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Bildröhrenkartelle: Kartelle wie aus dem Lehrbuch


Kartellrecht: Hersteller von Bildröhren für Fernsehgeräte und Computerbildschirme ein Jahrzehnt lang an zwei Kartellen beteiligt – Kommission verhängt Geldbuße in Höhe von 1.47 Mrd. EUR
Kartelle wurden auf sogenannten Green(s) Meetings der obersten Führungsebene, die so bezeichnet wurden, weil im Anschluss häufig ein Golfspiel stattfand, ausgehandelt


(10.01.13) - Die Europäische Kommission hat gegen sieben internationale Konzerne Geldbußen von insgesamt 1.470.515.000 EUR wegen der Beteiligung an einem bzw. an zwei unterschiedlichen Kartellen im Sektor Kathodenstrahlröhren (Cathode Ray Tubes – CRT) verhängt. Fast zehn Jahre lang (von 1996 bis 2006) trafen diese Unternehmen Preisabsprachen, teilten Märkte und Kunden untereinander auf und beschränkten ihre Produktion. Ein Kartell agierte im Sektor Bildröhren für Fernsehgeräte und ein weiteres im Sektor Bildröhren für Computerbildschirme. Beide Kartelle operierten weltweit. Die Kommission stellte deshalb Zuwiderhandlungen im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) fest.

Die Unternehmen Chunghwa, LG Electronics, Philips und Samsung SDI waren an beiden Kartellen beteiligt, während sich Panasonic, Toshiba, MTPD (gegenwärtig eine Tochter von Panasonic) und Technicolor (vormals Thomson) nur an dem Fernsehbildröhrenkartell beteiligten. Chunghwa wurde für beide Kartelle ein vollständiger Geldbußenerlass nach der Kronzeugenregelung von 2006 gewährt, weil das Unternehmen die Kommission als erstes über die Existenz der Kartelle informiert hat. Anderen Unternehmen wurden die Geldbußen teilweise erlassen, weil sie nach der Kronzeugenregelung im Rahmen der Untersuchung mit der Kommission kooperierten.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission Joaquín Almunia erklärte: "Diese Bildröhrenkartelle sind Kartelle wie aus dem Lehrbuch: Hier wurde das Wettbewerbsrecht durch Verhaltensweisen, die in Europa tätigen Unternehmen strengstens verbotenen sind, in gravierender Weise verletzt. Kathodenstrahlröhren waren wesentliche Komponenten in der Herstellung von Fernseh‑ und Computerbildschirmen und machten 50 bis 70 Prozent des Preises eines Bildschirms aus. Dies lässt erahnen, wie schwerwiegend sich dieses rechtswidrige Verhalten auf Fernseh- und Computerbildschirmhersteller im EWR ausgewirkt hat und wie sehr es letztlich über die Jahre auch den Verbrauchern geschadet hat."

Die beiden CRT-Kartelle gehören zu den am besten organisierten Kartellen, die die Kommission bisher untersucht hat. Fast 10 Jahre lang verhielten sich die Kartellmitglieder in äußerstem Maße wettbewerbsschädigend: Zu ihren Praktiken gehörten Preisabsprachen, Marktaufteilung, u. a. nach Kunden, Abstimmung von Kapazitäten und Produktionsmengen sowie der Austausch von sensiblen Geschäftsdaten. Die Kartellisten überwachten zudem die Umsetzung der Kartellabsprachen, indem sie wie z. B. im Falle des PC‑Kathodenstrahlerkartells die Einhaltung der Kapazitätsbeschränkungen bei Betriebsstättenbegehungen überprüften.

Auf sogenannten Green(s) Meetings der obersten Führungsebene, die so bezeichnet wurden, weil im Anschluss häufig ein Golfspiel stattfand, wurde die Ausrichtung der beiden Kartelle ausgehandelt. Vorbereitet und umgesetzt wurden die Kartelle über Treffen, die auf einer niedrigeren Ebene angesiedelt waren; sie wurden als Glass Meetings bezeichnet und fanden vierteljährlich oder monatlich, gelegentlich sogar wöchentlich statt. Die Treffen wurden an verschiedenen Standorten in Asien (u. a. in Taiwan, Korea, Japan, Malaysia, Indonesien, Thailand und Hongkong) und Europa (Amsterdam, Budapest, Glasgow, Paris und Rom) abgehalten. Die Kartelle agierten weltweit.

Die multilateralen Treffen begannen in der Regel mit einer Überprüfung von Nachfrage, Produktion, Absatz und Kapazität in den wichtigsten Verkaufsregionen einschließlich Europa; anschließend wurden die Preise diskutiert, u. a. auch für einzelne Kunden, d. h. für bestimmte Hersteller von Fernsehgeräten und Computern. Deshalb hatten sie direkte Auswirkungen auf Abnehmer im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und schadeten somit letztlich dem Verbraucher. Die Kartellmitglieder versuchten dem Schrumpfen des CRT-Marktes zulasten der Verbraucher durch Kollusion entgegenzuwirken. So heißt es in einem Protokoll der Kartellgespräche z. B. ausdrücklich: "Die Hersteller müssen den Preiswettbewerb durch die Steuerung ihrer Produktionskapazität verhindern".

Die Untersuchung ergab außerdem, dass sich die Unternehmen durchaus der Tatsache bewusst waren, dass sie gegen geltendes Recht verstießen. Bei den Nachprüfungen der Kommission wurden z. B. Unterlagen mit folgenden Warnhinweisen gefunden: "Es wird zur Geheimhaltung aufgefordert, da eine Offenlegung gegenüber Kunden oder der Europäischen Kommission äußerst schädlich wäre." Deshalb waren die Beteiligten bedacht, keine wettbewerbswidrigen Unterlagen bei sich aufzubewahren. Manchen Unterlagen enthielten z. B. die Aufforderung "Folgendes Schriftstück bitte nach Kenntnisnahme vernichten".

Geldbußen
Die Geldbußen wurden nach den Leitlinien für Geldbußen aus dem Jahr 2006 festgesetzt.

Bei der Festsetzung der Geldbußen legte die Kommission die Absatzzahlen der beteiligten Unternehmen für die betreffenden Produkte im EWR, die besondere Schwere des Verstoßes, die geografische Reichweite des Kartells sowie seine Umsetzung und Dauer zugrunde. Wäre Chunghwa kein vollständiger Geldbußenerlass gewährt worden, hätte die Geldbuße 8.385.000 EUR für das Fernsehgeräteröhrenkartell und 8.594.000 EUR für das Computerbildschirmröhrenkartell betragen. Samsung SDI, Philips und Technicolor wurde die Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission im Rahmen der Kronzeugenregelung jeweils zum Teil erlassen (Ermäßigungen zwischen 10 und 40 Prozent). Wie hoch die Ermäßigung ausfällt, richtet sich danach, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten und inwiefern die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben. Ein Unternehmen erklärte, es könne die Geldbuße nicht zahlen. Die Kommission prüfte dies nach Randnummer 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 und gewährte eine Ermäßigung.

Die Geldbußen verteilen sich wie folgt:


Hintergrund
Eine Kathodenstrahlröhre (Cathode Ray Tube – CRT) besteht aus einem evakuierten Glaskolben, der mit einem Elektronenstrahler und einem Fluoreszenzschirm ausgerüstet ist. Die durch den heutigen Beschluss geahndeten Kartelle betreffen zwei verschiedene Arten von Kathodenstrahlröhren: a) Bildröhren für Computerbildschirme (Colour Display Tubes – CDT) und b) Bildröhren für Fernsehbildschirme (Colour Picture Tubes – CPT). Kathodenstrahlröhren sind schrittweise durch andere Technik wie LCD- und Plasmabildschirme ersetzt worden.

Die Ermittlungen der Kommission begannen mit unangemeldeten Nachprüfungen im November 2007. Im November 2009 übermittelte die Kommission den betroffenen Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, zu der diese Stellung nehmen konnten und gehört wurden. Im Juni 2012 wurden zwei Unternehmen weitere Beschwerdepunkte zur Unternehmenshaftung mitgeteilt.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer 39437 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht. Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle befinden sich auf der Website der GD COMP unter Cartels.

Schadenersatzklagen
Alle Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadenersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Kartellverordnung (Verordnung 1/2003 des Rates) sind gelten Kommissionsbeschlüsse in Gerichtsverfahren vor einzelstaatlichen Gerichten als verbindlicher Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Auch wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat, kann Schadenersatz gewährt werden, ohne dass die Geldbuße der Kommission darauf mindernd angerechnet wird.

Nach Auffassung der Kommission sollten begründete Schadenersatzansprüche auf eine angemessene Entschädigung der Opfer einer Zuwiderhandlung abzielen. (Europäische Kommission: ra)


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