Kritik an Arzneimittelgesetzentwurf


Eine Klarstellung im Gesetzentwurf betrifft die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die grundsätzlich nur dann erlaubt ist, wenn die Verschreibung nach einem direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient ausgestellt wurde
Ein pauschales gesetzliches Verbot der Fernverschreibung als Teil der Fernbehandlung widerspreche dem Ziel der Bundesregierung, die wohnort- und patientennahe Versorgung auch unter Zuhilfenahme digitaler Dienste zu fördern



Sachverständige haben sich in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses mit den gesetzlichen Vorgaben für klinische Prüfungen von Humanarzneimitteln befasst. Mit der Umsetzung der EU-Verordnung (Nr. 536/2014) werden die Regelungen für die Genehmigung, Durchführung und Überwachung solcher Prüfungen europaweit verbindlich vorgegeben. Der Entwurf eines vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (18/8034) sieht dazu Anpassungen im Arzneimittelgesetz (AMG) vor.

Hochwertige klinische Prüfungen ermöglichten einen raschen Zugang zu innovativen Arzneimitteln, heißt es in der Gesetzesbegründung. Sie seien für die Gesundheitsversorgung und den Forschungsstandort Deutschland von großer Bedeutung. Das Ziel sei ein effektives und rechtssicheres Genehmigungsverfahren.

Eine Klarstellung im Gesetzentwurf betrifft die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die grundsätzlich nur dann erlaubt ist, wenn die Verschreibung nach einem direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient ausgestellt wurde. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hält diesen Passus für nicht zeitgemäß und plädiert dafür, Fernbehandlungen ausdrücklich zuzulassen. Ein pauschales gesetzliches Verbot der Fernverschreibung als Teil der Fernbehandlung widerspreche dem Ziel der Bundesregierung, die wohnort- und patientennahe Versorgung auch unter Zuhilfenahme digitaler Dienste zu fördern.

Den Patienten werde so die die Möglichkeit genommen, sich für eine Online- oder Videosprechstunde zu entscheiden, argumentiert der Verbraucherverband in seiner Stellungnahme. Zudem müssten Apotheker prüfen, ob eine Verschreibung auf einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aufbaut und würden auf diese Weise zu einer ,,Kontrollinstanz". Es stelle sich jedoch die Frage, wie die Apotheker erkennen sollten, dass eine Verschreibung ohne persönlichen Kontakt ausgestellt wurde. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hält das Verbot von Online-Verschreibungen hingegen für geboten. Dadurch werde eine Aushöhlung der Verschreibungspflicht und die Gefährdung des Patientenwohls verhindert.

Bei der Anhörung regen die Sachverständigen, auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen, diverse Detailänderungen an. Ein strittiger Punkt betrifft die Rolle, Einbindung und fachliche Besetzung der nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissionen als Voraussetzung für die Genehmigung einer klinischen Prüfung. Die Bundesärztekammer (BÄK) weist etwa darauf hin, dass "die zuständige Bundesoberbehörde (BOB) die Stellungnahme der zuständigen Ethik-Kommission nur "maßgeblich zu berücksichtigen" habe. Bisher war die Zustimmung der Fachkommission zwingende Voraussetzung für die Genehmigung einer klinischen Prüfung.

Nun werde die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Behörde über die Stellungnahme der Ethik-Kommission hinwegsetzen könne. Zwar sei bei einer abweichenden Stellungnahme eine Begründungspflicht für die Behörde gegenüber den Ethik-Kommissionen vorgesehen. "Dadurch wird aber das eigentliche Problem, dass im Einzelfall eine Arzneimittelstudie trotz negativer Bewertung durch die Ethik-Kommission durchgeführt werden kann, nicht gelöst", moniert die BÄK. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe) von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung plädiert für eine verbindliche Berücksichtigung des Votums der Ethikkommission.

Ein Sprecher des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen in Deutschland sagte in der Anhörung, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Bundesregierung in diesem wichtigen Punkt eine jahrelange Erfolgsgeschichte infrage stelle. Seit 2004 seien nur zwei Prozent aller Anträge auf klinische Prüfungen von den Ethik-Kommissionen abgelehnt worden.

Hingegen seien 95 Prozent der Anträge genehmigt worden, allerdings mit erheblichen Veränderungen, was die Bedeutung der ethischen Befassung unterstreiche. Es gebe weder aus praktischen noch formalen Gründen einen Anlass, die jetzige Regelung zu ändern, zumal die EU-Verordnung es den Staaten überlasse, wie die Ethik-Kommissionen eingebunden würden.

Kritisch hinterfragt wird auch die mögliche Teilnahme an der sogenannten gruppennützigen Forschung für eine ,,volljährige Person, die nicht in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen". Aus Sicht des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und des Kommissariats der Deutschen Bischöfe ist dieser Passus hinsichtlich der unveräußerlichen Würde des Menschen und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit problematisch.

Zwar blieben gruppennützige klinische Prüfungen an Menschen, die nie einwilligungsfähig waren, ausgeschlossen, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Vorgesehen sei jedoch die gruppennützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Probanden für den Fall, dass die betroffenen Personen zu einer Zeit, in der die Einwilligungsfähigkeit noch bestand, durch eine Patientenverfügung die Forschung erlaubt hätten.

Aus dem Entwurf gehe aber nicht hervor, warum hier überhaupt ein Bedarf an dieser speziellen Personengruppe angenommen werde, zumal es sich um eine besonders schutzbedürftige Gruppe handele, die schwerwiegenden Gefahren und Missbrauchsrisiken ausgesetzt wäre, würde die klinische Prüfung an ihnen zugelassen. Die Interessenverbände der Behinderten gaben zu bedenken, dass eine Patientenverfügung hinsichtlich solcher Studien schon sehr konkret formuliert sein müsse und es zudem schwierig sei, etwa in Fällen von Demenz, den aktuellen mutmaßlichen Willen des Probanden zu ermitteln. Dies sei jedoch unbedingt nötig. Studien mit Minderjährigen hält die BAG Selbsthilfe für sinnvoll und notwendig, um mehr Informationen zu erhalten über die Wirkungsweise von Arzneimitteln bei Kindern.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt die im Entwurf vorgesehenen erweiterten Kompetenzen von Behörden, Rückrufe bei Arzneimittelfälschungen kurzfristig einzuleiten und Fachkreise sowie die Öffentlichkeit frühzeitig über Lieferengpässe bei Impfstoffen zu informieren. Allerdings gingen die Regelungen nicht weit genug. Lieferengpässe von Arzneimitteln seien in den Krankenhäusern zu einem dauerhaften Problem geworden, das alarmierend sei, wenn es um dringend benötigte Medikamente ohne Therapiealternative gehe. Hier sei die Versorgung der Patienten nicht mehr sichergestellt. Was die Arzneimittelfälschungen betreffe, hätten sich die Meldungen "in der legalen Lieferkette" in den vergangenen fünf Jahren um das Dreißigfache erhöht. Hier seien dringend weitere Schritte erforderlich, um das Problem anzugehen.

In dem Gesetzentwurf geht es auch um die Genehmigung klinischer Prüfungen, in denen ionisierende Strahlung eingesetzt wird und eine mögliche Fristenregelung. So kritisiert der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) den aus ihrer Sicht unklaren Lösungsansatz für die Probleme mit klinischen Prüfungen, "die wegen der Begleitdiagnostik mit ionisierender Strahlung unter die Regelungen der Röntgen/Strahlenschutzverordnung (RöV/StrlSchV) fallen".

Es sei im Interesse der Patienten und des Studienstandortes erforderlich, dass die strahlenschutzrechtliche Genehmigung einer klinischen Prüfung mit Begleitdiagnostik auch in Deutschland "im Verfahren des nationalen Votums mit erteilt" werde. Wenn in Studien die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung selbst Gegenstand des Forschungsprojekts ist, setzt dies ein ausführliches Genehmigungsverfahren voraus. Wegen der langen Bearbeitungszeiten dieser Verfahren werden solche klinische Studien in Deutschland kaum noch umgesetzt. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 24.05.16
Home & Newsletterlauf: 23.06.16


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