Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Verwendung des Europäischen Haftbefehls


Ergebnis eines Kommissionsberichts: Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität: Der Europäische Haftbefehl könnte noch besser funktionieren
Der Europäische Haftbefehl ist ein wichtiges Instrument, um Straftäter festzusetzen, aber die Mitgliedstaaten müssen darauf achten, dass er korrekt angewandt wird


(03.05.11) - Die Unionsbürger genießen innerhalb der EU Freizügigkeit – sie können arbeiten, studieren oder Urlaub machen, wo es ihnen gefällt. Aber offene Grenzen sollten nicht dazu führen, dass sich Straftäter der Justiz schlichtweg dadurch entziehen, dass sie sich in einen anderen Mitgliedstaat absetzen. Der Europäische Haftbefehl, den es seit 2004 gibt, ist ein wirksames Instrument, um die Auslieferung eines Tatverdächtigen aus einem anderen Mitgliedstaat zu erwirken und Schlupflöcher innerhalb Europas zu schließen.

So konnten beispielsweise mehrere Dutzend des Drogenschmuggels, Mordes oder Kindesmissbrauchs verdächtige Personen dank des Europäischen Haftbefehls aus dem Vereinigten Königreich nach Spanien zurückgeführt werden. Trotz aller Erfolge ist das System, das auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den nationalen Justizbehörden basiert, jedoch noch verbesserungswürdig, so das Ergebnis eines Kommissionsberichts. Die Mitgliedstaaten müssen, wenn sie Gebrauch vom Europäischen Haftbefehl machen, die Grundrechte beachten und in jedem Einzelfall prüfen, ob eine Auslieferung tatsächlich notwendig ist.

"Der Europäische Haftbefehl ist ein wichtiges Instrument, um Straftäter festzusetzen, aber die Mitgliedstaaten müssen darauf achten, dass er korrekt angewandt wird," erklärte Vizepräsidentin und EU-Justizkommissarin Viviane Reding. "Die Regierungen müssen zwischen ihren Justizbehörden Vertrauen schaffen, damit der Europäische Haftbefehl seinen Zweck noch besser erfüllt. Haftbefehle sollten nicht automatisch – zum Beispiel für Bagatelldelikte wie Fahrraddiebstahl - ausgestellt werden."

Der Kommissionsbericht untersucht die Verwendung des Europäischen Haftbefehls durch die Mitgliedstaaten seit 2007 sowie seine bisherige Funktionsweise. Zwischen 2005 und 2009 wurden insgesamt 54 689 Europäische Haftbefehle ausgestellt, die zur Auslieferung von 11 630 Tatverdächtigen führten. In dieser Zeit hat sich auch die Frist bis zur Überstellung der Tatverdächtigen von einem Mitgliedstaat in den anderen spürbar verkürzt. Bevor es den Europäischen Haftbefehl gab, dauerte ein Auslieferungsverfahren im Schnitt ein Jahr, jetzt sind es nur noch 16 Tage, wenn der Tatverdächtige der Übergabe zustimmt, oder 48 Tage, wenn dies nicht der Fall ist. Damit ist der Europäische Haftbefehl zu einem Schlüsselelement bei der Kriminalitätsbekämpfung und zu einem wichtigen Faktor für die innere Sicherheit in der EU geworden.

Unter den mit Hilfe des Europäischen Haftbefehls ausgelieferten Personen befanden sich ein in Italien gefasster Terrorist, dessen Attentatsversuch in London fehlgeschlagen war, ein in Spanien festgenommener deutscher Serienmörder, ein maltesischer Drogenschmuggler, der sich ins Vereinigte Königreich abgesetzt hatte, und eine in Italien gesuchte Bande von bewaffneten Räubern, die in sechs verschiedenen EU-Mitgliedstaaten festgenommen wurden, und erst kürzlich wurde eine international operierende Diebesbande, die Frachtgut aus Lkw entwendet, in fünf verschiedenen Ländern ausgehoben.

Der Kommissionsbericht liefert aber nicht nur den Nachweis, dass sich der Europäische Haftbefehl für Auslieferungen in einer EU ohne Grenzen bewährt hat, sondern gesteht auch Mängel in seiner Funktionsweise ein. Im Wesentlichen moniert er, dass der Europäische Haftbefehl infolge von Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Grundrechte in einigen Mitgliedstaaten oder durch seine übermäßige Anwendung auf minder schwere Straftaten an Effektivität verlieren könnte.

Einigen dieser Probleme begegnet die Kommission dadurch, dass sie durch Einführung verfahrensrechtlicher Mindeststandards für Tatverdächtige und angeklagte Straftäter für ein faires Verfahren sorgt. Die EU hat bereits Rechtsvorschriften zum Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung (IP/10/1305) erlassen und berät derzeit über einen Vorschlag zum Recht von Verdächtigen auf Belehrung in Strafverfahren (IP/10/1652). Weitere Maßnahmen, die einen Rechtsanspruch auf rechtlichen Beistand und auf Kontakt zu Familienmitgliedern und Arbeitgebern gewähren sollen, sind in Vorbereitung. Alle diese Maßnahmen gelten auch für Tatverdächtige, für die ein Europäischer Haftbefehl vorliegt, um sicherzustellen, dass ihre Grundrechte gewahrt bleiben.

Einige grundlegende Verbesserungen in der Funktionsweise des Europäischen Haftbefehls müssen jedoch von den Mitgliedstaaten selbst vorgenommen werden. Sie müssen dafür sorgen, dass das System des Europäischen Haftbefehls nicht durch eine Vielzahl von Bagatellfällen wie zum Beispiel Fahrraddiebstahl in Misskredit gerät. Bevor die Justizbehörden der Mitgliedstaaten einen Europäischen Haftbefehl ausstellen, sollten sie zunächst die Schwere der Straftat und das Strafmaß berücksichtigen und die Kosten und den Nutzen der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls abwägen. Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird.

Um das System zu verbessern, ist Folgendes geplant:

>> Die Kommission wird die Mitgliedstaaten auffordern, die Lücken in ihrer Gesetzgebung im Verhältnis zum Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl zu schließen.

>> Die Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass Justizbeamte wie zum Beispiel Staatsanwälte den Anleitungen des Handbuchs zum Europäischen Haftbefehl (en) folgen und keinen Europäischen Haftbefehl für geringfügige Vergehen ausstellen; dies gilt auch für die Länder, in denen die Einleitung eines Strafverfahren obligatorisch ist.

>> Die Kommission wird im September 2011 Vorschläge für eine zeitnahe Schulung der Justizbehörden und Juristen zur Anwendung des Europäischen Haftbefehls vorlegen, damit der Europäische Haftbefehl einheitlich und effektiv gehandhabt und das Bewusstsein für die verfahrensrechtlichen Garantien, die das EU-Recht vorsieht, geschärft wird.

>> Die Mitgliedstaaten sollten die ergänzenden Maßnahmen (vier Rahmenbeschlüsse), die sich mit der Problematik des Strafvollzugs in einem anderen Mitgliedstaat oder der Verurteilung in Abwesenheit befassen, zügig umsetzen.

>> Die Erhebung statistischer Daten aus den Mitgliedstaaten zum Europäischen Haftbefehl soll verbessert werden, um ein aussagekräftiges Bild über die Funktionsweise des Systems zu erhalten.

>> Die Kommission wird die Handhabung des Europäischen Haftbefehls auch künftig genau verfolgen und alle möglichen Optionen einschließlich weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Verfahrensrechte prüfen, um etwaige Unzulänglichkeiten abzustellen.

Hintergrund
Dies ist der dritte Bericht dieser Art, seitdem der Europäische Haftbefehl im Januar 2004 in Kraft trat und seither die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten regelt.

Weitere Informationen
Newsroom der Generaldirektion Justiz:
http://ec.europa.eu/justice/news/intro/news_intro_en.htm
(Europäische Kommission: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Rahmen für grüne NGEU-Anleihen

    Mehr als drei Jahre nach der ersten Transaktion mit unseren grünen Anleihen im Rahmen von NextGenerationEU (NGEU) hat die EU grüne NGEU-Anleihen im Wert von insgesamt mehr als 65 Mrd. EUR ausgegeben und ist damit auf dem besten Weg, zum weltweit größten Emittenten grüner Anleihen zu werden.

  • Maßnahmen des CPC-Netzes gegen Apple

    Im Anschluss an eine koordinierte Untersuchung auf europäischer Ebene haben das Netz für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) und die Europäische Kommission Apple über mehrere potenziell verbotene Geoblocking-Praktiken unterrichtet, die das CPC-Netz bei bestimmten Apple Media Services festgestellt hat, nämlich den Mediendiensten App Store, Apple Arcade, Music, iTunes Store, Books und Podcasts.

  • Verwaltungskosten für Unternehmen senken

    Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, ein einheitliches digitales Meldeportal für Unternehmen einzurichten, die Dienstleistungen erbringen und Arbeitnehmer vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsenden, das als "entsandte Arbeitnehmer" bezeichnet wird.

  • Diskriminierende steuerliche Behandlung

    Die Europäische Kommission hat entschieden, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land es versäumt hat, eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Artikel 63 AEUV und Artikel 40 des EWR-Abkommens) zu beseitigen, die durch die diskriminierende steuerliche Behandlung von reinvestierten Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien bedingt war.

  • Wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Facebook

    Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 797,72 Mio. EUR gegen Meta verhängt, weil das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt, indem es seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und anderen Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt hat.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen