Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Schwerer Verstoß gegen Durchführungsverbot


Fusionskontrolle: EU-Kommission wirft Illumina und Grail Verstoß gegen EU-Fusionskontrollvorschriften durch vorzeitige Durchführung der Übernahme vor
Am 18. August 2021 gab Illumina öffentlich bekannt, die Übernahme von Grail vollzogen zu haben, obwohl die einschlägige Untersuchung der Kommission noch lief



Die Europäische Kommission hat eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt, in der sie Illumina vorwirft, gegen die EU-Fusionskontrollverordnung verstoßen zu haben, indem die Übernahme schon vor Abschluss des entsprechenden Fusionskontrollverfahrens der Kommission durchgeführt worden sei.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, erklärte dazu: "Wenn Unternehmen Vereinbarungen durchführen, bevor wir unser Prüfverfahren abgeschlossen haben, untergraben sie damit das EU-Fusionskontrollsystem. Sie begehen einen schweren Verstoß gegen das sogenannte Durchführungsverbot. Illumina und Grail haben das getan und ihre Vereinbarung durchgeführt, während das eingehende Prüfverfahren der Kommission noch läuft. Es könnten hohe Geldbußen gegen sie verhängt werden."

Die Kommission leitete am 22. Juli 2021 eine eingehende Untersuchung ein, um zu prüfen, ob der geplante Zusammenschluss den Wettbewerb und die Innovationstätigkeit auf dem Markt für die Entwicklung und den Vertrieb von Krebserkennungstests auf Basis von Sequenzierungstechnologien beeinträchtigen könnte.

Am 18. August 2021 gab Illumina öffentlich bekannt, die Übernahme von Grail vollzogen zu haben, obwohl die einschlägige Untersuchung der Kommission noch lief. Nach der EU-Fusionskontrollverordnung dürfen Unternehmen einen Zusammenschluss erst dann und nur dann vollziehen, wenn er bei der Kommission angemeldet und bereits von ihr genehmigt wurde. Dieses "Durchführungsverbot" verhindert, dass ein Zusammenschluss irreparable Schäden auf dem Markt anrichtet, bevor das Ergebnis des Prüfverfahrens der Kommission vorliegt. Die vorzeitige Durchführung von Transaktionen unter Verstoß gegen die Fusionskontroll-Verfahrensvorschriften der EU untergräbt das wirksame Funktionieren des Kontrollsystems und stellt daher eine sehr schwere Zuwiderhandlung dar.

Am 20. August 2021 leitete die Kommission eine Untersuchung ein, um festzustellen, ob Illumina gegen das Durchführungsverbot verstoßen hat.

In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission die vorläufige Auffassung, dass Illumina und Grail die Übernahme tatsächlich vor Abschluss des eingehenden Prüfverfahrens der Kommission durchgeführt haben.

Sollte sich dies bestätigen, könnte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes jedes der Unternehmen verhängen.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem endgültigen Ergebnis des Verfahrens nicht vor. Grail und Illumina haben nun Gelegenheit, zu der Mitteilung Stellung zu nehmen.

Unternehmen und Produkte

Illumina mit Sitz in den USA ist ein weltweit tätiges Genomikunternehmen, das Sequenzierungssysteme entwickelt, herstellt und vermarktet, einschließlich Sequenzierungsinstrumenten der nächsten Generation (NGS), Verbrauchsmaterialien und damit verbundener Dienstleistungen. Bei diesen Systemen handelt es sich um Medizinprodukte, die in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden. Im Onkologiebereich werden sie von Kunden genutzt, die Bluttests entwickeln und durchführen, mit denen Krebs erkannt oder geeignete Therapien für Krebspatienten ausgewählt werden können. Der weltweite Umsatz von Illumina belief sich 2020 auf 3 Mrd. USD. In Europa verkauft Illumina seine Produkte sowohl direkt als auch über Vertriebshändler.

Das ebenfalls in den USA ansässige, in der Gesundheitsbranche tätige Unternehmen Grail entwickelt onkologische Bluttests auf der Grundlage von genomischer Sequenzierung und von Daten-Tools. Das Vorzeigeprodukt von Grail ist "Galleri", ein Test zur Früherkennung von rund 50 Krebsarten bei asymptomatischen Patienten anhand einer Blutprobe. Im April 2021 nahm Grail in begrenztem Umfang den Vertrieb von Galleri in den USA auf. Zwei weitere Produkte von Grail befinden sich in der Entwicklung. Dabei handelt es sich um i) eine Diagnosehilfe für Krebstests zur Bestätigung einer Krebsdiagnose bei symptomatischen Patienten und ii) einen Test zur Erkennung minimaler Resterkrankungen, um einen etwaigen Rückfall nach einer Krebsbehandlung festzustellen. Grail war 2016 von Illumina gegründet und noch im selben Jahr ausgegliedert worden.

Hintergrund

Fusionssache Illumina/Grail
Die Kommission stimmte am 19. April 2021 einem Verweisungsantrag von sechs Mitgliedstaaten zu und übernahm die Überprüfung der geplanten Übernahme von Grail durch Illumina. Sie leitete am 22. Juli 2021 ein eingehendes Prüfverfahren ein. Am 13. Juli 2022 bestätigte das Gericht die Zuständigkeit der Kommission für die Überprüfung des Zusammenschlusses.

Illumina gab während des laufenden Prüfverfahrens der Kommission öffentlich bekannt, die Übernahme von Grail vollzogen zu haben. Daraufhin erließ die Kommission am 29. Oktober 2021 einstweilige Maßnahmen zur Wiederherstellung und Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs.

Die Untersuchung wird parallel zum laufenden eingehenden Prüfverfahren für den Zusammenschluss Illumina/Grail durch die Kommission und den weiterhin geltenden einstweiligen Maßnahmen durchgeführt.

Verfahrenshintergrund
Mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte setzt die Kommission die Beteiligten auf schriftlichem Wege förmlich über ihre kartellrechtlichen Bedenken in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Akten der Kommission einsehen, schriftlich antworten und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der jeweiligen Sache Stellung nehmen.

Die Verpflichtung für Unternehmen, Vorhaben vor ihrer Durchführung bei der Kommission anzumelden, ist in Artikel 4 Absatz 1 der EU-Fusionskontrollverordnung niedergelegt Das Verbot, ein anmeldepflichtiges Vorhaben zu vollziehen, bevor es angemeldet oder mit dem Binnenmarkt für vereinbar erklärt wurde, ist in Artikel 7 Absatz 1 der EU-Fusionskontrollverordnung verankert. Die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen bei einem Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 oder Artikel 7 Absatz 1 ist in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a und b der EU-Fusionskontrollverordnung niedergelegt.
(Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 24.07.22
Newsletterlauf: 02.09.22


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Rahmen für grüne NGEU-Anleihen

    Mehr als drei Jahre nach der ersten Transaktion mit unseren grünen Anleihen im Rahmen von NextGenerationEU (NGEU) hat die EU grüne NGEU-Anleihen im Wert von insgesamt mehr als 65 Mrd. EUR ausgegeben und ist damit auf dem besten Weg, zum weltweit größten Emittenten grüner Anleihen zu werden.

  • Maßnahmen des CPC-Netzes gegen Apple

    Im Anschluss an eine koordinierte Untersuchung auf europäischer Ebene haben das Netz für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) und die Europäische Kommission Apple über mehrere potenziell verbotene Geoblocking-Praktiken unterrichtet, die das CPC-Netz bei bestimmten Apple Media Services festgestellt hat, nämlich den Mediendiensten App Store, Apple Arcade, Music, iTunes Store, Books und Podcasts.

  • Verwaltungskosten für Unternehmen senken

    Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, ein einheitliches digitales Meldeportal für Unternehmen einzurichten, die Dienstleistungen erbringen und Arbeitnehmer vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsenden, das als "entsandte Arbeitnehmer" bezeichnet wird.

  • Diskriminierende steuerliche Behandlung

    Die Europäische Kommission hat entschieden, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land es versäumt hat, eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Artikel 63 AEUV und Artikel 40 des EWR-Abkommens) zu beseitigen, die durch die diskriminierende steuerliche Behandlung von reinvestierten Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien bedingt war.

  • Wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Facebook

    Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 797,72 Mio. EUR gegen Meta verhängt, weil das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt, indem es seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und anderen Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt hat.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen