Sportwetten: Es geht um einen Milliarden-Markt


Massive Bedenken gegen Bundesrats-Entwurf zur Sportwetten-Besteuerung
Bundesrat will mit der Neuregelung besonders das Problem illegaler Wetten über das Internet in den Griff bekommen


(28.03.12) - Sachverständige haben aus verschiedenen Gründen Bedenken gegen einen vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Besteuerung sämtlicher Sportwetten (17/8494) vorgebracht. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch wurden auch Sorgen vor einer Gefährdung der Sportpferdezucht in Deutschland laut.

Der Bundesrat will mit der Neuregelung besonders das Problem illegaler Wetten über das Internet in den Griff bekommen. Bisher seien nur Wetten erfasst worden, die im Inland veranstaltet werden, heißt es in der Begründung des vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfs. Nach der Neuregelung sollen Wetten auch dann besteuert werden, wenn der Spieler bei Abschluss des Wettvertrages zum Beispiel über Internet bei einem ausländischen Anbieter seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Durch eine Öffnungsklausel im Gesetz sollen die Bundesländer die Möglichkeit erhalten, ergänzende Regelungen zu Pferdewetten zu treffen. Die Steuer für die Pferdewetten soll von 16,66 auf fünf Prozent gesenkt werden. Für Lotterien soll weiter der Satz von 16,66 Prozent gelten. Es geht um einen Milliarden-Markt: Nach Angaben der Deutschen Steuergewerkschaft werden im Bereich der Sportwetten in Deutschland rund 3,4 Milliarden Euro umgesetzt.

Professor Andreas Musil (Universität Potsdam) erklärte in seiner Stellungnahme, in der unterschiedlichen Besteuerung von Lotterieangeboten und Sportwetten könnte ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes liegen. Die Ausdehnung der Steuerpflicht auf ausländische Anbieter könnte die Gefahr einer Doppelbelastung mit sich bringen. In der Stellungnahme von Professor Stephan Eilers (Freshfields Bruckhaus Deringer) hieß es unter anderem, die Steuer auf Sportwetten verstoße in der gewählten Ausstattung gegen die Grundrechte betroffener Veranstalter.

Die Spreizung des Steuersatzes würde nach Ansicht der Deutschen Steuer-Gewerkschaft zu erheblichen Problemen führen. Eine Möglichkeit, im Ausland getätigte Wetten in die Besteuerung einzubeziehen, wäre die Einführung einer "gesamtschuldnerischen Haftung", so dass auch die Spieler steuerpflichtig würden. Das wurde von Suchtbekämpfungs-Experten zurückgewiesen.

Die Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin lehnte auch die Einführung unterschiedliche Steuersätze ab, weil diese nicht plausibel zu erklären seien.

Professor Tilman Becker (Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim) forderte die Gründung einer neuen Behörde (Gambling Commission), die den gesamten Glücksspielbereich in Deutschland regulieren soll. Becker sah angesichts verschiedener Regelungen auf Bundes- und Länderebene in Deutschland "rechtsfreie Räume". Andreas Frank (Frank Consultancy Services) nannte die Absenkung des Steuersatzes "unter Spielschutzgesichtspunkten nicht plausibel".

Probleme mit dem EU-Recht sah Ronald Reichert (Redeker Sellner Dahs). Die vom Bundesrat vorgeschlagene Neuregelung könne dazu führen, dass die deutschen Rennvereine die Mittel, die sie aus der Steuer zur Durchführung öffentlicher Leistungsprüfungen für Pferde erhalten hätten, zurückzahlen müssten.

Nach Angaben des Hauptverbandes für Traberzucht werden ohnehin nur noch 15 Prozent aller in Deutschland getätigten Pferdewetten noch im Inland gehalten und ordentlich versteuert. Am Beispiel der Trabrennen wurde erläutert, in den letzten acht Jahren seien die Wetten in die Totalisatoren deutscher Trabrennvereine um 87 Prozent gesunken – von ursprünglich 214 Millionen auf gerade noch 27 Millionen Euro. Durch die gesunkenen Rückerstattungen sei die Zahl der Leistungsprüfungen im Bereich der Traberzucht um 70 Prozent zurückgegangen. Seien 1993 6,6 Millionen Euro an Züchterprämien ausgeschüttet worden, so seien es 2011 nur noch 720.000 Euro gewesen. Im Gegensatz dazu würden in Frankreich jedes Jahr 11.000 Trabrennen veranstaltet und aus Totalisatorwetten 27,5 Millionen Euro ausgeschüttet. "Das Pferd ist nicht nur ein Kulturgut in Frankreich", appellierte ein Vertreter des Hauptverbandes für Traberzucht an die Politik. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

  • AfD-Fraktion hält EU-Richtlinie für "rechtswidrig"

    Für die AfD-Fraktion greift eine EU-Richtlinie "rechtswidrig in die Grundrechte der Bürger ein". Das schreibt sie in einem Antrag (20/13799), in dem sie darauf abzielt, dass das EU-Parlament und der Rat der EU am 24. April 2024 die Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen hätten.

  • Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung

    Um die Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung geht es in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/13735). Wie die Fraktion darin ausführt, wird mit eIDAS 2.0 "eine persönliche europäische digitale Brieftasche, die EUDI-Wallet" geschaffen.

  • Neufassung der Energieauditpflicht

    Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen, zur Änderung des Energieeffizienzgesetzes und zur Änderung des Energieverbrauchskennzeichnungsgesetzes (20/11852) befasst. Im Fokus stand dabei vor allem die Neufassung der Energieauditpflicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen