Rennen um die Fusion hat bereits begonnen


Für die Regulierung der Fusionskraftwerke sind neue Rahmenbedingungen notwendig
Sara Castegini von Global Policy Lead - Commonwealth Fusion Systems betonte, dass sie mit einem deutlichen Anstieg der Fusionskraftwerke in den kommenden Jahren rechne



In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung haben die sechs Sachverständigen für einen eigenen Rechtsrahmen für die Fusionsforschung ausgesprochen. Das Atom-Gesetz könne nicht bei der Forschung und Entwicklung von Fusion angewendet werden, da von der neuen Technologie deutlich geringere Risiken als von der Kernspaltung ausgingen, erklärten die Expertinnen und Experten. Gesetze speziell für die Fusion seien zudem die Voraussetzung dafür, dass sich Fusions-Unternehmen in Deutschland ansiedelten und die technologische Weiterentwicklung vorangetrieben werde.

Die Grundlage der Anhörung waren zwei Vorlagen: Ein Antrag (20/10383) der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel "Für einen pragmatischen, innovationsfreundlichen Rechtsrahmen für Fusionskraftwerke in Deutschland und Europa" sowie ein Antrag der AfD-Fraktion (20/10394) mit dem Titel "Fachkräfteinitiative für die Fusionsforschung".

Sara Castegini von Global Policy Lead - Commonwealth Fusion Systems betonte, dass sie mit einem deutlichen Anstieg der Fusionskraftwerke in den kommenden Jahren rechne. Für die Regulierung dieser Fusionskraftwerke seien neue Rahmenbedingungen notwendig. Der bestehende regulatorische Rahmen für die Kernspaltung sei für die Fusionsforschung unpassend, da das Risikopotenzial bei der Fusion deutlich geringer sei. Zudem erklärte die auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion zur öffentlichen Anhörung eingeladene Sachverständige, dass Fusions-Unternehmen bei der Standortsuche die Länder bevorzugen, die bereits einen "risikoangemessenen Rechtsrahmen für Fusionskraftwerke haben". Solche Nationen mit klaren Rahmenbedingungen würden zu "globalen Fusions-Leadern" werden, prognostizierte Castegini.

Wenn eines der ersten Fusionskraftwerke in Deutschland gebaut werden soll, müssten schnellstmöglich die regulatorischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, forderte auch Heike Freund, Mitglied des Gründungsvorstandes von Pro Fusion und Geschäftsführerin bei Marvel Fusion. Die auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion eingeladene Sachverständige plädierte für einen Rechtsrahmen, der die Fusion klar von der Kernspaltung trennt, da in einem Fusionskraftwerk keine radioaktiven Stoffe wie Uran verwendet und keine radioaktiven Abfälle entstehen würden. Neue Vorgaben sollten Schutzziele definieren und die Forschung und Entwicklung begleitend erstellt werden, um Unternehmen Planungssicherheit zu gewährleisten. Auch Freund mahnte, dass Unternehmen und Fachkräfte in die Länder abwandern könnten, in denen bereits Gesetze speziell für die Fusionsforschung existierten.

"Deutschland ist in der Fusionsforschung weltweit führend", sagte Constantin Häfner vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT. Der auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladene Sachverständige mahnte jedoch, dass der internationale Wettbewerb um die Fusionsforschung "in vollem Gange" sei. Hohe Investitionen in die Fusionsforschung in Ländern wie den USA, England, Japan oder China bedrohten Deutschlands "Technologieführerschaft". Häfner sprach sich dafür aus, eine Expertenkommission im Bereich der Fusionsforschung durch das BMBF einsetzten zu lassen, Pilotprojekte zu starten und ein internationales Förderprogramm auf den Weg zu bringen. Auch private Investitionen sollten gefördert werden, um Start-ups und die Industrie zu stärken. Zudem müssten in Deutschland Märkte aufgebaut werden, die die Technologien für Fusionskraftwerke bereitstellen; darunter beispielsweise die Schweiß-Technologie.

"Die Fusion ist die einzige ungenutzte Primärenergiequelle, die wir kennen", betonte Christian Linsmeier vom Institut für Energie- und Klimaforschung - Plasmaphysik, Forschungszentrum Jülich GmbH. Deutschland habe mit einem Anteil von 43 Prozent an der Fusionsforschung in Europa eine breite Kompetenz, die nun ausgebaut werden müsse, befand der auf Vorschlag der SPD-Fraktion zur öffentlichen Anhörung eingeladene Sachverständige. Die Fusionsforschung in Deutschland sei bereit, einen ersten Reaktor, ein Demonstrationskraftwerk, zu bauen. Da die Planung und der Bau eines solchen Fusionsreaktors etwa 20 Jahre dauern, sei eine hohe Rechtssicherheit für die beteiligten Firmen unabdingbar, erklärte Linsmeier. Eine große Hürde für die Weiterentwicklung der Fusion sei bisher das Atom-Gesetz. Der Sachverständige plädierte wie seine Kolleginnen und Kollegen dafür, die Fusion klar vom Atom-Gesetz abzugrenzen.

Robert Wolf vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik erklärte, die Fusion sei eine "nukleare Technologie, die allerdings keine Kettenreaktion kennt". Die Reaktionen liefen kontrolliert ab und könnten jederzeit abgebrochen werden. Aufgrund dieser Eigenschaften forderte auch der auf Vorschlag der AfD-Fraktion zur öffentlichen Anhörung eingeladene Sachverständige einen eigenen Rechtsrahmen für die Fusion. Das Atom-Gesetz sei bei den Fusionskraftwerken nicht anwendbar, da es spezifisch für eine existierende Technologie mit einem anderen Risikopotenzial entwickelt wurde. Ein neues Gesetz hingegen würde nicht ausschließen, dass bei der Fusion die Grundsätze des Strahlenschutzes nicht gelten oder Erfahrungen wie gestaffelte Sicherheitskonzepte nicht angewendet werden könnten, betonte Wolf.

Hannes Vogel von Proxima Fusion sprach davon, dass in den USA und China in den kommenden Jahren erste Fusion-Anlagen entstehen würden, die "Netto-Energiegewinn demonstrieren sollen". Das Rennen um die Fusion habe daher bereits begonnen, befand der auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur öffentlichen Anhörung eingeladene Sachverständige. Für die Regulierung der Fusion könne Deutschland von den USA und dem Vereinigten Königreich lernen, da es dort bereits Gesetze speziell für die Fusion gebe. Zudem sprach sich Vogel dafür aus, langfristig Personal für die Fusion und eine damit völlig neu entstehende Industrie auszubilden und anzuwerben. Da auch andere Nationen wie beispielsweise China derzeit unglaubliche Ressourcen für die Fusion akquirierten, müsse sich Deutschland auf einen unglaublichen Wettbewerb gefasst machen, bei dem es auch um die besten Köpfe gehe. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 08.07.24
Newsletterlauf: 14.08.24


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