Verabschiedung einer Kleinanlegerstrategie


Drohendes EU-Verbot provisionsbasierter Anlageberatung
Ein konkreter Vorschlag zur Kleinanlegerstrategie und zu einem möglichen Provisionsverbot soll bereits im Frühjahr 2023 vorgelegt werden




Um ein mögliches Verbot der Zahlung von Provisionen bei der Finanzberatung geht es in einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/5487). Die Bundesregierung soll zu Äußerungen der zuständigen EU-Kommissarin Mairead McGuinness Stellung nehmen, wonach in der neuen EU-Kleinanlegerstrategie ein Verbot von Anlageberatungen auf Provisionsbasis verankert werden könne. Die Regierung wird gefragt, ob ihr Erkenntnisse vorliegen, wie sich ein mögliches Verbot der provisionsgestützten Anlageberatung auf die Entwicklung der privaten Altersvorsorge bei Kleinanlegern und Anlegern aus dem Niedriglohnsektor in Deutschland auswirken würde. Außerdem erkundigen sich die Abgeordneten nach der Marktstellung von Honorarberatern in Deutschland und nach den Auswirkungen der Einführung eines Provisionsdeckels von 2,5 Prozent zum 1 Juli 2022.

In der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage vertreten die Abgeordneten die Ansicht, dass ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung aus wettbewerblichen, verbraucherschutzrechtlichen und auch aus sozialpolitischen Gründen zielführend sei. Zudem sei eine Honorarberatung für Kunden bei Anlagebeträgen bis 25.000 Euro teurer als eine provisionsbasierte Beratung. Über die Hälfte aller Investitionen von Kunden lägen unter 5.000 Euro bei einer Einmalanlage beziehungsweise unter 100 Euro bei monatlicher Sparrate. Überdies betrage das Finanzvermögen deutscher Haushalte etwa 16.900 Euro.
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Vorbemerkungen der Fragesteller
Die Europäische Kommission plant für das Jahr 2023 die Verabschiedung einer Kleinanlegerstrategie. Die zuständige Kommissarin Mairead McGuinness scheint entschlossen darin, ein Verbot von Anlageberatungen auf Provisionsbasis zu verankern. Die Kommissarin komme dabei zu dem Schluss, dass der Fortbestand von anreizbasierten Beratungen besonders bei Kleinanlegern "möglicherweise nicht zu den besten Ergebnissen" führen könnte. Weiter verwies die Kommissarin auf eine Studie, der zufolge Kleinanleger im Rahmen von Provisionsberatungen im Schnitt 35 Prozent teurere Produkte kauften. Daraus schließen die Fragesteller, dass die Kommissarin die für Provisionen aufgewendeten Kosten für zu hoch hält und die Rendite von Anlageprodukten für übermäßig geschmälert. Eine Beratung gegen ein vom Kunden zu zahlendes Honorar soll hingegen zu "erschwinglichen Gebühren" möglich sein. Zudem hätten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich kostengünstig über Algorithmen-basierte Systeme im Internet (RoboAdvisors) beraten zu lassen. Einwänden, ein solches Verbot könne die Profitabilität der Banken und letztlich die Finanzstabilität bedrohen, wird mit dem Hinweis begegnet, trotz der Änderung ihrer Geschäftsmodelle könnten Banken auch weiterhin ihre Produkte verkaufen und Gewinne erzielen. Als Referenzmärkte werden Großbritannien und die Niederlande genannt, wo es bereits Provisionsverbote gibt.

Ein konkreter Vorschlag zur Kleinanlegerstrategie und zu einem möglichen Provisionsverbot sollen bereits im Frühjahr 2023 vorgelegt werden. Offen ist nach Kenntnis der Fragesteller dabei bislang, ob sich ein Provisionsverbot auf Finanzanlagen beschränken oder auch für Versicherungsanlageprodukte gelten soll. Unklar ist aus Sicht der Fragesteller auch, ob es nur für Banken oder auch für selbständige Finanzanlagen- und Versicherungsvermittler gelten soll, die gerade auf dem deutschen Finanzmarkt eine große Bedeutung haben.

Entgegen den Ausführungen der Kommissarin ist nach Auffassung der Fragesteller ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung aus wettbewerblichen, verbraucherschutzrechtlichen und auch aus sozialpolitischen Gründen zielführend. Die Fragesteller begrüßen daher Medienberichte, wonach der Bundesminister der Finanzen Christian Lindner in einem Schreiben an die Kommissarin ein Provisionsverbot abgelehnt und stattdessen für die Beibehaltung von Provisions- und Honorarberatung geworben hat.

Gleichwohl ist es aus Sicht der Fragesteller erforderlich, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene geschlossen und mit Nachdruck gegen ein derartiges Verbot positioniert. Hinsichtlich der mit einer Beratung einhergehenden Kosten ist festzuhalten, dass die Honorarberatung für Kunden bei Anlagebeträgen bis 25.000 Euro teurer ist als provisionsbasierte Beratung. Über die Hälfte aller Investitionen von Kunden liegen unter 5.000 Euro (Einmalanlage) bzw. unter 100 Euro (monatliche Sparrate). Das Finanzvermögen deutscher Haushalte liegt bei 16.900 Euro (Median). (KPMG, Zukunft der Beratung, Whitepaper, November 2021, S. 25).

Erkenntnisse der Finanzaufsicht Großbritanniens (FCA) zeigen zudem, dass Honorarberatung eigene potenzielle Interessenkonflikte hat. So haben in Großbritannien mehr als 90 Prozent der Neukunden bei Dienstleistern (die sowohl Einmal- als auch fortlaufende Beratung anbieten) fortlaufende Beratungsmandate abgeschlossen. Dazu führt die FCA aus, dass Kleinanleger möglicherweise für eine Dienstleistung bezahlen, die sie nicht benötigen (FCA, Evaluation of the impact of the RDR and FMAR, Dec 2020, S. 19 f., 3.26 f.).

Im Sinne des Verbraucherschutzes plädieren die Fragesteller dafür, dass sich der Kunde auch bei mehreren Anbietern eine Anlageberatung einholen können muss und die Empfehlungen vor seiner Entscheidung vergleichen kann. Allerdings ist das vereinbarte volle Honorar durch den Kunden auch dann zu entrichten, wenn der Vertrag gar nicht zustande kommt oder der Kunde den vermittelten Vertrag während der ersten Jahre kündigen muss – sei es aus Geldnot oder dank einer besseren Alternative. Bei einer Provisionsberatung ist die Beratung und auch eine evtl. Folgeberatung für den Kunden kostenlos, wenn er nicht abschließt; bei vorzeitiger Kündigung muss der Berater die Provision anteilig zurückzahlen, weshalb der Rückkaufswert höher und die Provisionsberatung durchgerechnet nach Einschätzung der Fragesteller kostengünstiger wäre.

Außerdem entsteht wegen der Rückzahlungsverpflichtung ein Anreiz für eine langfristige Begleitung des Kunden. In einem Land wie Deutschland, in dem ein Drittel aller Lebens- und Rentenversicherungen nicht bis zum Ende bespart werden, ist dies von besonderer Relevanz. Schließlich ist eine Honorarberatung, anders als eine Provisionsberatung, umsatzsteuerpflichtig und verteuert diese auf Kosten des Kunden.

Aus Sicht der Fragesteller ebenso wichtig ist, dass gerade in Deutschland vermehrt privat Altersvorsorge betrieben wird in einem unübersichtlichen Markt. Insbesondere bei langfristigen Anlagehorizonten eignen sich neben konservativeren auch renditestärkere Anlageformen wie beispielsweise Aktien. Für den Großteil der Verbraucher ist daher nach Auffassung der Fragesteller eine Anlageberatung im Vorfeld dringend zu empfehlen, um über Chancen und Risiken aufzuklären und das Investmentprofil an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. In der Provisionsberatung werden dabei auch Anleger mit niedrigen monatlichen Sparraten beraten, da die Kosten für deren Beratungen durch Anleger mit höheren Vertragsvolumina quersubventioniert werden.

Ein Verbot von Provisionsberatungen würde aus Sicht der Fragesteller aber auch zu sozialpolitischen Verwerfungen führen, da sich nach ihrer Einschätzung vor allem Verbraucher mit niedrigen Sparraten und Menschen im Niedriglohnsektor kaum noch beraten lassen werden und sie damit in Zeiten steigender Preise und hoher Inflation von ergänzenden Alters- und Rentenprodukten für ihre Altersvorsorge abgeschnitten wären. Da Honorarberater i.d.R. nach Zeitaufwand abrechnen, welcher weitgehend volumenunabhängig ist, stünden die realistisch erzielbaren Renditen in keinem sinnvollen Verhältnis zum Honorar einer Beratung. Laut einer KPMG-Studie sind 74 Prozent der Kunden überhaupt nicht zur Zahlung eines Honorars bereit: 16 Prozent können sich die Zahlung eines Honorars von durchschnittlich 34,80 Euro/Stunde vorstellen und lediglich 0,3 Prozent sind zur Zahlung eines durchschnittlichen Honorars von 180 Euro/Stunde bereit (KPMG, Zukunft der Beratung, Whitepaper, November 2021, S. 22).

In den Niederlanden, dem einzigen EU-Mitgliedsstaat mit Provisionsverbot, konnte nach Erlass des Verbots ein Rückgang in der Anlageberatung festgestellt werden (EU-Kommission, finaler Bericht, Distribution systems of retail investment products across the European Union, S. 23). Ohne eine Beratung bestünde daher nach Meinung der Fragesteller die erhebliche Gefahr, dass
Kleinanleger entweder gar nicht vorsorgen oder aber Fehlinvestitionen tätigen.

Aus Sicht der Fragesteller besteht die Gefahr von Fehlinvestitionen auch bei einer Beratung mittels Robo-Advisors im Internet. Sowohl ein Rückgang der Investitionstätigkeit als auch verbreitete Fehlinvestitionen wären fatal für die gesunde Entwicklung der privaten Altersvorsorge in Deutschland. In Deutschland wurde in der letzten Legislaturperiode nach Auffassung der Fragesteller mit der Einführung eines Provisionsdeckels in Höhe von 2,5 Prozent über den am 1. Juli 2022 in Kraft getretenen § 50a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Fehlentwicklungen im Markt behoben, die von Seiten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht und begleitet werden.
(Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 07.02.23
Newsletterlauf: 26.04.23


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