BaFin-Spitze erneut vorgeladen


Die Entscheidung der BaFin, die Wirecard AG nicht als Finanzholding einzustufen, habe den Betrug massiv mit begünstigt
Die Ausschussmitglieder gingen in vier Fragerunden noch einmal auf sämtliche Aspekte rund um die Rolle der BaFin bei der Beaufsichtigung der Wirecard AG und der Wirecard Bank ein



Zu einer Fakten-Nachlese sind zwei Exekutivdirektoren sowie der scheidende Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch einmal in den Zeugenstand des 3. Untersuchungsausschusses ("Wirecard") gerufen worden. Nachdem der Ausschuss in einer ersten Anhörung durch die Aufnahme neuer Beweismittel und weitere Zeugenbefragungen seinen Wissensstand rund um den Fall des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard ausgebaut hatte, wollte das Gremium die BaFin-Spitze noch einmal mit Nachfragen zu konfrontieren.

Kooperativ, um Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes und Verbesserungen für die Zukunft bemüht, erschien als erster Zeuge Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht bei der BaFin.

Die Ausschussmitglieder gingen in vier Fragerunden noch einmal auf sämtliche Aspekte rund um die Rolle der BaFin bei der Beaufsichtigung der Wirecard AG und der Wirecard Bank ein: auf eingespielte Prozeduren bei der BaFin, deren Zusammenarbeit mit Bundesbank, Deutscher Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und Europäischer Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Arbeit an der Schnittstelle von nationalen Vorschriften und Europarecht, den Umgang mit der kritischen Medienberichterstattung, die Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft München, das im Februar 2019 verhängte Leerverkaufsverbot oder das Umhängen der Bank in die AG im Rahmen des sogenannten Inhaberkontrollverfahrens.

"Die Entscheidung der BaFin, die Wirecard AG nicht als Finanzholding einzustufen, hat den Betrug massiv mit begünstigt", sagte der Abgeordnete Hans Michelbach (CSU) und auch weitere Mitglieder des Untersuchungsausschusses konfrontierten Röseler nochmals mit der Frage, warum die BaFin nicht energischer darauf hin gearbeitet habe, Wirecard zügig als Finanzholding einzustufen, um den ganzen Konzern der Kontrolle seines Hauses unterstellen zu können.

Röseler erläuterte anhand eines Kriterienkatalogs noch einmal, dass es sich bei der Frage, ob die Wirecard AG als Finanzholding einzustufen sei, wofür die BaFin zu keinem Zeitpunkt eine Grundlage sah, sehr wohl um eine Ermessensentscheidung gehandelt habe. Und warum man sich dagegen habe entscheiden müssen.

Man habe diese Entscheidung 2020 auch nochmals geprüft, aktuellere Zahlen herangezogen, Tochtergesellschaften der Wirecard einbezogen, und sei zu demselben Ergebnis gekommen. "Wir hätten die Wirecard AG gerne zur Finanzholding erklärt", um die Holding in ihrer Gesamtheit prüfen zu können und nicht nur die Wirecard Bank. Die Kriterien hätten dies jedoch nicht hergegeben. Man hätte sich zunächst noch zahlreiche Daten aus sämtlichen Unternehmensteilen ansehen müssen, ein längerer Prozess wäre dies gewesen.

Röseler gestand, seit den Anfang 2019 von der Financial Times formulierten Vorwürfen "war uns die Wirecard AG zutiefst unheimlich. Dass die AG als wesentlicher Bürge für hohe konzerninterne Kredite auftrat, war uns unheimlich."

Dabei habe es für Wirecard zu dieser Zeit ja noch immer weiterhin große Vorschusslorbeeren, und weiterhin testierte Jahresabschlüsse gegeben. Das Unternehmen sei in den Deutschen Aktienindex aufgestiegen, "die Ratings waren top", die Wirecard-Vorstände Braun und Marsalek nicht vorbestraft. "Wir dachten: Da muss sich die Financial Times schon sehr sicher sein."

Nach diesen Vorwürfen der Presse "hatten wir Bauchschmerzen" - aber "nichts in der Hand". Kein Mensch habe sich einen solchen Betrug damals vorstellen können. Bei Wirecard habe vieles komisch ausgesehen, "aber Sie müssen auf Basis von Fakten handeln. Die Polizei verhaftet ja auch niemanden, nur weil der komisch aussieht."

Der Zeuge schilderte noch einmal die verschiedenen Kontrollen, die dann erfolgten, im Zusammenspiel mit anderen Institutionen. Die Wirtschaftsprüfer prüften die Jahresabschlüsse, bei der KPMG wurde ein Sondergutachten in Auftrag gegeben, ebenso wurde die DPR mit einem Prüfauftrag betraut. 2019 habe sich die BaFin zudem die konzerninterne Kreditvergabe angeschaut und 13 Proben gezogen: "Neun Kredite entsprachen dabei der höchsten Risikoklasse , vier der zweithöchsten".

Gab es damals schon Argumente und Momente, wo er sich gesagt habe: Das überzeugt mich nicht, fragte Fabio de Masi, Obmann der Linksfraktion, den Zeugen noch einmal. "Als das ganze Wirecard-Konstrukt im Sommer 2020 zusammenstürzte, da haben wir genau geschaut: Wer von uns hat im Vorfeld was genau gemacht", so Röseler. Vorher aber sei rund um dieses Unternehmen eigentlich alles sehr unauffällig verlaufen.

Bundesbank und BaFin hätten ihre arbeitsteilige Kontrolle ausgeführt. Als Wirecard dann erkennbar in Schieflage geriet, sei auch bei der BaFin Hektik ausgebrochen. "Wir haben in diesen Wochen 16 Stunden am Tag gearbeitet."

Dass die Aufsicht über Wirecard zwischen Bundesbank und BaFin veteilt gewesen sei - "das war in diesem Fall falsch". Röseler zeigte sich bemüht, auf die Lehren des Falles für die Finanzaufsicht hinzuweisen. Ja, man hätte die strategischen Kredite von Wirecard genauer anschauen müssen. Man hätte das Kontrollverfahren bei der DPR nicht abwarten dürfen. "Das war mir zu wenig", so der Zeuge, und wies damit auch auf Differenzen im eigenen Haus hin. "Mir ging es um das Risiko, das in dieser Bank drin war. Ich wollte da tiefer rein schauen." Im Mai 2020 sei man damit dann schon zu spät gewesen. "Hier hätten wir auch aktiver sein müssen." Insgesamt habe man dieses Institut als nicht riskant und wenig relevant eingestuft.

Nun komme es aber in der BaFin und in der Finanzaufsicht insgesamt zu einem "Kulturwandel". Man müsse künftig stärker auf die Rotation von Mitarbeitern setzen, auch zwischen Aufgabenbereichen. Da hätten manche in der Vergangenheit sicher "die kritische Distanz verloren".

Auch der Abgeordnete Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen) forderte Röseler zu einem Blick nach vorn auf. "Wie bekommen wir das denn künftig hin?" Ein Schlüssel sei die "Fokus-Aufsicht" und, "dass nicht ein einzelner immer nur für eine einzelne Bank zuständig ist", so die Antwort. Stattdessen müsse mehr im Team gearbeitet werden. "Dann müssen Sie viel intensiver an der Bank dran sein." Im Team müsse man die Mitarbeiter zudem dazu bringen, mehr Mut zu zeigen, und vermehrt aktiv zu werden. Gepaart mit der Rotation werde dies zu einer automatischen Kontrollfunktion führen, erklärte Röseler. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 27.04.21
Newsletterlauf: 13.07.21


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