Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesgerichtshof

Jahresentgelt unwirksam


Unwirksamkeit der Klausel zu einem Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen
Angefochtene Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB und hält dieser nicht stand




Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden (Urteil vom 15. November 2022 - XI ZR 551/21), dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse enthaltene Klausel, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt, unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf: Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge u.a. die folgende Bestimmung:

"Die Bausparkasse berechnet während der Sparphase jeweils bei Jahresbeginn – bei nicht vollständigen Kalenderjahren anteilig – für jedes Konto des Bausparers ein Jahresentgelt von 12 EUR p.a."

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Bausparverträgen zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Bausparverträgen auf die Klausel zu berufen.

Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtene Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt und dieser nicht standhält. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entgeltklausel ist Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie eine Preisnebenabrede darstellt. Das in der Ansparphase eines Bausparvertrags erhobene Jahresentgelt ist weder Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten und damit keine kontrollfreie Preishauptabrede. Die von der Bausparkasse in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung besteht einerseits in der Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie andererseits darin, dem Bausparer nach der Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse zu verschaffen. Mit dem Jahresentgelt werden demgegenüber Verwaltungstätigkeiten der Beklagten in der Ansparphase bepreist, die sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben lassen. Hierbei handelt es sich lediglich um notwendige Vorleistungen, nicht aber um eine von der Beklagten in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die streitige Klausel nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung des Jahresentgelts in der Ansparphase eines Bausparvertrags mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn mit dem Jahresentgelt werden Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, welche die Bausparkasse aufgrund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung zu erbringen hat.

Die Abweichung der Entgeltklausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist auch bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung nicht durch bausparspezifische Individualvorteile der einzelnen Bausparer sachlich gerechtfertigt. Bausparer müssen in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden. Außerdem können Bausparkassen bei Abschluss des Bausparvertrags von den Bausparern eine Abschlussgebühr verlangen. Mit dem Jahresentgelt wird auch kein Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens geleistet, der geeignet wäre, die mit seiner Erhebung für den einzelnen Bausparer verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

Vorinstanzen:
LG Hannover - Urteil vom 29. Januar 2021 - 13 O 19/20
OLG Celle - Urteil vom 17. November 2021 - 3 U 39/21 (WM 2022, 659)

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,

nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so

einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und § 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2022: ra)

eingetragen: 16.11.22
Newsletterlauf: 17.02.23


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesgerichtshof

  • Betriebsratswahl angefochten

    Für die Wahl des Betriebsrats kann der Wahlvorstand denjenigen Arbeitnehmern, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen vorübergehender mobiler Arbeit oder wegen Kurzarbeit voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe ohne einen entsprechenden Antrag übersenden.

  • Geldwerte materielle Arbeitsbedingungen

    Definieren Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes - auch nur geringfügige - Überschreiten.

  • Erbrachte Arbeitsleistung & Feiertagszuschläge

    Für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, richtet sich der Anspruch auf Feiertagszuschläge danach, ob am regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist. Der Kläger, dessen regelmäßiger Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen liegt, nahm auf Anordnung seines Arbeitgebers vom 1. bis 5. November 2021 an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teil.

  • Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

    Betreiber von Pflegeeinrichtungen iSd. vormaligen § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG aF) durften in der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 31. Dezember 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Arbeitnehmer waren die Arbeitgeber dagegen nicht berechtigt.

  • (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer

    Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO* auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen