Finanzverwaltung und Zoll haben Ebay im Visier


Auf den Spuren von Internet-Verkäufern: Suchmaschine des Zolls und der Finanzverwaltung überprüft täglich 100.000 Internetseiten
Nach den Käufern der im elektronischen Geschäftsverkehr angebotenen Waren und Dienstleistungen wird dagegen nicht gesucht


(12.01.08) - Die Internetsuchmaschine "XPIDER" des Zolls und der Finanzverwaltung hat von Februar 2006 bis Januar dieses Jahres täglich durchschnittlich 100.000 Internetseiten auf "steuerlich relevante unternehmerische Aktivitäten" überprüft. Dies geht aus einer Antwort der Deutschen Bundesregierung (16/7978) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/7782) hervor.

Mit Hilfe des XPIDER-Systems werde das Internet nach Unternehmern durchsucht, die im elektronischen Geschäftsverkehr tätig und in Deutschland steuerpflichtig sind. Das System sei in der Lage, automatisiert Internetseiten zu identifizieren, die anhand vorgegebener eindeutiger Merkmale auf eine unternehmerische Tätigkeit schließen lassen. Das System sei in der Lage, Angebote und Verkäufe aus Online-Verkaufs- und Versteigerungsplattformen anbieterbezogen zu bündeln.

Nach den Käufern der im elektronischen Geschäftsverkehr angebotenen Waren und Dienstleistungen werde dagegen nicht gesucht, heißt es in der Antwort.

Vorbemerkung der Fragesteller
Die Finanzverwaltung sowie der Zoll fahnden verstärkt nach gewerblichen Verkäufern von Internetauktionshäusern wie Ebay. Die Steuerfahnder setzen dabei die Suchmaschine XPIDER ein. Dieser Web-Crawler ist in der Lage, Verkaufsplattformen jedweder Art zu durchforsten, Querverbindungen zwischen An- und Verkäufen herzustellen und Abgleiche z. B. mit Handelsregistern und anderen Datenbanken vorzunehmen. Die genaue Funktionsweise von XPIDER ist nicht bekannt. Ein besonderes Merkmal von XPIDER ist allerdings die Lernfähigkeit. Die Finanzämter haben in letzter Zeit verstärkt Einzel- oder Sammelauskünfte verlangt, um die Namen von gewerblichen Verkäufern von Internetauktionshäusern zu ermitteln. Hintergrund für dieses Auskunftsersuchen sind Überlegungen, dass mittlerweile der elektronische Handel über Auktions- und Handelshäuser eine erhebliche Bedeutung hat.

1. Wie viele Seiten werden von der Internetsuchmaschine XPIDER täglich gescannt?
Vom XPIDER-System wurden im Zeitraum Februar 2006 bis Januar 2008 durchschnittlich 100 000 Seiten täglich auf steuerlich relevante unternehmerische Aktivitäten überprüft.

2. Nach welchen Kriterien wird jemand nach diesem Scan als "verdächtiger Profikäufer" eingestuft?
Mit Hilfe des XPIDER-Systems wird das Internet nach im elektronischen Geschäftsverkehr tätigen und in Deutschland steuerpflichtigen Unternehmern durchsucht, die steuerlich nicht registriert sind. Das XPIDER-System ist in der Lage, automatisiert Internetseiten zu identifizieren, die anhand vorgegebener eindeutiger Merkmale auf eine unternehmerische Tätigkeit schließen lassen. Die Erkennung und Überprüfung der als "unternehmerisch tätig" recherchierten Daten erfolgt anhand einer lernfähigen Wissensmanagementkomponente. Darüber hinaus ist das System in der Lage, Angebote und Verkäufe aus Online- Verkaufs- und Versteigerungsplattformen anbieterbezogen zu aggregieren. Keinesfalls erfolgt dagegen eine Suche nach Käufern der im elektronischen Geschäftsverkehr angebotenen Waren und Dienstleistungen. Eine Einstufung als "verdächtiger Profikäufer" ist damit ausgeschlossen.

3. Bei wie vielen verdächtigen Treffern über XPIDER wird über Dritte – wie Internetauktions- und Handelshäuser – eine Einzel- oder Sammelauskunft eingeholt (aufgeschlüsselt nach den letzten fünf Jahren)?
Zuständig für das Besteuerungsverfahren der im elektronischen Geschäftsverkehr tätigen Unternehmer sind allein die Landesfinanzbehörden. Mangels entsprechender Rückmeldungen der Länder liegen keinerlei Informationen über die Einholung von Einzel- oder Sammelauskünften bei Internetauktions- und Handelshäusern sowie über die Anzahl der Auskunftsverlangen vor.

4. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage werden Einzel- oder Sammelauskünfte von den Finanzämtern bei Internetauktions- und Handelshäusern verlangt?
Rechtsgrundlage von Auskunftsersuchen ist § 93 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die Finanzämter können danach Auskunftsersuchen an die Steuerpflichtigen, aber auch an Dritte richten, wenn dies zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich ist. Unabhängig hiervon können die Finanzbehörden zur Ermittlung steuerrelevanter Sachverhalte und zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO von den Steuerpflichtigen und von Dritten auch die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen.

5. Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen für dieses Auskunftsverlangen erfüllt sein?
Die Heranziehung eines Auskunftspflichtigen nach § 93 Abs. 1 AO muss im Einzelfall auf Grund hinreichender konkreter Umstände oder auf Grund allgemeiner Erfahrungen geboten sein. Unter diesen Voraussetzungen sind grundsätzlich auch Sammelauskunftsersuchen zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989, BStBl 1990 II S. 198). Unzulässig sind lediglich Auskunftsersuchen "ins Blaue hinein" ((vgl. BFH-Urteil von dem 23. Oktober 1990, BStBl1991 II S. 277)). Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO soll ein Auskunftsersuchen an Dritte zudem erst gestellt werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen selbst nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
Die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden soll nach § 97 Abs. 2 Satz 1 AO in der Regel erst dann verlangt werden, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen. Diese Einschränkungen gelten u. a. dann nicht, wenn die Finanzbehörde wegen der erheblichen steuerlichen Auswirkungen eine baldige Klärung für geboten hält (§ 97 Abs. 2 Satz 2 AO).

6. Sieht die Bundesregierung im Hinblick auf die Vielzahl der abgefragten Daten bei den Internetauktions- und Handelshäusern den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als verletzt an?
Nein.
Die Auskunftserteilung bzw. die Vorlage von Unterlagen durch Internetauktions- und Handelshäuser ist möglich, ihre Inanspruchnahme ist zur Ermittlung steuerrelevanter Sachverhalte auch geeignet, erforderlich und zumutbar. Wirksame Ermittlungsmaßnahmen werden gerade auch durch den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 2008 bestätigt. Denn dem Gesetzgeber wäre ein strukturelles Vollzugsdefizit zuzurechnen (Aktenzeichen 2 BvR 294/06, anonymisierte Veröffentlichung, Seite 10), sodass auch Maßnahmen durchgeführt werden dürfen, die zu einer gleichmäßigen Besteuerung führen. Zu diesen Maßnahmen zählt auch die Abfrage von Internetauktions- und Handelshäusern.

7. Erhalten die Internetauktions- und Handelshäuser für ihren Aufwand zur Datenübermittlung eine Entschädigung?
Auskunftspflichtige und Sachverständige, die eine Finanzbehörde zu Beweiszwecken herangezogen hat, erhalten nach § 107 Satz 1 AO auf Antrag eine Entschädigung oder Vergütung in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes. Dies gilt allerdings nur für Dritte, nicht für die Steuerpflichtigen selbst sowie für Personen, die für die Steuerpflichtigen die Auskunftspflicht zu erfüllen haben (§ 107 Satz 2 AO). Kein Anspruch auf Entschädigung besteht dagegen bei reinen Vorlageersuchen nach § 97 AO.
Ein reines Vorlageersuchen im Sinne des § 97 AO liegt dabei aber nur dann vor, wenn das Finanzamt die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt. Bei einem kombinierten Auskunfts- und Vorlageersuchen hat der ersuchte Dritte nach § 107 AO Anspruch auf Ersatz aller seiner mit dem Ersuchen zusammenhängenden Aufwendungen, d. h. auch jener, die ihm im Zusammenhang mit der Vorlage von Urkunden entstanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987, BStBl 1988 II S. 163).

8. In wie vielen Fällen kommt es nach dem Auskunftsersuchen zu einem Steuerstrafverfahren?
In den einschlägigen Statistiken, die von den Steuerverwaltungen der Länder geführt werden, ist keine gesonderte Erfassung der Zahl der auf Grund eines Auskunftsersuchens eingeleiteten Steuerstrafverfahren vorgesehen, sodass eine Aussage hierzu nicht möglich ist.
(Deutsche Bundesregierung: ra)


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