Compliance im Arbeitsrecht


Werden Werkverträge von den Unternehmen zunehmend als Alternative zur Leiharbeit und als strategisches Mittel zur Deregulierung eingesetzt?
Experten uneinig über Auswirkung von Werksverträgen auf Arbeitsmarkt und Bezahlung - Wie grenz man Werkvertragsarbeit von Leiharbeit ab?


(04.05.12) - Die Oppositionsfraktionen von Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen sind überzeugt, dass Werksverträge oftmals bloß Scheinwerksverträge sind, mittels derer Arbeitgebern Lohnkosten einsparen wollen. Zwei entsprechende Anträge der beiden Fraktionen waren deshalb Anlass einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Laut Antrag der Grünen-Fraktion (17/7482) müssen Leiharbeit und Werkverträge klar voneinander abgegrenzt und die Kriterien dafür im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) festgelegt werden. Die Fraktion begründet den Vorstoß damit, dass viele Firmen zunehmend Aufgaben in Werkvertragsunternehmen auslagern, um Löhne und Sozialkosten noch unter das Niveau bei Leiharbeitsfirmen zu drücken. Denn während sie bei Leiharbeitern an höhere tarifliche Standards gebunden seien, lägen diese in Werkvertragsunternehmen deutlich darunter. In Wirklichkeit handele es sich aber bei vielen vermeintlichen Werkverträgen um verdeckte Leiharbeit.

Die Linksfraktion schreibt in ihrem Antrag (17/7220 [neu]), dass Werkverträge von den Unternehmen zunehmend als Alternative zur Leiharbeit und als strategisches Mittel zur Deregulierung eingesetzt würden. Mit sogenannten Scheinwerkverträgen, bei denen es sich eigentlich um Arbeitnehmerüberlassung handelt, würden die ohnehin viel zu niedrigen Standards in der Leiharbeit noch unterlaufen.

Bei der Identifizierung von Scheinwerkverträgen bestehe jedoch die Schwierigkeit bislang darin, Werkvertragsarbeit von Leiharbeit abzugrenzen, um Fälle von illegaler Arbeitnehmerüberlassung aufzudecken. Die Fraktion fordert deshalb ein "Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen", das eine sogenannte Vermutungsregel enthält. Das bedeutet konkret: Wenn eine Tätigkeit ein bestimmtes Merkmal erfüllt, soll das Vorliegen eines Leiharbeitsverhältnisses vermutet werden, bis die Arbeitgeber das Gegenteil bewiesen haben. Darüber hinaus verlangen die Abgeordneten, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ohne Ausnahme zu verankern.

Die Positionen der Experten in der Anhörung waren kontrovers; die Vertreter von Arbeitgeberverband und Arbeitgebern nahestehenden Institutionen rechtfertigten mehrheitlich die Werksverträge, während die Entsandten von Gewerkschaftsbund und Arbeitnehmern nahen Institutionen eher die Risiken und Nachteile in den Mittelpunkt stellten.

Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks betonte eingangs, dass es seit jeher Werkverträge im Handwerk gebe; egal ob die Auftraggeber Privatpersonen oder Firmen seien. Leiharbeit sei im Baugewerbe verboten. Bei der Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben spiele die Vertragsform keine Rolle und deshalb "spielt auch diese Diskussion keine Rolle", sagte Dannenbring. Der Redner der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Roland Wolf pflichtete seinem Vorredner bei und betonte ergänzend, dass es Werksverträge "seit Jahrhunderten" gebe. Ähnlich argumentierte auch Werner Stolz vom Interessensverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.: Die Kriterien für die unterschiedlichen Vertragsformen seien "klar geregelt".

Der unabhängige Sachverständige Professor Dr. Raimund Waltermann befand, dass man mit der Diskussion über Vertragsformen das Problem der niedrigen Entgelte leider nicht erfasse. "Wir sind nicht gegen Werksverträge", erklärten Helga Nielebock und Johannes Jakob, beide entsandt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Allerdings gebe es in den letzten Jahren "negative Entwicklungen", weshalb es einer "gesetzlichen Regelung" und "eventuell auch der Mindestlöhne" bedürfe.

Auch Professor Franz Josef Düwell, der wie Waltermann für keine Institution sprach, schloss sich der DGB-Forderung nach einer gesetzlichen Regelung an. "Der Gesetzgeber muss handeln", forderte er, damit "verdeckte Leiharbeit" aufgedeckt werden kann und Konsequenzen mit sich bringt. Der freie Experte Frank Schmidt-Hullmann nannte beispielhaft die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa, die einzelne Unternehmensbereiche ausgelagert habe, indem sie eigene Werksvertragsunternehmen gegründet habe. Deren Arbeitnehmer würden nun nach schlechteren Tarifverträgen bezahlt werden. Deshalb, argumentierte Schmidt-Hullmann, "greift die Rechtssprechung ins Leere."

Des weiteren kamen die freien Sachverständigen Jürgen Ulber und Jörg Spies sowie Karsten Bunk (Bundesagentur für Arbeit), Heribert Jöris und Steven Haarke (Handelsverband Deutschland e.V.) und die Vertreter des Verbands Instore und Logistik Services e.V., Michael Jeurges und Denis Henkel, zu Wort. Alle 15 Sachverständigen hatten ihre Stellungnahmen zuvor schriftlich eingereicht. (Deutscher Bundestag: ra)


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