E-Sport unter Experten umstritten


Gleichbehandlung von E-Sport: Drei bis vier Millionen würden in Deutschland E-Sport betreiben, unter diesen Bereich fielen sowohl Strategie- und Sportspiele sowieso Shooter
Soll die Regierung gemäß der Vereinbarung in ihrem Koalitionsvertrag die Rahmenbedingungen schaffen wie etwa eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit und eine Anerkennung der E-Sportler als Berufssportler



Sollte das Fußballspielen auf einer Konsole dem auf einem Sportplatz gleichgestellt sein? Um diese und andere Fragen geht es in der Diskussion um eine Anerkennung des sogenannten E-Sports. Um hier zu Antworten zu gelangen, hat der Sportausschuss des Deutschen Bundestags in einer öffentlichen Anhörung unter Vorsitz von Dagmar Freitag (SPD) bzw. Eberhard Gienger (CDU) verschiedene Sachverständige befragt. Ergebnis des Gespräch: Die Haltungen differieren stark.

So plädierte Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bunds Deutschland (ESBD), für eine Gleichbehandlung. E-Sport sei eine "junge, dynamische, digitale" Sportbewegung, für die sich Millionen von Menschen begeistern würden. Diese "Athleten" würden "motorische, reaktive, strategische und kommunikative Leistungen" zeigen. Drei bis vier Millionen würden in Deutschland E-Sport betreiben, unter diesen Bereich fielen sowohl Strategie- und Sportspiele sowieso Shooter. Jagnow sagte, die Regierung solle gemäß der Vereinbarung in ihrem Koalitionsvertrag die Rahmenbedingungen schaffen: Dazu gehöre etwa eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit und eine Anerkennung der E-Sportler als Berufssportler.

Dem schloss sich Ralf Reichert, Gründer des E-Sport-Unternehmens ESL, an. Er betonte in seinem Statement, dass er als Jugendlicher mit dem Vorwurf konfrontiert worden sei, Computer- und Videospiele seien Zeitverschwendung. Daher sei es heute sein Ziel, Kindern und Jugendlichen "ein Zuhause" und einen Ort zu geben, an dem sie "Anerkennung" erfahren könnten. Die Politik solle die "Stigmatisierung" des E-Sports beenden.

Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sagte dessen Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker, der Verband und seine Mitglieder hätten lange um die Frage gerungen, ob E-Sport "eigentlich Sport" sei und wie man mit dem Phänomen umgehen solle. Beim E-Sport stehe der "unmittelbare Wettkampf" im Mittelpunkt. Es gehe bei einer Bewertung nicht nur um die Frage, ob beim E-Sport motorische Aktivitäten ausgeübt würden, sondern auch um dessen Organisation. Geschäftsmodell und seinen Beitrag zum Gemeinwohl. Der DOSB habe sich in eine Unterscheidung zwischen "virtuellen Sportarten" und "eGaming" entschieden; letzteres sein kein Sport "im eigentlichen Sinne". Rückert unterstrich, man sehe im E-Sport vor allem eine Möglichkeit, junge Menschen für Sport zu begeistern und in Vereine zu holen.

Der Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbands, Lars Pickardt, führte aus, man sehe im E-Sport große Chancen insbesondere für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Man sehe auch Anwendungsmöglichkeiten für den Rehasport und den Bereich der Prävention. Dennoch gebe es auch große Risiken wie etwa das Cybergrooming: So würden Chatfunktionen von Spielen von Erwachsenen genutzt, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass junge Menschen sich über versteckte Kosten in den Spielen verschuldeten. Was grundsätzlich überhaupt nicht zu "den Werten des Sports" passe, seien das Verletzten oder Töten von Menschen, wie es bestimmte Shooter beinhalteten.

Für die Athleten innerhalb des DOSB sagte Marc Zwiebler, es gebe noch keine eindeutige Haltung: Aus seiner Sicht seien zwischen traditionellem und E-Sport die "Gemeinsamkeiten größer als die Unterschiede". Athleten aus beiden Welten stünden unter großem Wettkampfdruck und hätten ein Berufsrisiko.

Ausgesprochen kritisch äußerte sich dagegen die Sportwissenschaftlerin Carmen Borggrefe von der Universität Stuttgart. Sie konstatierte immense Unterschiede zwischen traditionellem und E-Sport: E-Sport sei "in dem Sinne kein Sport". So seien die körperbezogenen Handlungen beim Bedienen eines Controllers nicht sportartbestimmende motorische Aktivitäten - diese Handlungen - wie etwa das Klicken einer Taste - erhielten ihren Sinn erst im virtuellen Geschehen. Es sei "kontraproduktiv", die Digitalisierung des Sports zu befördern - auch und gerade angesichts der Probleme, dass Jugendliche häufig übergewichtig seien und sich zu wenig bewegten. Der herkömmliche Sport solle sich, so Borggrefe, vom E-Sport "konsequent abgrenzen".

Der Leipziger Sportpsychologe Thomas Wendeborn kam zu dem Schluss, der E-Sport sei "eher dem Spiel als dem Sport zuzuordnen". Grundsätzlich habe die Festlegung im Koalitionsvertrag Fakten geschaffen, denen man sich jetzt stellen müsse. Nichts habe den organisierten Sport in den letzten Jahren so "irritiert" wie die Diskussion um den E-Sport. Die Unterscheidung des DOSB in virtuellen Sport und eGaming sei gut. Grundsätzlich müsse sich der E-Sport unter Federführung des ESBD auch Fragen stellen, welche Impulse für einen aktiven und bewegungsreichen Lebensstil gesetzt werden könnten. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 09.03.19
Newsletterlauf: 05.04.19


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

  • AfD-Fraktion hält EU-Richtlinie für "rechtswidrig"

    Für die AfD-Fraktion greift eine EU-Richtlinie "rechtswidrig in die Grundrechte der Bürger ein". Das schreibt sie in einem Antrag (20/13799), in dem sie darauf abzielt, dass das EU-Parlament und der Rat der EU am 24. April 2024 die Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen hätten.

  • Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung

    Um die Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung geht es in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/13735). Wie die Fraktion darin ausführt, wird mit eIDAS 2.0 "eine persönliche europäische digitale Brieftasche, die EUDI-Wallet" geschaffen.

  • Neufassung der Energieauditpflicht

    Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen, zur Änderung des Energieeffizienzgesetzes und zur Änderung des Energieverbrauchskennzeichnungsgesetzes (20/11852) befasst. Im Fokus stand dabei vor allem die Neufassung der Energieauditpflicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen