Kommt die "Soziale Fortschrittsklausel"?


Notwendigkeit einer sozialen Fortschrittsklausel im EU-Recht unter Experten umstritten
Arbeitnehmerrechte sollen im Recht der Europäischen Union einen höheren Stellenwert erhalten


(11.10.10) - Ob die sogenannte "Soziale Fortschrittsklausel" in europäisches Primärrecht übernommen werden soll, ist unter Experten umstritten. Bei einer Anhörung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu diesem Thema sagte Prof. Dr. Georg Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherung an der Universität Bonn, dass eine soziale Fortschrittsklausel, bei der es im Kern darum gehe sicherzustellen, dass Arbeitnehmerrechte im Recht der Europäischen Union einen höheren Stellenwert erhalten, kein geeignetes Instrument sei, um die soziale Dimension der EU zu stärken.

"Wenn man sich um die soziale Zukunft der EU Gedanken macht, sollte dies konkreter geschehen und nicht mit einer so breit gefassten Klausel", sagte Thüsing. Er lehne eine solche Fortschrittsklausel deshalb ab. Zudem sei die EU bereits der "Motor des sozialen Schutzes", auch die Arbeitnehmerrechte seien Dank der EU ausgebaut worden.

Dem schloss sich Klaus Bünger vom Zentrum für Europäische Integrationsforschung an. "Sozialer Fortschritt ist nur auf Basis des wirtschaftlichen Fortschritts möglich", sagte Bünger. Die Stärkung des Binnenmarkts sei deshalb ein wichtiger Pfeiler für die soziale Dimension der EU. Würde man nun dem Sozialen den Vorrang geben, könne man den Binnenmarkt nicht weiter ausbauen, sagte Bünger. "Das wäre das Ende."

Dem widersprach Prof. Dr. Jens Schubert, Leiter der Rechtsabteilung bei ver.di. Er sagte, dass in der bisherigen Praxis der Europäischen Union und der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes die sozialen Grundrechte zumeist den wirtschaftlichen untergeordnet würden. Er sprach sich deshalb dafür aus, die soziale Fortschrittsklausel in das EU-Recht zu übernehmen. Schließlich habe der Binnenmarkt auch das Ziel, die soziale Dimension Europas voranzubringen. Die Schutzvorschriften der EU für Arbeitnehmer würden derzeit nicht ausreichen, sagte Schubert. Er sprach von einer Unwucht innerhalb der EU zu Ungunsten der sozialen Dimension.

Dem stimmte auch Dr. Jan Cremers vom Europäischen Gewerkschaftsbund zu, der wie der Deutsche Gewerkschaftsbund die Einführung einer sozialen Fortschrittsklausel fordert. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

  • AfD-Fraktion hält EU-Richtlinie für "rechtswidrig"

    Für die AfD-Fraktion greift eine EU-Richtlinie "rechtswidrig in die Grundrechte der Bürger ein". Das schreibt sie in einem Antrag (20/13799), in dem sie darauf abzielt, dass das EU-Parlament und der Rat der EU am 24. April 2024 die Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen hätten.

  • Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung

    Um die Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung geht es in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/13735). Wie die Fraktion darin ausführt, wird mit eIDAS 2.0 "eine persönliche europäische digitale Brieftasche, die EUDI-Wallet" geschaffen.

  • Neufassung der Energieauditpflicht

    Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen, zur Änderung des Energieeffizienzgesetzes und zur Änderung des Energieverbrauchskennzeichnungsgesetzes (20/11852) befasst. Im Fokus stand dabei vor allem die Neufassung der Energieauditpflicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen