Werden Meldepflichten Cum/Ex-Betrug verhindern?


Lob und Tadel für Entwurf des AbzStEntModG gegen Steuerbetrug
Regelung, die missbräuchliche Steuergestaltungen durch zwischengeschaltete ausländische Gesellschaften verhindern soll, wird an die Vorgaben der europäischen Rechtsprechung angepasst



Zu sehr speziellen, aber wichtigen Aspekten des Steuerrechts haben Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses genommen. Es ging um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer", etwas kürzer Abzugsteuerentlastungs-Modernisierungsgesetz oder abgekürzt AbzStEntModG (19/27632). Zur Begutachtung standen daneben Anträge der Fraktionen von FDP (19/27632), Die Linke (19/16836) und Bündnis 90/Die Grünen (19/5762). Gemeinsames Ziel ist es, Betrügereien insbesondere um die Kapitalertragsteuer wie bei den Cum/Ex- und Cum/Cum-Skandalen zu unterbinden.

Dazu fasst der Gesetzentwurf die Vorschriften zur Entlastung ausländischer Steuerpflichtiger von Abzugsteuern, also zur Rückerstattung zuvor abgezogener Steuern, neu. Der gesamte Prozess - Bescheinigung der abgeführten Steuer, Beantragung der Entlastung sowie Entscheidung der Behörde - soll digitalisiert werden. Faktoren, die zu einer unberechtigten Entlastung führen können, sollen ausgeschlossen werden. Verfahrensarten, mit denen eine Entlastung bewirkt werden kann, sollen reduziert werden. Zudem sollen bestimmte Verfahren von den Ländern auf den Bund übertragen werden.

Zur Betrugsbekämpfung speziell bei der Erstattung von der Kapitalertragsteuer erhält das Bundeszentralamt für Steuern dem Gesetzentwurf zufolge künftig zusätzliche Informationen von den Finanzinstituten. Die Regelung, die missbräuchliche Steuergestaltungen durch zwischengeschaltete ausländische Gesellschaften verhindern soll, wird an die Vorgaben der europäischen Rechtsprechung angepasst.

Dem Ziel des Gesetzentwurfs stimmten alle 14 Sachverständigen zu, über die Umsetzung war das Urteil dagegen gemischt. Zweierlei wurde besonders häufig kritisiert: dass Banken für unrechtmäßige Steuererstattungen haften sollen, auch wenn sie keine Schuld tragen, und dass Banken und börsennotierten Unternehmen umfangreiche Meldepflichten zur Identifizierung von Anlegern auferlegt werden.

Der Ulmer Professor Heribert Anzinger wies darauf hin, dass die nach dem Gesetzentwurf erweiterten Informations- und Mitwirkungspflichten sowie Haftungsverschärfungen erhebliche Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung und die Berufsausübungsfreiheit bedeuteten und deshalb verhältnismäßig sein müssten. Dies sieht Anzinger allerdings als gegeben an, wenn auch mit Einschränkungen. So seien Vorschriften, die gleich mehrere Stellen zur Übermittlung persönlicher Daten derselben Anleger verpflichten, zweifelhaft. Auch hält Anzinger angesichts der umfangreichen Daten über Aktionäre, die beim Bundeszentralamt für Steuern zu speichern sind, eine Speicherfrist für zwingend geboten.

Für Volker Kaiser von der Bundessteuerberaterkammer sind dagegen die vorgesehenen umfangreichen Melde- und Bescheinigungspflichten "überbordend und mangels Verfügbarkeit der geforderten Bescheinigungs- und Meldedaten auch teilweise nicht erfüllbar". Unverhältnismäßig sei zudem die massiv verschärfte Haftung des Ausstellers einer Kapitalertragssteuerbescheinigung, wenn sich diese als unrichtig herausstellt, unabhängig von einem Verschulden.

Der Bundesverband deutscher Banken unterstützt ausdrücklich die "Initiativen der Bundesregierung, missbräuchliche Gestaltungen zu unterbinden". Die geplanten Melde- und Bescheinigungspflichten nennt er jedoch "überbordend" und teils unerfüllbar. So könne eine Bank ausländische Anleger nicht verpflichten, die erforderlichen Angaben zu machen, erklärte Joachim Dahm für den Verband. Die Haftung ohne eigenes Verschulden, wenn einem Anleger unrechtmäßig Steuern erstattet wurden, ist aus Sicht des Bankenverbandes unverhältnismäßig. Ohne Entschärfung einiger Regelungen rechnet Dahm mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz Deutschland.

Die im Verband Die Deutsche Kreditwirtschaft zusammengeschlossenen genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken weisen darauf hin, dass die Prozesse rund um die Kapitalertragsteuer bereits heute sehr komplex seien und mit den vorgesehenen zusätzlichen Meldungen noch "um ein Vielfaches" komplexer würden. In vielen Fällen werde den Banken die Ausstellung einer Steuerbescheinigung "faktisch unmöglich", weil sie zu den erforderlichen Daten keinen Zugang hätten. So könnten Aktien verliehen werden, und der Verwahrer sei der depotführenden Bank dann unbekannt, erläuterte Verbandsvertreter Christoph Hild.

In dieselbe Richtung argumentierte Markus Erb vom Verband der Auslandsbanken in Deutschland. Er nannte es "sehr bedenklich, wie in Deutschland mit Marktteilnehmern umgegangen wird" und warnte vor einer Abwanderung an andere Standorte. Schon jetzt profitierten die Niederlande wesentlich mehr als Deutschland von Verlagerungen infolge des Brexit. Von dem Gesetzentwurf befürchtet Erb zusätzlich negative Auswirkungen auf den Finanzplatz Deutschland.

Der Wiesbadener Professor Tim Florstedt erhob die Frage, ob die Verfolgung des Ziels der Missbrauchsbekämpfung durch den Gesetzgeber nicht zu "unverhältnismäßigen, überschießenden oder letztlich unpraktikablen Regelungen führt". Es sei nicht belegt, dass es in den letzten Jahren in Deutschland überhaupt noch zu missbräuchlichen Geschäften nach Art der Cum/Ex- und Cum/Cum-Transaktionen gekommen ist. Die empirische Grundlage für so schwere Eingriffe, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, sei "sehr dünn".

Alexander Heist von der Heist Legal Rechtsanwaltsgesellschaft wies darauf hin, dass der Wertpapierhandel "intransparent und nicht nachvollziehbar" sei. Er nannte als Beispiele Termingeschäfte, vielerlei Dividendensurrogate und datenbankgetriebene Systeme des Wertpapierhandels. Er geht deshalb davon aus, dass auch mit den vorgesehenen Änderungen unerwünschte Steuergestaltungen nicht zeitnah unterbunden werden können.

Der Wiesbadener Professor Lorenz J. Jarass vertrat die Erwartung, dass die vielen neuen Meldepflichten Cum/Ex-Betrug nicht verhindern würden. Mit wesentlich einfacheren Mitteln als im vorliegenden Gesetzentwurf sei dies dagegen zu erreichen, nämlich indem Steuerbescheinigungen ausschließlich vom Bundeszentralamt für Steuern und erst nach Eingang der Steuerzahlung ausgegeben werden. Durch den datenbankgestützten Abgleich aller Erstattungsanträge mit korrespondierenden Kapitalertragsteuerzahlungen werde dann Cum/Ex-Betrug unmöglich.

Diesen Vorschlag nannte Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft die "Taube auf dem Dach", einen, der mit dem derzeitigen Stand der Digitalisierung noch nicht erreicht werden könne. Der vorliegende Gesetzentwurf sei dagegen der "Spatz in der Hand". Dass auf die Banken damit wesentlich höhere Anforderungen zukämen, habe die Branche wegen der Verwicklung einiger Unternehmen in Steuerbetrug selbst zu verantworten.

Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bedauerte, dass eine Regelung aus dem Referentenentwurf, die konzerninterne Gewinnverschiebungen zum Zweck der Steuervermeidung verhindern sollte, im vorgelegten Gesetzentwurf nicht mehr enthalten ist. Es gehe bei diesen Gewinnverschiebungen ins Ausland um mehrere hundert Milliarden Euro im Jahr.

Vertreter mehrerer Wirtschaftsverbände kritisierten die vorgesehene Verpflichtung von Aktiengesellschaften, Informationen über die Identität ihrer Aktionäre an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Volker Landwehr vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nannte die Regelung "nicht praxistauglich". Allein die Allianz-Versicherung habe 412 Millionen Aktien im Umlauf, 85 Prozent davon im Streubesitz. Georg Geberth vom Siemens-Konzern, der den Zentralverband Elektrotechnik-und Elektrotechnikindustrie vertrat, verwies auf die 860.000 Aktionäre seines Unternehmens, die auf der ganzen Welt verstreut seien. Manche hielten nur eine Aktie. Bekannt seien Siemens aber nur die Großaktionäre.

Auf Kritik stießen auch neue Vorschriften zum Quellensteuerabzug auf Lizenzgebühren. Sylvia Heckmeier vom Verband der Chemischen Industrie verwies auf 6.000 Lizenzvereinbarungen allein bei der Firma Merck. Die Lizenzgeber säßen in aller Welt, müssten aber mit den deutschen Steuerbehörden auf Deutsch kommunizieren, was erhebliche Probleme und Kosten verursache. Ralph Brügelmann vom Handelsverband Deutschland hob hervor, dass es bei Steuern auf Lizenzgebühren, anders als bei Kapitalertragsteuern, keinerlei Risiko von Missbrauch gebe. Er sprach sich deshalb für die Beibehaltung der bestehenden Regelungen aus. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 27.04.21
Newsletterlauf: 15.07.21


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