Stadt-Land-Problematik bei ärztlicher Versorgung


Experten sind sich über Landärzte-Gesetz der Bundesregierung uneins
Sollen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) verpflichtet werden, frei werdende Praxen aufzukaufen, um sie vom Markt zu nehmen?

(27.10.11) - Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (17/6906) ist unter Verbänden und Experten umstritten. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, sagte in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses, der Entwurf sei "grundsätzlich geeignet", vor allem der ärztlichen Unterversorgung insbesondere in ländlichen Regionen entgegenzuwirken. Genau dies bezweifelte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg. Wer glaube, Unterversorgung beseitigen zu können, ohne ärztliche Überversorgung vor allem in Großstädten "wirksam zu bekämpfen", der irre, sagte Stackelberg.

Er forderte, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu verpflichten, frei werdende Praxen aufzukaufen, um sie vom Markt zu nehmen. Der Gesetzentwurf sieht ein Vorkaufsrecht für KVen, wenn in überversorgten Gebieten die Nachbesetzung einer Praxis ansteht. Als überversorgt gilt ein Gebiet, wenn das Plansoll für eine Facharztgruppe um mehr als zehn Prozent überschritten wird.

Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband schloss sich der Kritik des GKV-Spitzenverbandes an. Sie bemängelte zugleich, dass die Möglichkeiten zur Zulassungsbefristung in der überversorgten Regionen nicht ausreichten. Der Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassen, Thomas Ballast, regte an, sich in dem Gesetzentwurf stärker auf den Nachwuchs zu konzentrieren. Um viele der jährlich neu hinzukommenden rund 5.000 neuen Ärzten für den Beruf des Landarztes zu begeistern, reichten die gewählten Ansätze nicht aus. Ballast kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die geplante Einführung einer so genannten spezialärztlichen Versorgung ohne Mengenbegrenzung. Dies sei für junge Ärzte attraktiver und konterkariere das mit dem Entwurf verbundene Ziel, mehr Ärzte aufs Land zu locken.

Der Einzelsachverständige Wolfgang Spoerr betonte hingegen, die von der Regierung geplanten Maßnahmen seien geeignet, die Stadt-Land-Problematik bei der ärztlichen Versorgung anzugehen. Der Jurist lobte, dass der Entwurf "viel Zuckerbrot und relativ wenig Peitsche" enthalte.

Um eine wohnortnahe, flächendeckende medizinische Versorgung sicherzustellen, sollten Landärzte nach dem Willen der Bundesregierung von Maßnahmen der Budgetbegrenzung ausgenommen werden. Normalerweise müssen Ärzte Honorarabschläge hinnehmen, wenn in ihrer Praxis eine bestimmte Zahl an Behandlungen überschritten wird. Davon sollen nun Mediziner, die sich in unterversorgten ländlichen Gebieten niederlassen, befreit werden.

Umstritten war in der Anhörung auch die geplanten Änderungen bei den zulässigen Rechtsformen der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Vorgesehen ist hier, nur noch die Gründung von MVZ als Personengesellschaft oder GmbH zu erlauben. Während der Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht, Helge Sodan, dies als mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnete, bestritt der Einzelsachverständige Reimar Buchner genau dies. Der Berliner Medizinrechtler sagte, darin liege ein nicht akzeptabler Eingriff in die Berufsfreiheit.

Der Anhörung lagen auch Anträge der Fraktionen Die Linke (17/3215) und Bündnis 90/Die Grünen (17/7190) zugrunde. Die Linksfraktion verlangt unter anderem, in der Analyse und Planung des Versorgungsbedarfs und der anschließenden Umsetzung sollten Kriterien wie die Morbidität, die Mobilität und die regionale Infrastruktur integriert werden. Die Grünen wollen unter anderem Vergütungsanreize für Ärzte schaffen, die sich in unterversorgten Regionen niederlassen. Diese seien aber nur dann zu finanzieren, "wenn gleichzeitig auch die erhebliche Überversorgung in manchen Regionen" wirksam bekämpft werde. (Deutscher Bundestag: ra)




Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

  • AfD-Fraktion hält EU-Richtlinie für "rechtswidrig"

    Für die AfD-Fraktion greift eine EU-Richtlinie "rechtswidrig in die Grundrechte der Bürger ein". Das schreibt sie in einem Antrag (20/13799), in dem sie darauf abzielt, dass das EU-Parlament und der Rat der EU am 24. April 2024 die Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen hätten.

  • Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung

    Um die Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung geht es in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/13735). Wie die Fraktion darin ausführt, wird mit eIDAS 2.0 "eine persönliche europäische digitale Brieftasche, die EUDI-Wallet" geschaffen.

  • Neufassung der Energieauditpflicht

    Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen, zur Änderung des Energieeffizienzgesetzes und zur Änderung des Energieverbrauchskennzeichnungsgesetzes (20/11852) befasst. Im Fokus stand dabei vor allem die Neufassung der Energieauditpflicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen