiepolitik findet nach Auffassung der Fragesteller ihre Fortsetzung in US-Gesetzen, die gegen die Bereitstellung von Schiffen zur Verlegung der Pipeline ("Protecting Europe’s Energy Security Act" – PEESA, 2019) gerichtet sind oder sonstige Unterstützungsleistungen für den Bau der Pipeline sanktionieren ("Protecting Europe’s Energy Security Clarification Act" – PESCAA, 2020), jeweils unter dem Vorwand, die europäische Energiesicherheit schützen zu wollen. Selbst althergebrachte diplomatische Gepflogenheiten wurden dabei von Washingtons
Vertretern in Berlin missachtet. Angeblich würden die Erdgaslieferungen aus Russland die Abhängigkeit Deutschlands und der EU von Moskau vergrößern, die Ukraine gefährden und Milliarden in den russischen Staatshaushalt spülen, die Russland wiederum für Rüstung und Militär aufwenden könne, um angeblich die europäischen NATO-Länder zu bedrohen

Im Dezember 2019 hatten Sanktionsdrohungen der USA bereits dafür gesorgt, dass die mit der Röhrenverlegung beauftragte schweizerisch-niederländische Firma "Allseas" ihre Arbeiten an der Pipeline abrupt einstellte. Anfang August 2020 drohten drei US-Senatoren in einem gemeinsamen Brief dem Fährhafen Sassnitz, der den für die Logistik des Pipeline-Baus unverzichtbaren Hafen Mukran betreibt, "vernichtende rechtliche und ökonomische Sanktionen" an, sollte die Hafengesellschaft, die sich im Eigentum der Stadt Sassnitz und des Landes Mecklenburg-Vorpommern befindet, ihre Unterstützung für "Nord Stream 2" nicht unverzüglich einstellen.

Einmal mehr erinnerte das US-amerikanische Vorgehen nach Ansicht der Fragesteller an mafiotische Methoden der (Schutzgeld-)Erpressung, noch dazu gegenüber einem "verbündeten" Staat. Etwa zeitgleich soll der deutsche Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz seinem US-Kollegen Steven Mnuchin zuerst mündlich und später auch schriftlich in einem sog. Non-Paper vorgeschlagen haben, "die öffentliche Unterstützung für die Konstruktion" zweier Terminals für den Flüssiggas-Import in Brunsbüttel und Wilhelmshaven "massiv durch die Bereitstellung von bis zu 1 Mrd. Euro zu erhöhen". Weiter soll es darin heißen: "Im Gegenzug werden die USA die ungehinderte Fertigstellung und den Betrieb von Nord Stream 2 erlauben." Die von Berlin mit Washington angestrebte Übereinkunft würde Folgendes sicherstellen: "Die existierenden rechtlichen Möglichkeiten für Sanktionen werden nicht ausgeschöpft".

Nach der – nach Angaben der Bundesregierung durch ein Bundeswehrlabor und durch bislang ungenannte schwedische und französische Labore sowie die OPCW festgestellten – Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny in der letzten August-Dekade verstärkten die USA und transatlantisch orientierte Politiker in Europa ihre Forderungen, den Bau von "Nord Stream 2" zu beenden und neue Sanktionen gegen Russland einzuführen. In der Zwischenzeit zeigten sich weitere Folgen der Sanktionsdrohungen: Internationale Schiffsversicherer verweigerten am Bau von "Nord Stream 2" beteiligten Schiffen einen Versicherungsschutz.

Ein Ende September 2020 bekannt gewordenes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages geht davon aus, dass die USSanktionen gegen (deutsche) Unternehmen im Zusammenhang mit "Nord Stream 2" zwar nicht eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen, aber dennoch die Berufung auf nationale Sicherheitsinteressen (der USA) als "vorgeschoben" betrachtet werden kann ("US-Sanktionen gegen den Bau der Pipeline Nord Stream 2 aus völkerrechtlicher Sicht", Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, WD 2 – 3000 – 075/20). (Deutsche Bundesregierung: ra)

eingetragen: 12.11.20
Newsletterlauf: 11.02.21


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