Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Kartellrechtliche Bedenken der Kommission


Kartellrecht: Europäische Kommission übermittelt MasterCard Mitteilung der Beschwerdepunkte zu grenzübergreifenden Zahlungsregelungen und interregionalen Interbankenentgelten
Jedes Mal, wenn ein Verbraucher in einem Geschäft oder im Internet eine Zahlungskarte benutzt, muss die Bank des Händlers ("Acquirer") eine Gebühr, das sogenannte Interbankenentgelt, an die Bank des Karteninhabers ("Emittent") entrichten

(05.08.15) - Die Europäische Kommission hat MasterCard eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt. Darin legt sie ihre vorläufige Auffassung dar, dass eine Regelung von MasterCard Banken daran hindert, Händlern in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) niedrigere als die dort geltenden Interbankenentgelte anzubieten. Infolgedessen können die Händler nicht die an anderen Orten geltenden niedrigeren Entgelte nutzen. Dies könnte eine Beschränkung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs zwischen Banken darstellen und gegen die europäischen Kartellvorschriften verstoßen. Zudem wird MasterCard in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeworfen, dass die Interbankenentgelte für Zahlungen, die in der EU mit in anderen Weltregionen ausgegebenen MasterCard-Karten geleistet werden, gegen die europäischen Kartellvorschriften verstoßen, indem ein künstlich erhöhter Mindestpreis für die Abwicklung dieser Transaktionen erhoben und dadurch der Wettbewerb zwischen Banken beschränkt wird. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Viele Verbraucher benutzen Zahlungskarten jeden Tag, wenn sie Lebensmittel oder Kleidung kaufen oder etwas im Internet bestellen. Wir haben zurzeit den Verdacht, dass MasterCard die Kosten für Kartenzahlungen künstlich in die Höhe treibt, was Verbrauchern und Händlern in der EU schaden würde. Wir haben Bedenken sowohl hinsichtlich der Regelungen, die MasterCard auf grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb der EU anwendet, als auch hinsichtlich der Entgelte, die den Händlern für die Annahme von außerhalb Europas ausgegebenen Karten in Rechnung gestellt werden. MasterCard hat nun Gelegenheit, zu unseren Vorwürfen Stellung zu nehmen."

Kartenzahlungen spielen im Binnenmarkt für den Einkauf sowohl im Inland als auch im Ausland oder im Internet eine zentrale Rolle. Die europäischen Verbraucher und Unternehmen benutzen Zahlungskarten für mehr als 40 Prozent ihrer jährlichen bargeldlosen Zahlungen.

Jedes Mal, wenn ein Verbraucher in einem Geschäft oder im Internet eine Zahlungskarte benutzt, muss die Bank des Händlers ("Acquirer") eine Gebühr, das sogenannte Interbankenentgelt, an die Bank des Karteninhabers ("Emittent") entrichten. Der Acquirer wälzt das Interbankenentgelt auf den Händler ab, der sie – wie alle übrigen Kosten – in den Endpreis einbezieht, den er den Verbrauchern für seine Waren oder Dienstleistungen in Rechnung stellt. Die Interbankenentgelte werden somit auf alle Verbraucher abgewälzt, auch auf diejenigen, die nicht mit Karte, sondern bar bezahlen.

Die Banken lassen MasterCard in ihrem Namen die zwischen ihnen geltenden Interbankenentgelte festsetzen. Nach vorläufiger Auffassung der Kommission bilden MasterCard und die Lizenznehmer, die Karten der Marke MasterCard ausgeben oder mit diesen Karten als Acquirer gegenüber Händlern tätig sind, eine Unternehmensvereinigung. Die Kommission vertritt ferner die vorläufige Auffassung, dass die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Praktiken gegen die EU- und EWR-Vorschriften verstoßen, die Kartelle und andere wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken verbieten (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 des EWR-Abkommens).

Insbesondere werden in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zwei Probleme angesprochen:
>> Bei den Interbankenentgelten bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Die Regelungen von MasterCard hindern Händler in einem Land mit hohen Interbankenentgelten daran, die von einem Acquirer in einem anderen Mitgliedstaat angebotenen niedrigeren Interbankenentgelte in Anspruch zu nehmen ("grenzübergreifendes Acquiring"). Die Kommission befürchtet, dass die Regelungen von MasterCard für das grenzübergreifende Acquiring die Möglichkeiten der Banken einschränken, bei den Preisen für Dienste im Zusammenhang mit der Annahme von Kartenzahlungen grenzübergreifend miteinander zu konkurrieren, und dadurch den Wettbewerb unter Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften beeinträchtigen. Höhere Preise für Händler wie für Verbraucher wären die unmittelbare Folge.

>> Darüber hinaus befürchtet die Kommission, dass die Höhe der interregionalen Interbankenentgelte von MasterCard nicht gerechtfertigt ist. Diese Entgelte werden vom Acquirer für Zahlungen entrichtet, die in der EU mit in anderen Weltregionen ausgegebenen MasterCard-Karten geleistet werden. Wenn zum Beispiel ein chinesischer Tourist in Brüssel die Restaurantrechnung mit seiner Karte bezahlt, muss der Acquirer ein bis zu fünfmal so hohes Entgelt entrichten wie im Falle eines Verbrauchers, der eine in Europa ausgegebene Karte benutzt. Da die interregionalen Entgelte jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro ausmachen, könnten, so die Befürchtungen der Kommission, diese hohen Entgelte höhere Preise für die Händler zur Folge haben, die sich wiederum in höheren Waren- und Dienstleistungspreisen für alle Verbraucher niederschlagen – und nicht nur für diejenigen, die außerhalb der EU ausgegebene Karten benutzen oder mit Karte zahlen.

Wenn sich die vorläufige Auffassung der Kommission bestätigt, kann gegen MasterCard eine Geldbuße verhängt werden.

Hintergrund
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. Die Kommission setzt damit die Beteiligten schriftlich darüber in Kenntnis, welche Vorwürfe gegen sie erhoben werden. Die Parteien können anschließend schriftlich dazu Stellung nehmen. Die Unternehmen können die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen. Die Kommission erlässt erst dann einen abschließenden Beschluss, wenn die Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben.

In der vorliegenden Kartellsache hat die Kommission das Verfahren gegen MasterCard im April 2013 eingeleitet. Die heutige Mitteilung der Beschwerdepunkte ist die letzte in einer Reihe von Maßnahmen in Bezug auf Interbankenentgelte:

>> Im Dezember 2007 stellte die Kommission in einer Entscheidung fest, dass MasterCard durch seine Interbankenentgelte für grenzüberschreitende Transaktionen im EWR (z. B. wenn ein Belgier in einem Geschäft in Frankreich mit seiner Karte bezahlt) den Wettbewerb zwischen Banken beschränkt hatte. Die Feststellungen der Kommission wurden im September 2014 vom Gerichthof bestätigt.

>> Um der Entscheidung der Kommission nachzukommen, führte MasterCard 2009 eine Obergrenze für die von seinen Mitgliedsbanken erhobenen grenzübergreifenden Interbankenentgelte (im EWR) von 0,20 Prozent für Debitkarten und 0,30 Prozent für Kreditkarten ein, senkte aber nicht die übrigen Interbankenentgelte.

>> Im Dezember 2010 bzw. Februar 2014 erließ die Kommission Beschlüsse, mit denen sie die von der Bankenvereinigung Visa Europe angebotenen Verpflichtungszusagen in Bezug auf Obergrenzen für die im EWR festgesetzten Interbankenentgelte für Debitkarten und Kreditkarten in gleicher Höhe (0,20 Prozent bzw. 0,30 Prozent) für rechtlich bindend erklärte.

>> Die meisten Transaktionen im EWR sind inländische Zahlungsvorgänge (z. B. wenn ein Verbraucher seine Karte in seinem Land benutzt), die nicht Gegenstand der Verfahren der Kommission waren. Die Interbankenentgelte für diese Transaktionen schwanken erheblich von Land zu Land. Sie wurden von nationalen Wettbewerbsbehörden untersucht und letztlich in mehreren Ländern gesenkt. Im April 2015 erließen der EU-Ministerrat und das Europäische Parlament die Interbankenentgelteverordnung, nach der ab Dezember 2015 für in Europa ausgegebene und benutzte Karten Obergrenzen für Interbankenentgelte (0,20 Prozent für Debitkarten und 0,30 Prozent für Kreditkarten) gelten. Durch die Interbankenentgelteverordnung werden die Kosten für die europäischen Händler sinken und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Kartenzahlungsmarkt als Ganzem herrschen. Die Obergrenzen der Verordnung gelten jedoch nicht für interregionale Transaktionen, die einer der beiden Aspekte der laufenden Untersuchung sind.

Auch in Bezug auf die Interbankenentgelte des Unternehmens Visa Inc. (bei dem es sich um eine gegenüber Visa Europe eigenständige juristische Person handelt) läuft zurzeit eine Untersuchung. (Europäische Kommission: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Rahmen für grüne NGEU-Anleihen

    Mehr als drei Jahre nach der ersten Transaktion mit unseren grünen Anleihen im Rahmen von NextGenerationEU (NGEU) hat die EU grüne NGEU-Anleihen im Wert von insgesamt mehr als 65 Mrd. EUR ausgegeben und ist damit auf dem besten Weg, zum weltweit größten Emittenten grüner Anleihen zu werden.

  • Maßnahmen des CPC-Netzes gegen Apple

    Im Anschluss an eine koordinierte Untersuchung auf europäischer Ebene haben das Netz für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) und die Europäische Kommission Apple über mehrere potenziell verbotene Geoblocking-Praktiken unterrichtet, die das CPC-Netz bei bestimmten Apple Media Services festgestellt hat, nämlich den Mediendiensten App Store, Apple Arcade, Music, iTunes Store, Books und Podcasts.

  • Verwaltungskosten für Unternehmen senken

    Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, ein einheitliches digitales Meldeportal für Unternehmen einzurichten, die Dienstleistungen erbringen und Arbeitnehmer vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsenden, das als "entsandte Arbeitnehmer" bezeichnet wird.

  • Diskriminierende steuerliche Behandlung

    Die Europäische Kommission hat entschieden, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land es versäumt hat, eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Artikel 63 AEUV und Artikel 40 des EWR-Abkommens) zu beseitigen, die durch die diskriminierende steuerliche Behandlung von reinvestierten Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien bedingt war.

  • Wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Facebook

    Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 797,72 Mio. EUR gegen Meta verhängt, weil das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt, indem es seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und anderen Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt hat.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen