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Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung


Fragen und Antworten zur Mindestbesteuerung von Unternehmen: Was hat die Europäische Kommission vorgeschlagen?
Die vorgeschlagenen Vorschriften gelten für alle großen Konzerne (unabhängig davon, ob sie auf rein nationaler oder auf internationaler Ebene tätig sind), auch im Finanzsektor, deren jährliche Gesamterträge mehr als 750 Mio. EUR betragen und die entweder eine Muttergesellschaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben



Die Europäische Kommission hat eine Richtlinie vorgeschlagen, mit der gewährleistet werden soll, dass große Konzerne, die in der EU tätig sind, mit einem globalen effektiven Mindeststeuersatz von 15 Prozent besteuert werden. Mit diesem Vorschlag kommt die EU ihrer Zusage nach, unverzüglich und als eine der ersten die historische Vereinbarung über eine globale Steuerreform umzusetzen, die vom Inklusiven Rahmen der OECD/G20 zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) erzielt wurde. Der Vorschlag umfasst eine Methode zur Berechnung des effektiven Steuersatz pro Steuergebiet sowie klare, rechtsverbindliche Vorschriften, mit denen sichergestellt wird, dass große Konzerne in jedem Land bzw. Gebiet, in dem sie tätig sind, einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent zahlen.

Woher stammt dieser Vorschlag?
Die Mindestbesteuerung von Unternehmen ist einer der beiden Arbeitsbereiche, mit denen sich die Mitglieder des Inklusiven Rahmens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD)/der G20 befasst haben. Diese Arbeitsgruppe, in der 141 Länder und Gebiete vertreten sind, konzentrierte sich auf einen Zwei-Säulen-Ansatz zur Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft. Sie arbeitete eine globale, einvernehmliche Lösung zur Reform des internationalen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung aus, die im Oktober 2021 in einer globalen Einigung zwischen 137 Ländern und Gebieten ihren Abschluss fand. Im Fokus der Diskussionen standen zwei allgemeine Themen: die teilweise Neuzuordnung der Besteuerungsrechte (Säule 1) und die Mindestbesteuerung der Gewinne multinationaler Unternehmen (Säule 2).

Getreu ihrer Zusagen setzt die Europäische Kommission die Säule 2 der globalen Vereinbarung nun um, sodass die globale effektive Mindestbesteuerung in der EU ansässiger großer Konzerne Realität wird.

Für wen gelten die Vorschriften?
Die vorgeschlagenen Vorschriften gelten für alle großen Konzerne (unabhängig davon, ob sie auf rein nationaler oder auf internationaler Ebene tätig sind), auch im Finanzsektor, deren jährliche Gesamterträge mehr als 750 Mio. EUR betragen und die entweder eine Muttergesellschaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben.

Welche Unternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften?
Gemäß der Vereinbarung des Inklusiven Rahmens der OECD/G20 fallen staatliche Unternehmen, internationale Organisationen oder Organisationen ohne Erwerbszweck, Pensions- oder Investmentfonds, die Muttergesellschaft eines multinationalen Konzerns sind, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie zur Umsetzung der Säule 2 der OECD. Diese sind in der Regel von der inländischen Körperschaftsteuer befreit, weil sie bestimmte politische Ergebnisse verfolgen, wie beispielsweise die Wahrnehmung hoheitlicher/quasi-hoheitlicher Aufgaben, oder eine Doppelbesteuerung von Fonds oder Pensionen vermieden werden soll.

Wie wird der effektive Steuersatz berechnet?
Der effektive Steuersatz wird für jedes Steuergebiet festgestellt, indem die von den Unternehmen in dem Gebiet gezahlten Steuern durch ihre Einkünfte geteilt werden. Liegt der effektive Steuersatz für die Unternehmen in einem bestimmten Steuergebiet unter dem Mindestsatz von 15 Prozent, so gelten die Säule-2-Regeln, und der Konzern wird nachbesteuert, damit der Satz von 15 Prozent erreicht wird. Dies wird als "Income Inclusion Rule" (Hinzurechnungsbesteuerung) bezeichnet. Diese Nachbesteuerung ("Top-up-Steuer") gilt unabhängig davon, ob die Tochtergesellschaft in einem Land ansässig ist, das der internationalen Vereinbarung der OECD/G20 beigetreten ist, oder nicht.

Wer stellt die Berechnungen an?
In der Vereinbarung des Inklusiven Rahmens der OECD/G20 haben sich alle 137 beteiligten Länder auf eine transparente Methode zur Berechnung des effektiven Steuersatzes geeinigt. Diese findet sich auch im Richtlinienvorschlag wieder. Die Berechnungen werden von der obersten Muttergesellschaft des Konzerns angestellt, es sei denn, der Konzern benennt ein anderes Unternehmen.

Was geschieht, wenn ein Konzern ihren Sitz in einem Nicht-EU-Land hat, in dem der Mindeststeuersatz nicht durchgesetzt wird?
Wird der globale Mindeststeuersatz in einem Nicht-EU-Land, in dem ein Unternehmen des Konzerns ihren Sitz hat, nicht durchgesetzt, so wenden die Mitgliedstaaten die so genannte Unterbesteuerungsregel ("Undertaxed Payments Rule") an. Dabei handelt es sich um einen Auffangmechanismus für die primär geltende Hinzurechnungsbesteuerung. Dieser Regelung zufolge erhebt ein Mitgliedstaat effektiv einen Teil der auf Konzernebene geschuldeten Top-up-Steuer, wenn einige Länder und Gebiete, in denen Unternehmen des Konzerns ansässig sind, diese unter dem Mindeststeuersatz besteuern und kein Top-up-Steuer erheben. Der Betrag der Top-up-Steuer, die ein Mitgliedstaat von den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmen des Konzerns erhebt, wird mittels einer auf der Zahl der Beschäftigten und der Vermögenswerte basierenden Formel berechnet.

Gibt es Ausnahmen?
In den Vorschriften ist eine Ausnahme für Einkünfte bis zu einem bestimmten Betrag vorgesehen, um die Befolgungskosten zu reduzieren. Bei dieser so genannten "De-minimis-Ausnahme" wird auf die in einem Gebiet erwirtschafteten Erträge und Gewinne eines Konzerns, die einen bestimmten Mindestbetrag nicht übersteigen, keine Top-up-Steuer erhoben, auch wenn der effektive Steuersatz unter 15 Prozent liegt.

Unternehmen können darüber hinaus Erträge von mindestens 5 Prozent des Buchwertes der materiellen Vermögenswerte und 5 Prozent der Lohnsumme von der Top-up-Steuer ausnehmen (Substanzausnahmen oder "Carve-out").

Begründet werden diese Substanzausnahmen damit, dass ein fester Betrag auszunehmen ist, der substanzielle Aspekte der Geschäftstätigkeit wie Gebäude und Personal betrifft. Dies ist ein gemeinsames Merkmal von Unternehmensbesteuerungsstrategien weltweit, das dazu beitragen soll, Investitionen multinationaler Unternehmen in die wirtschaftliche Substanz in einem bestimmten Steuergebiet zu fördern. Durch diese Ausnahme werden schwerpunktmäßig überschüssige Einkünfte, beispielsweise im Zusammenhang mit immateriellen Vermögenswerten, besteuert, die anfälliger für Steuerplanung sind.

Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind Einkünfte aus dem internationalen Seeverkehr, für den besondere Steuervorschriften gelten. Aufgrund des hohen Kapitaleinsatzes, der Profitabilität und des langen wirtschaftlichen Lebenszyklus des internationalen Seeverkehrs haben zahlreiche Länder und Gebiete alternative Steuerregelungen für diesen Sektor eingeführt. Da diese alternativen Regelungen sehr weit verbreitet sind, fällt der internationale Seeverkehr häufig nicht in den Anwendungsbereich der Körperschaftsteuer.

Diese Ausnahmen werden die Berechnungen des effektiven Steuersatzes jedoch nicht verzerren.

Ist in Bezug auf die Substanzausnahmen ein Übergangszeitraum vorgesehen?
Für die ersten zehn Jahre gilt eine Übergangsregelung, der zufolge die Substanzausnahmen zunächst 8 Prozent des Buchwertes der materiellen Vermögenswerte und 10 Prozent der Lohnsumme betragen. Dieser Prozentsatz wird bei materiellen Vermögenswerten in den ersten fünf Jahren um 0,2 Prozent jährlich und anschließend um 0,4 Prozent jährlich reduziert. Bei der Lohnsumme wird der Prozentsatz in den ersten fünf Jahren um 0,2 Prozent jährlich und anschließend um 0,8 Prozent jährlich reduziert.

Unterscheidet sich der EU-Vorschlag von den OECD-Mustervorschriften?
Der Kommissionsvorschlag orientiert sich eng an der internationalen Vereinbarung, enthält jedoch notwendige Anpassungen, um die Einhaltung des EU-Rechts zu gewährleisten und gleichzeitig eine Überregulierung zu vermeiden.

Daher werden auch rein nationale Konzerne in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, während der Anwendungsbereich der Säule 2 der OECD auf multinationale Unternehmensgruppen beschränkt ist und eine Muttergesellschaft nur ihre ausländischen Tochtergesellschaften der Hinzurechnungsbesteuerung unterwirft. Diese Abweichung von den OECD-Mustervorschriften ist notwendig, damit die Grundfreiheiten der EU und insbesondere die Niederlassungsfreiheit gewahrt werden.

Nach den OECD-Mustervorschriften haben Länder und Gebiete die Option, eine qualifizierte nationale Mindeststeuer anzuwenden. Auch der Kommissionsvorschlag gibt den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine inländische Top-up-Steuer auf niedrig besteuerte inländische Tochterunternehmen anzuwenden. Dank dieser Option kann die von den Tochtergesellschaften eines multinationalen Konzerns geschuldete Top-up-Steuer lokal in dem jeweiligen Mitgliedstaat statt auf Ebene der Muttergesellschaft erhoben werden.

Was passiert, wenn Länder außerhalb der EU die OECD-Vorschriften nicht anwenden?
Im Inklusiven Rahmen der OECD wurden die Vorschriften nach dem so genannten "gemeinsamen Ansatz" vereinbart. Das heißt, die Mitglieder des Inklusiven Rahmens sind nicht verpflichtet, die Regeln zu übernehmen. Entscheiden sie sich jedoch dafür, müssen sie sie im Einklang mit den im Rahmen von Säule 2 vorgesehenen Ergebnissen umsetzen und handhaben. Sie müssen auch die Anwendung der Regeln durch die anderen Mitglieder des Inklusiven Rahmens akzeptieren. In der Praxis wird sich die Säule 2 letztendlich auch auf multinationale Konzerne mit Tochtergesellschaften in Ländern auswirken, in denen sie nicht zu dem vereinbarten Mindestsatz besteuert werden, da gemäß den Regeln der effektive Steuersatz für jedes Steuergebiet geprüft wird und von Unternehmen in Niedrigsteuergebieten eine Top-up-Steuer erhoben wird. Als Ergebnis der Hinzubesteuerungsregel oder der Unterbesteuerungsregel erhebt ein Mitgliedstaat die Top-up-Steuer auf Ebene des gesamten Konzerns, wenn einige Länder und Gebiete, in denen Unternehmen des Konzerns ansässig sind, niedrigere Steuersätze als den vereinbarten Mindestsatz anwenden und keine inländische Top-up-Steuer erheben.

Anders gesagt wird die Nichtanwendung der Säule-2-Vorschriften den Ländern und Gebieten nicht helfen, sich der effektiven Besteuerung zu dem vereinbarten Mindeststeuersatz zu entziehen.

Wie fügt sich dies in die breitere Agenda der Kommission ein?
Die Kommission verfolgt eine breite Agenda zur Gewährleistung einer gerechten und transparenten Unternehmensbesteuerung. In ihrer Mitteilung "Eine Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert" vom 18. Mai 2021 skizzierte die Kommission eine umfassende Vision für die Unternehmensbesteuerung in der EU, deren Rahmen den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts künftig gerecht wird und auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts ausgerichtet ist. Die in dieser Mitteilung und im Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung vom Juli 2020 angekündigten Maßnahmen werden die vorgeschlagenen Richtlinien ergänzen und zu mehr Steuertransparenz in der EU beitragen. Zudem wird die Kommission bis 2023 einen neuen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in der EU (BEFIT) vorschlagen, um ein robusteres und gleichzeitig unternehmerfreundliches Umfeld im Binnenmarkt zu schaffen.

Welches sind die nächsten Schritte im Legislativprozess?
Die Mitgliedstaaten müssen im Rat eine einstimmige Einigung erzielen. Auch das Europäische Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss müssen angehört werden und eine Stellungnahme abgeben.

Die EU-Mitglieder des Inklusiven Rahmens der OECD unterstützen bereits die auf globaler Ebene erzielte Einigung, die mit dem Kommissionsvorschlag umgesetzt wird. Zypern ist der einzige EU-Mitgliedstaat, der nicht zum Inklusiven Rahmen gehört und sich der Einigung daher nicht förmlich angeschlossen hat. Das Land wird die Richtlinie jedoch aller Voraussicht nach unterstützen. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 06.01.22
Newsletterlauf: 11.03.22


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