Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesarbeitsgericht

Ausgleich von Unbilligkeiten und Härten


Ruhegeld nach dem Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz
Die Beklagte ist nicht berechtigt, eine fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund Näherungsverfahrens nach § 31 Abs. 2 HmbZVG iVm. § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. f BetrAVG anzurechnen



Nach der Härtefallklausel in § 28 Hamburgisches Zusatzversorgungsgesetz (HmbZVG) kann die zuständige Behörde Unbilligkeiten und Härten ausgleichen, die sich im Einzelfall aus der Anwendung des Gesetzes ergeben. Eine solche Härte kann entstehen, wenn infolge eines Systemwechsels in der zugesagten Gesamtversorgung die Anrechnung einer fiktiven gesetzlichen Rente bei einer von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiten Arbeitnehmerin zu unbilligen Ergebnissen führt.

Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersversorgung. Die 1953 geborene Klägerin war seit dem 1. November 1973 bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt. Sie wurde mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Die Beklagte gewährte ihr zu einer privaten Lebensversicherung einen monatlichen Zuschuss.

Seit dem 1. September 2018 bezieht die Klägerin eine Betriebsrente nach dem Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz, die sich aufgrund der Übergangsbestimmungen für rentenferne Rentengeldberechtigte (§§ 31, 30 HmbZVG) bis zum 31. Juli 2003 nach dem 1. Hamburger Ruhegeldgesetz (1. RGG) und für die Zeit danach nach dem Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz berechnet.

Für die Berechnung des Grundruhegelds unterscheidet das Gesetz zwischen rentennahen Beschäftigten, welche vor dem 1. August 1948 geboren sind, und rentenfernen Beschäftigten, die danach geboren sind. Die Klägerin gehört zu den rentenfernen Beschäftigten. Für diese ist ergänzend auf § 18 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) verwiesen. Die Parteien streiten über die Anrechnung einer fiktiven Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund Näherungsverfahrens nach § 31 Abs. 2 HmbZVG iVm. § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. f BetrAVG. Die Klägerin hält sie für gänzlich unberechtigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Anrechnung einer fiktiven Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 31 Abs. 2 HmbZVG iVm. § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. f BetrAVG für unzulässig erklärt.

Die Revision der Beklagten war insoweit teilweise erfolglos. Die Beklagte ist nicht berechtigt, eine fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund Näherungsverfahrens nach § 31 Abs. 2 HmbZVG iVm. § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. f BetrAVG anzurechnen. Allerdings muss sich die Klägerin - insoweit war die Revision der Beklagten erfolgreich - nach § 26 Abs. 8 des 1. RGG die Zuschussbeträge der Beklagten zu ihrer privaten Lebensversicherung anrechnen lassen.

Bis zu ihrer der Übergangsbestimmung zugrundeliegenden Ablösung sah diese Vorschrift - für die Klägerin günstiger - eine Anrechnungsmöglichkeit der doppelten Summe der monatlichen Zuschussbeträge zu einer privaten Lebensversicherung mit dem Faktor 1,25 vH vor. Es spricht viel dafür, dass das Vertrauen der Klägerin in diese Regelung schutzwürdig ist und keine ausreichenden Gründe für eine Verschlechterung vorliegen. Jedenfalls ist eine Anwendung der Härtefallklausel nach § 28 HmbZVG im Einzelfall geboten. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund ihres Status als koreanische Arbeitsmigrantin im Jahre 1973 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden konnte. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sie wieder nach Korea zurückkehren würde, ohne Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben. Diese der Anwerbepolitik zugrundeliegende Überlegung hat sich nicht verwirklicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2021 - 3 AZR 53/20 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 9. Januar 2020 - 8 Sa 31/18 -

Hamburgisches Zusatzversorgungsgesetz (HmbZVG) in Auszügen
§ 28 Härteausgleich
1 Die zuständige Behörde kann etwaige Unbilligkeiten und Härten ausgleichen, die sich im Einzelfall aus der Anwendung des Gesetzes ergeben. 2Sie entscheidet in den Fällen des Satzes 1 nach pflichtgemäßem Ermessen unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der oder des Versorgten. ....
...
§ 30 Übergangsvorschriften für rentennahe Beschäftigte unter dem Ersten Ruhegeldgesetz
(1) Beschäftigte im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2, die vor dem 1. August 1948 geboren sind, erhalten im Versorgungsfall ein Ruhegeld, das sich abweichend von § 6 Absatz 1 Satz 1 aus einem Grundruhegeld für die bis zum Stichtag einschließlich geleistete Beschäftigungszeit und einem Zusatzruhegeld für die danach geleistete Beschäftigungszeit zusammensetzt.
(2) 1Die Höhe des Grundruhegeldes wird abweichend von § 6 Absätze 1 und 2, §§ 7 und 8 mit folgenden Maßgaben nach dem am Stichtag geltenden Recht ermittelt. 2An die Stelle des Tages des Beginns der Ruhegeldzahlung in § 10 Absatz 6 1. RGG tritt der Stichtag nach dem vorliegenden Gesetz. 3Lohnersatzleistungen oder Verwendungseinkommen nach § 26a beziehungsweise § 27 Absatz 6 1. RGG sind nicht mitzuzählen.
...
3
§ 31 Übergangsvorschriften für rentenferne Beschäftigte unter dem Ersten Ruhegeldgesetz
(1) Für Beschäftigte im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2, die nach dem 31. Juli 1948 geboren sind, gilt § 30 Absätze 1 bis 3 entsprechend.
(2) 1Abweichend von § 30 Absatz 2 wird die Höhe des Grundruhegeldes jedoch nach § 18 Absatz 2 des Betriebsrentengesetzes vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610) in der am Stichtag geltenden Fassung ermittelt. 2In § 8 Absatz 3 Nummer 2 Satz 1 1. RGG treten an die Stelle eines Sechzigstels und fünf Kalenderjahren ein Achtundvierzigstel und vier Kalenderjahre. 3§ 8 Absatz 9 Satz 1 1. RGG findet keine Anwendung.

Erstes Ruhegeldgesetz (1. RGG) in Auszügen
§ 26
Mitzählende Renten und ähnliche Leistungen
...
(8) Haben Arbeitnehmer von der Freien und Hansestadt Hamburg einen Zuschuß zu den Prämien einer Lebensversicherung erhalten, zählen bei der Bemessung der Versorgung jeweils von der doppelten Summe der Zuschußbeträge monatlich mit:
1. bei Ruhegeldempfängern 1,25 vom Hundert,
...
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.02.21: ra)

eingetragen: 13.03.21
Newsletterlauf: 17.05.21


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesarbeitsgericht

  • Betriebsratswahl angefochten

    Für die Wahl des Betriebsrats kann der Wahlvorstand denjenigen Arbeitnehmern, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen vorübergehender mobiler Arbeit oder wegen Kurzarbeit voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe ohne einen entsprechenden Antrag übersenden.

  • Geldwerte materielle Arbeitsbedingungen

    Definieren Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes - auch nur geringfügige - Überschreiten.

  • Erbrachte Arbeitsleistung & Feiertagszuschläge

    Für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, richtet sich der Anspruch auf Feiertagszuschläge danach, ob am regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist. Der Kläger, dessen regelmäßiger Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen liegt, nahm auf Anordnung seines Arbeitgebers vom 1. bis 5. November 2021 an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teil.

  • Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

    Betreiber von Pflegeeinrichtungen iSd. vormaligen § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG aF) durften in der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 31. Dezember 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Arbeitnehmer waren die Arbeitgeber dagegen nicht berechtigt.

  • (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer

    Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO* auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen