Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesgerichtshof

Arbeitgeber, Arbeitnehmer & Werkswohnung


Bundesgerichtshof bejaht unmittelbare Anwendbarkeit des § 565 BGB zum Schutz des Mieters bei Weitervermietung als Werkswohnung
Eine gewerbliche Zwischenvermietung im Sinne von § 565 BGB kann auch dann gegeben sein, wenn der Hauptmieter mit der Weitervermietung der Wohnung selbst keinen Gewinn zu erzielen beabsichtigt, sondern sie als Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern als Werkswohnung zur Verfügung stellt und hierdurch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt



Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung (Urteil vom 17. Januar 2018 - VIII ZR 241/16) mit der Frage beschäftigt, ob § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB auch in Fällen (unmittelbar) anwendbar ist, in denen der Hauptmieter mit der Weitervermietung der betreffenden Wohnung keinen Gewinn zu erzielen beabsichtigt, sondern sie als Arbeitgeber Arbeitnehmern als Werkswohnung zur Verfügung stellt.

Sachverhalt und Prozessverlauf:
Die P-AG vermietete im Jahr 1965 eine Wohnung in Frankfurt am Main an die M-AG, die diese (wie in zahlreichen anderen Fällen) als Werkswohnung an einen ihrer Arbeitnehmer, den Beklagten zu 2, und dessen Ehefrau, die Beklagte zu 3, weitervermietete. Die Konditionen des Haupt- und des Untermietvertrages waren jeweils gleich und entsprachen den marktüblichen Bedingungen. Auch Miet- und Betriebskostenerhöhungen wurden in beiden Verträgen in gleicher Weise geltend gemacht. Der Beklagte zu 2 war aufgrund eines Sozialplans der M-AG berechtigt, nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 1994 die Wohnung weiterhin als Pensionär zu bewohnen.

Der Kläger ist Rechtsnachfolger der P-AG (auf Vermieterseite). Er kündigte gegenüber der Beklagten zu 1 als Rechtsnachfolgerin der M-AG (auf Mieterseite) den Hauptmietvertrag zum 30. Juni 2015 und forderte die Beklagten zu 2 und 3 zur entsprechenden Räumung und Herausgabe der Wohnung auf.

Das Landgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen und auf die Widerklage festgestellt, dass der Kläger mit Wirkung ab 1. Juli 2015 statt der Beklagten zu 1 in den Mietvertrag mit den Beklagten zu 2 und 3 eingetreten sei. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Untermietverhältnis infolge der Kündigung des Hauptmietverhältnisses in entsprechender Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Kläger als Vermieter übergegangen, da mangels Gewinnerzielungsabsicht der M-AG zwar keine "gewerbliche" Weitervermietung vorliege die Interessenlage aber hinreichend vergleichbar sei.

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein auf Stattgabe der Klage und Abweisung der Widerklage gerichtetes Begehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine gewerbliche Zwischenvermietung im Sinne von § 565 BGB auch dann gegeben sein kann, wenn der Hauptmieter mit der Weitervermietung der Wohnung selbst keinen Gewinn zu erzielen beabsichtigt, sondern sie als Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern als Werkswohnung zur Verfügung stellt und hierdurch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt.

Die Bestimmung des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB regelt den Fall, dass ein Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten soll. Sie ordnet insoweit an, dass der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-)Mietvertrags in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag eintritt. Hiermit soll sichergestellt werden, dass bei einer Weitervermietung aus lediglich wirtschaftlichen Interessen dem Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages derselbe soziale Kündigungsschutz zur Verfügung steht, den er bei direkter Anmietung gehabt hätte. Eine "gewerbliche" Weitervermietung im Sinne von § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt dabei eine geschäftsmäßige, auf Dauer gerichtete, mit Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausgeübte Vermietungstätigkeit des Zwischenmieters voraus.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall durch die Weitervermietung der in großem Umfang angemieteten Wohnungen als Werkswohnungen an die Arbeitnehmer der M-AG erfüllt. Zwar hatte die M-AG seinerzeit die von ihr angemieteten Wohnungen - anders als bei der gewerblichen Zwischenvermietung im klassischen Sinne - nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung (unmittelbar aus der Weitervermietung selbst) an ihre Arbeitnehmer weitervermietet. Aber auch ein Arbeitgeber, der Wohnungen an seine Arbeitnehmer weitervermietet, verfolgt hiermit (zumindest auch) eigene wirtschaftliche Interessen. Diese sind in dem Bestreben zu sehen, für das Unternehmen Arbeitnehmer an sich zu binden und sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unternehmen zu verschaffen, die ihren Arbeitnehmern keine entsprechenden Werkswohnungen anbieten können. Dies gilt umso mehr, wenn Wohnraum zu tragbaren Bedingungen für Mieter in einem Ballungsgebiet - wie hier Frankfurt am Main - nicht ohne weiteres zu finden ist. Dieses Verständnis einer "gewerblichen" Weitervermietung steht auch im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG).

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof in diesem Fall eine direkte Anwendbarkeit des § 565 BGB bejaht, so dass es auf die vom Oberlandesgericht angenommene Analogie nicht ankam. Die Revision blieb somit ohne Erfolg.

Vorinstanzen:
Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 15. Januar 2016 - 2-08 O 258/15
Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 23. September 2016 - 2 U 19/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 565 BGB Gewerbliche Weitervermietung

(1) 1Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. […]
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2018: ra)

eingetragen: 23.02.18
Newsletterlauf: 26.02.18

Wettbewerbszentrale: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Bundesgerichtshof

  • Betriebsratswahl angefochten

    Für die Wahl des Betriebsrats kann der Wahlvorstand denjenigen Arbeitnehmern, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen vorübergehender mobiler Arbeit oder wegen Kurzarbeit voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe ohne einen entsprechenden Antrag übersenden.

  • Geldwerte materielle Arbeitsbedingungen

    Definieren Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes - auch nur geringfügige - Überschreiten.

  • Erbrachte Arbeitsleistung & Feiertagszuschläge

    Für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, richtet sich der Anspruch auf Feiertagszuschläge danach, ob am regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist. Der Kläger, dessen regelmäßiger Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen liegt, nahm auf Anordnung seines Arbeitgebers vom 1. bis 5. November 2021 an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teil.

  • Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

    Betreiber von Pflegeeinrichtungen iSd. vormaligen § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG aF) durften in der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 31. Dezember 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Arbeitnehmer waren die Arbeitgeber dagegen nicht berechtigt.

  • (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer

    Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO* auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen