Versicherer warnen vor Dividendensperre


Die aktuelle Niedrigzinsphase hat die strukturellen Verwundbarkeiten von Versicherern gegenüber Kapitalmarktrisiken deutlich gemacht
Die Stabilität des Lebensversicherungssektors erhöhen - Bewältigung der Folgen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfeldes

(23.07.14) - Die deutsche Versicherungswirtschaft lehnt die Absicht der Bundesregierung strikt ab, die Situation der Lebensversicherungen durch verschiedene Maßnahmen wie ein Verbot von Dividendenausschüttungen zur Erfüllung garantierter Leistungen an Versicherte und eine höhere Beteiligung der Versicherten an den Risikoüberschüssen der Unternehmen zu stabilisieren. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses erklärte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, ab dem Inkrafttreten der Ausschüttungssperre bestehe für die Unternehmen faktisch keine Möglichkeit mehr, neues Kapital aufzunehmen. Dies sei mit Blick auf die geforderte höhere Eigenmittelausstattung "kontraproduktiv", erklärte der Verband. Die Deutsche Bundesbank betonte: "Die aktuelle Niedrigzinsphase hat die strukturellen Verwundbarkeiten von Versicherern gegenüber Kapitalmarktrisiken deutlich gemacht."

Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (18/1772). Damit soll unter anderem die Beteiligung der Versicherten an den Risikoüberschüssen der Unternehmen von 75 auf 90 Prozent erhöht werden. Zugleich wird die Verzinsung für Neuverträge auf 1,25 Prozent gesenkt und die Transparenz bei Provisionen der Versicherungsvermittler verbessert. Außerdem kann die Ausschüttung von sogenannten Bewertungsreserven an Kunden, deren Verträge enden, begrenzt werden, sofern die von einem Versicherungsunternehmen gebildeten Rückstellungen bei den gegenwärtig niedrigen Zinsen nicht ausreichen, um die den verbleibenden Versicherten gegebenen Garantiezusagen zu finanzieren.

Die gegenwärtige Situation wird von der Regierung als unbefriedigend bezeichnet, weil die Kunden bevorzugt würden, die jetzt aus den Verträgen ausscheiden. Künftig sollen die Interessen derjenigen, deren Versicherungsverträge erst in Zukunft fällig werden, besser berücksichtigt werden. Nach Angaben der Bundesbank betragen die Bewertungsreserven der Versicherer, deren Grund gestiegene Kurse von Anleihen im Bestand wegen der gesunkenen Zinsen sind, 86,7 Milliarden Euro.

Der Verband öffentlicher Versicherer begrüßte die Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven als "wichtigen Schritt bei der Bewältigung der Folgen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfeldes". Die Ausschüttungssperre ging dem Verband aber zu weit. Professor Christoph Kaserer (Technische Universität München) erklärte, die gesetzestechnische Umsetzung der Ausschüttungssperre schieße über das Ziel hinaus. Dagegen gefiel dem Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen die Dividendensperre, "da so die Risikolast gerecht zwischen Aktionär und Versicherungsnehmer aufgeteilt wird". Auch der Bund der Versicherten begrüßte das Vorhaben.

Die Deutsche Aktuarvereinigung (Versicherungs- und Finanzmathematiker), vertrat in ihrer schriftlichen Stellungnahme die Ansicht, bei den Änderungen an der Verwendung der Bewertungsreserven gebe es einen "fairen Interessenausgleich zwischen abgehenden und im Versichertenkollektiv verbleibenden Versicherungsnehmern". Auch das Institut der Wirtschaftsprüfer stellte fest, der Gesetzgeber sei hier "auf dem richtigen Weg".

Für die Bundesbank kann das Gesetzesvorhaben dazu beitragen, "die Stabilität des Lebensversicherungssektors zu erhöhen". Von der Sachverständigen Barbara Sternberger-Frey kam der Hinweis, die Versicherungen würden zwar Bewertungsreserven ausschütten, hätten im Gegenzug jedoch andere Elemente zu Lasten der Kunden gekürzt. Der Bedarf, was ausgeschüttet werden müsse, werde überzeichnet. Der Bund der Versicherten sieht in der Einschränkung der Beteiligung an den Bewertungsreserven einen Konflikt mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: "Letztlich wird der Verbraucherschutz gezwungen sein, diese Regelung einer höchstrichterlichen Prüfung zuzuführen."

Der Gesetzentwurf sieht weiterhin vor, die Kostentransparenz der Versicherungsprodukte zu erhöhen. So sollen Versicherungsvermittler die Höhe ihrer Provisionen offenlegen. Dagegen protestierten der Versicherungsverband und der Bundesverband Deutscher Vermögensberater, der "Fehlinformationen" beim Kunden befürchtet: "weil er beispielsweise nicht zwischen den höheren Provisionsansprüchen eine selbstständigen Vermittlers und den gegebenenfalls niedrigen Provisionsansprüchen eines unselbstständigen Vermittlers unterscheiden kann". Der AFW – Bundesverband Finanzdienstleistung warnte vor einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der freien Versicherungsvermittler. Der Bund der Versicherten hielt dagegen und begrüßte die Provisionsoffenlegung. Sie müsse aber auf alle Provisionsbestandteile ausgeweitet werden. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erwartet mehr Wettbewerbsgleichheit durch eine Provisionsoffenlegung. Er forderte zudem eine Offenlegung der Beitragsrendite. Die Verbraucher würden nicht erfahren, wie sich ihre eingezahlten Beiträge verzinsen. Für den Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherung steht fest: "Einem guten Produkt hat Transparenz noch nie geschadet." (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

  • AfD-Fraktion hält EU-Richtlinie für "rechtswidrig"

    Für die AfD-Fraktion greift eine EU-Richtlinie "rechtswidrig in die Grundrechte der Bürger ein". Das schreibt sie in einem Antrag (20/13799), in dem sie darauf abzielt, dass das EU-Parlament und der Rat der EU am 24. April 2024 die Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen hätten.

  • Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung

    Um die Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung geht es in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/13735). Wie die Fraktion darin ausführt, wird mit eIDAS 2.0 "eine persönliche europäische digitale Brieftasche, die EUDI-Wallet" geschaffen.

  • Neufassung der Energieauditpflicht

    Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen, zur Änderung des Energieeffizienzgesetzes und zur Änderung des Energieverbrauchskennzeichnungsgesetzes (20/11852) befasst. Im Fokus stand dabei vor allem die Neufassung der Energieauditpflicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen