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Abkehr von alter Investor-Staat-Streitbeilegung


CETA: EU und Kanada verständigen sich auf neuen Ansatz bei Investitionen
Abkommen bedeutet eine klare Abkehr vom derzeitigen ISDS-System und ist Ausdruck der Entschlossenheit, gemeinsam auf die Schaffung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs hinzuarbeiten

(01.04.16) - Die Europäische Kommission und die kanadische Regierung haben vereinbart, im Rahmen des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) einen neuen Ansatz beim Investitionsschutz und bei der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zugrunde zu legen. Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada wurden im Jahr 2014 abgeschlossen. Ergebnis war unter anderem ein reformierter Mechanismus zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, der insbesondere auf eine völlige Transparenz der Verfahren und klare, eindeutige Investitionsschutzstandards abstellte.

Nach der juristischen Überprüfung des Abkommenstexts geht die nunmehr erzielte Einigung noch weiter: In die endgültige Fassung des CETA wurden jetzt alle wesentlichen Elemente des neuen EU-Ansatzes im Bereich Investitionen übernommen, der im TTIP-Vorschlag der EU vom November 2015 dargelegt wurde und auch bereits im kürzlich fertig gestellten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam zugrunde gelegt wurde.

Dies bedeutet eine klare Abkehr vom alten System der Investor-Staat-Streitbeilegung (Investor to State Dispute Settlement – ISDS) und ist Ausdruck der gemeinsamen Entschlossenheit der EU und Kanadas, das besagte alte ISDS-System durch einen neuen Streitbeilegungsmechanismus zu ersetzen und überdies auf die Schaffung eines ständigen multilateralen Investitionsgerichtshofs hinzuarbeiten. Der überarbeitete CETA-Text ist darüber hinaus ein klares Signal, dass die EU beabsichtigt, die vorgeschlagene neue Herangehensweise im Bereich Investitionen bei den Verhandlungen mit allen ihren Partnern zu verfolgen.

Dazu Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Kommission, sagte: "Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, diese Einigung mit unseren kanadischen Partnern zu erzielen. Mit den vereinbarten Änderungen bringen wir das CETA vollständig in Einklang mit unserem neuen Ansatz beim Investitionsschutz in Handelsabkommen. Insbesondere machen wir deutlich, dass wir fest entschlossen sind, das Regelungsrecht der Regierungen zu wahren und dafür zu sorgen, dass Investitionsstreitigkeiten nach dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit entschieden werden."

"Ich freue mich über dieses Ergebnis", sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. "Unser neuer Ansatz bei Investitionen und der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten wird jetzt in das CETA übernommen. Das neue System wird wie ein internationales Gericht funktionieren, so dass Bürgerinnen und Bürger auf faire und objektive Urteile vertrauen können. Wir können mit Zuversicht feststellen, dass wir sowohl den Erwartungen der Mitgliedstaaten als auch denen des Europäischen Parlaments gerecht geworden sind."

Dass der neue EU-Ansatz beim Investitionsschutz und bei der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in das CETA übernommen werden soll, wurde im Rahmen der juristischen Überprüfung des Handelsabkommens vereinbart.

Das CETA wird nicht nur für einen besseren Investitionsschutz sorgen, sondern darüber hinaus den EU-Unternehmen bessere Geschäftsmöglichkeiten in Kanada eröffnen und damit auch die Beschäftigung fördern, indem es den Abschluss von Geschäften zwischen der EU und Kanada erleichtert. Mit dem Abkommen werden 99 Zölle der Zölle abgeschafft, was den EU-Ausführern bei Industrieerzeugnissen Einsparungen von jährlich etwa 470 Mio. EUR bescheren wird. Das Abkommen wird den Beschränkungen beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen ein Ende setzen und es EU-Unternehmen ermöglichen, an Ausschreibungsverfahren in Kanada teilzunehmen – sowohl auf Bundesebene als auch auf Ebene der kanadischen Provinzen, Regionen und Städte. Mit dem CETA werden die Dienstleistungsmärkte geöffnet. Damit wird es für Angehörige bestimmter Berufe aus der EU leichter, in Kanada tätig zu werden. Außerdem erkennt Kanada den Sonderstatus der geografischen Angaben der EU an: so werden mit Hilfe des CETA 145 europäische Produkte, wie etwa Parmaschinken oder Schwarzwälder Schinken, geschützt. Bei einer Reihe von Waren werden administrative Hürden abgebaut, indem beiderseits des Atlantiks stattfindende doppelte Prüfungen vermieden werden; profitieren werden davon vor allem kleinere Unternehmen.

Um ihrer Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz nachzukommen, hat die Europäische Kommission im Anschluss an die juristische Überprüfung heute den vereinbarten Wortlaut des CETA veröffentlicht, einschließlich des Teils zum Investitionsschutz und zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Sobald das Dokument in alle EU-Amtssprachen übersetzt wurde, wird es dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Erörterung und Zustimmung vorgelegt.

Im Bereich Investitionen sieht das Abkommen unter anderem Folgendes vor:

>> Im Zusammenhang mit dem Investitionsschutz: Verbindlichere Aussagen zum Regelungsrecht auf allen staatlichen Entscheidungsebenen.

>> Klare Abkehr vom derzeitigen Ad-hoc-Schiedsgerichtssystem und Schaffung eines ständigen, institutionalisierten Gerichts für die Beilegung von Streitigkeiten. Die Mitglieder des Gerichts werden künftig nicht mehr von den Streitparteien, also dem Investor und dem beteiligten Staat, sondern im Voraus von den Vertragsparteien des Abkommens ernannt.

>> Detailliertere ethische Verpflichtungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten. So ist es beispielsweise den Mitgliedern des Gerichts erster Instanz und des Berufungsgerichts untersagt, als Rechtsanwalt oder Sachverständiger im Zusammenhang mit anderen Investitionsstreitigkeiten tätig zu werden.

>> Einführung eines Berufungssystems, das den in den innerstaatlichen Rechtsordnungen bestehenden Systemen vergleichbar ist. Entscheidungen werden also auf rechtliche Korrektheit geprüft und können im Falle eines Fehlers aufgehoben werden.

>> Verpflichtung seitens der EU und Kanadas, gemeinsam mit anderen Handelspartnern auf die Schaffung eines ständigen multilateralen Investitionsgerichtshofs mit einem ständigen Berufungsmechanismus hinzuarbeiten.

Hintergrund
Nachstehend die wichtigsten Elemente des überarbeiteten CETA-Investitionskapitels:

Investitionsschutz
Der überarbeitete CETA-Text enthält einen neuen Artikel, der gewährleistet, dass das Recht, im Interesse des Gemeinwohls Regelungen zu erlassen, vollumfänglich gewahrt bleibt. Außerdem wird in diesem Artikel präzisiert, dass die Bestimmungen zum Investitionsschutz nicht so auszulegen sind, dass sich die Regierungen verpflichten würden, von Änderungen ihres Rechtsrahmens abzusehen. Damit wird klargestellt, dass Maßnahmen, die sich negativ auf eine Investition auswirken oder die Gewinnerwartungen eines Investors schmälern könnten, nicht allein aus diesem Grund mit dem Abkommen unvereinbar sind.

In einer weiteren Bestimmung ist festgelegt, dass das CETA nicht der Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften zu staatlichen Beihilfen entgegensteht.

Schaffung des Gerichts
Mit dem CETA wird ein aus fünfzehn Mitgliedern bestehendes ständiges Gericht geschaffen, das bei Klagen wegen Verletzung der im Abkommen festgelegten Investitionsschutzstandards angerufen werden wird. Bei den für Investitionsstreitigkeiten zuständigen Mitgliedern des Gerichts wird es sich um hochqualifizierte und ethisch über jeden Zweifel erhabene Persönlichkeiten handeln, die von der EU und Kanada ernannt werden. Die Fälle werden jeweils von einer aus drei Mitgliedern bestehenden Kammer des Gerichts behandelt. Der CETA-Text folgt jetzt dem neuen EU-Ansatz, wie er im kürzlich fertiggestellten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam und im TTIP-Vorschlag der EU dargelegt wurde.

Berufungsgericht
Während im ursprünglichen CETA-Text lediglich die Möglichkeit der künftigen Einrichtung eines Berufungsmechanismus vorgesehen war, soll nach der aktualisierten Fassung bereits mit Inkrafttreten des Abkommens ein Berufungsgericht geschaffen werden. Auch auf das Verhältnis zwischen den Entscheidungen des Berufungsgerichts und denen des Gerichts erster Instanz wird eingegangen. Die EU und Kanada werden unverzüglich einen Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses zur Festlegung weiterer technischer Einzelheiten annehmen, die zu regeln sind, damit das Gericht seine Tätigkeit aufnehmen kann.

Der multilaterale Investitionsgerichtshof
Die EU und Kanada verfolgen das gemeinsame Ziel der Schaffung eines ständigen multilateralen Investitionsgerichtshofs. Im CETA wird bereits angekündigt, dass künftig ein solcher multilateraler Mechanismus an die Stelle des mit dem CETA eingerichteten bilateralen Mechanismus treten soll.

CETA und internes Recht
Im überarbeiteten CETA-Text wird bestätigt, dass das Gericht, wenn es über Klagen von Investoren zu entscheiden hat, im Einklang mit den Grundsätzen des Völkerrechts nur das Abkommen anwendet. Es kann nicht in Fragen des EU-Rechts oder des Rechts der Mitgliedstaaten entscheiden. Es kann das EU-Recht oder das Recht eines Mitgliedstaates lediglich als Sachgrundlage heranziehen, um sich beispielsweise zu vergewissern, dass ein Investor tatsächlich bestimmte Eigentumsrechte hält. Somit wird das Gericht nicht EU-Recht oder das Recht der Mitgliedstaaten in einer für EU-Gerichte oder für Regierungen der EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Weise auslegen. Außerdem wird ausdrücklich festgehalten, dass die Entscheidung, ob eine Maßnahme einer Vertragspartei nach heimischem Recht zulässig ist, nach wie vor allein den zuständigen Behörden der betreffenden Vertragspartei obliegt.

Ursprünglicher CETA-Text und Notwendigkeit einer Verbesserung
Der ursprüngliche Text des CETA, der im August 2014 veröffentlicht wurde, sah bereits das fortschrittlichste System für den Investitionsschutz und die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor: klar definierte Schutzstandards, völlige Transparenz der Verfahren, Verbot des "Forum Shopping" (Wahl des günstigsten Gerichtsstands), Auslegungshoheit der Regierungen in Bezug auf das Abkommen, strenger Verhaltenskodex, frühzeitige Abweisung unbegründeter Klagen, Anwendung des "Loser-pays"-Prinzips zur Vermeidung von Klagemissbrauch.

Der Ansatz der EU für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten wurde seither jedoch weiterentwickelt, und alle wesentlichen neuen Elemente haben nunmehr Eingang in den CETA-Text gefunden. (Europäische Kommission: ra)


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