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Zusammenschluss rechtswidrig vollzogen


EU-Kommission ordnet Rückabwicklung der vollzogenen Übernahme von GRAIL durch Illumina an
Im Juli 2023 verhängte die Kommission gegen beide Unternehmen Geldbußen




Die Europäische Kommission hat auf der Grundlage der EU-Fusionskontrollverordnung einen Beschluss über Maßnahmen zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands erlassen, gemäß dem Illumina die vollzogene Übernahme von GRAIL nach der Untersagung durch die Kommission rückgängig machen muss. Am 6. September 2022 hatte die Kommission die Übernahme von GRAIL durch Illumina untersagt, weil sie Bedenken hatte, dass der Zusammenschluss Innovationen behindern und die Auswahl auf dem neu entstehenden Markt für Bluttests zur Krebsfrüherkennung einschränken würde. Illumina und GRAIL hatten den Zusammenschluss während der eingehenden Prüfung der Kommission rechtswidrig vollzogen und damit gegen die EU-Fusionskontrollvorschriften verstoßen. Im Juli 2023 verhängte die Kommission deswegen gegen beide Unternehmen Geldbußen.

Der Beschluss
Mit dem Beschluss hat die Kommission Maßnahmen zur Wiederherstellung des vor dem Zusammenschluss bestehenden Zustands festgelegt, nach denen Illumina GRAIL veräußern und den Zustand vor dem Vollzug der Übernahme wiederherstellen muss.

Die Kommission hat die folgenden Maßnahmen angeordnet: i) Veräußerungsmaßnahmen, d. h. Illumina muss die Übernahme von GRAIL rückgängig machen, und ii) Übergangsmaßnahmen, die für Illumina und GRAIL gelten, bis Illumina die Übernahme rückgängig gemacht hat.

Die Veräußerungsmaßnahmen müssen im Einklang mit folgenden Grundsätzen durchgeführt werden:

Erstens muss durch die Rückabwicklung der Übernahme gewährleistet werden, dass GRAIL wieder genauso unabhängig von Illumina wird wie vor der Übernahme. Dadurch wird die Beeinträchtigung des Wettbewerbs beseitigt, die sich aus der Fähigkeit und dem Anreiz von Illumina ergibt, Ergebnisse bei den Wettbewerbern von GRAIL zu verzögern bzw. diese Wettbewerber zu benachteiligen.

Zweitens muss GRAIL nach der Veräußerung ebenso rentabel und wettbewerbsfähig sein wie vor der Übernahme durch Illumina. So wird sichergestellt, dass der Innovationswettbewerb zwischen GRAIL und seinen Wettbewerbern unter ähnlichen Bedingungen wie vor dem Zusammenschluss fortgesetzt werden kann.

Schließlich muss die Veräußerung innerhalb strenger Fristen und mit hinreichender Sicherheit durchgeführt werden können, damit der vor dem Zusammenschluss bestehende Zustand zeitnah wiederhergestellt werden kann.

Illumina kann die geeigneten Veräußerungsmethoden selbst wählen (z. B. im Wege eines Trade-Sales oder einer Kapitalmarkttransaktion), sofern alle oben genannten Grundsätze eingehalten werden. Das Unternehmen muss einen konkreten Plan für die Veräußerung von GRAIL vorlegen, der von der Kommission genehmigt werden muss.

Für die Übergangsmaßnahmen gilt Folgendes:
Sie werden sicherstellen, dass Illumina und GRAIL bis zur Rückabwicklung des Zusammenschlusses getrennt bleiben, damit eine weitere Integration von GRAIL in die Geschäftstätigkeit von Illumina und somit eine nicht wieder gutzumachende Beeinträchtigung des Wettbewerbs verhindert wird.

Illumina muss zudem die Rentabilität von GRAIL aufrechterhalten und zu diesem Zweck kontinuierlich den Liquiditätsbedarf von GRAIL decken, damit GRAIL seinen Krebsfrüherkennungstest Galleri weiterentwickeln und lancieren kann.

Die Übergangsmaßnahmen werden die derzeit geltenden einstweiligen Maßnahmen ersetzen, die von der Kommission am 28. Oktober 2022 angenommen wurden.

Wenn ein Unternehmen den Maßnahmen zur Wiederherstellung des vor einem Zusammenschluss bestehenden Zustands nicht nachkommt, kann die Kommission nach Artikel 15 der EU-Fusionskontrollverordnung Zwangsgelder verhängen, die bis zu 5 Prozent des durchschnittlichen täglichen Gesamtumsatzes des Unternehmens ausmachen können. Darüber hinaus können gegen Unternehmen, die den Wiederherstellungsmaßnahmen nicht nachkommen, nach Artikel 14 der EU-Fusionskontrollverordnung Geldbußen von bis zu 10 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.

Unternehmen und Produkte
Illumina mit Sitz in den USA ist ein weltweit tätiges Genomikunternehmen, das Sequenzierungssysteme der nächsten Generation (NGS) entwickelt, herstellt und vermarktet, u. a. Sequenzierungsinstrumente, Verbrauchsmaterialien und damit verbundene Dienstleistungen. Bei den NGS-Systemen von Illumina handelt es sich um Medizinprodukte, die in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden. Im Onkologiebereich werden sie von Kunden genutzt, die Bluttests für die Krebserkennung oder die Auswahl geeigneter Krebstherapien entwickeln und durchführen.

Das ebenfalls in den USA ansässige Unternehmen GRAIL ist in der Gesundheitsbranche tätig und entwickelt auf Genomsequenzierung und Daten-Tools gestützte Bluttests für die Onkologie. Sein Vorzeigeprodukt „Galleri“ ist ein Bluttest zur Früherkennung von rund 50 Krebsarten bei asymptomatischen Patienten. Im April 2021 nahm GRAIL in begrenztem Umfang den Vertrieb von Galleri in den USA auf. Zwei weitere Produkte von GRAIL befinden sich derzeit in der Entwicklung: i) eine Diagnosehilfe für Krebstests zur Bestätigung einer Krebsdiagnose bei symptomatischen Patienten und ii) ein Test zur Erkennung minimaler Resterkrankungen, um einen etwaigen Rückfall nach einer Krebsbehandlung feststellen zu können. GRAIL war 2016 von Illumina gegründet und noch im selben Jahr ausgegliedert worden.

Übernahme von GRAIL
Übernahme von GRAIL Bild: EU-Kommission


Hintergrund: Die Fusionskontrollsache Illumina/GRAIL
Die Kommission gab am 19. April 2021 einem Verweisungsantrag von sechs Mitgliedstaaten statt und übernahm die Überprüfung der geplanten Übernahme von GRAIL durch Illumina. Sie leitete am 22. Juli 2021 eine eingehende Prüfung ein. Am 13. Juli 2022 bestätigte das Gericht der Europäischen Union die Zuständigkeit der Kommission für die Überprüfung des Zusammenschlusses.

Illumina gab noch während des laufenden Prüfverfahrens der Kommission öffentlich bekannt, die Übernahme von GRAIL vollzogen zu haben. Daraufhin ordnete die Kommission am 29. Oktober 2021 einstweilige Maßnahmen an, um sicherzustellen, dass Illumina und GRAIL bis zum Abschluss des Fusionskontrollverfahrens durch die Kommission getrennt bleiben.

Am 6. September 2022 untersagte die Kommission die bereits vollzogene Übernahme von GRAIL durch Illumina wegen Bedenken, dass der Zusammenschluss Innovationen behindern und die Auswahl auf dem neu entstehenden Markt für Bluttests zur Krebsfrüherkennung einschränken würde. Nach diesem Verbotsbeschluss verlängerte die Kommission die einstweiligen Maßnahmen am 28. Oktober 2022 und passte sie an.

Am 5. Dezember 2022 übermittelte die Kommission Illumina und GRAIL eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der sie die Maßnahmen zur Wiederherstellung des vor dem Zusammenschluss bestehenden Zustands darlegte, die sie anordnen wollte.

Am 12. Juli 2023 belegte die Kommission Illumina und GRAIL mit einer Geldbuße in Höhe von 432 Mio. EUR bzw. 1000 EUR, weil der Vollzug der Übernahme vor der Genehmigung durch die Kommission gegen die EU-Fusionskontrollvorschriften verstieß.

Verfahrenshintergrund
Das Verbot, ein anmeldepflichtiges Vorhaben zu vollziehen, bevor es angemeldet und mit dem Binnenmarkt für vereinbar erklärt wurde, ist in Artikel 7 Absatz 1 der EU-Fusionskontrollverordnung verankert. Dieses Durchführungsverbot verhindert, dass Zusammenschlüsse möglicherweise irreparable negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben und zu einer unumkehrbaren Verflechtung der beteiligten Unternehmen führen, bevor das Ergebnis der Prüfung der Kommission vorliegt.

Die Einhaltung des Durchführungsverbots ist für die Rechtssicherheit unabdingbar, ermöglicht es der Kommission, die Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf den Markt sorgfältig zu prüfen, und verhindert, dass Zusammenschlüsse die Wettbewerbsstruktur des Marktes negativ beeinflussen. So wirken die Marktkräfte zum Nutzen der Verbraucher. In Fällen, in denen das Durchführungsverbot nicht eingehalten wird und die Kommission dann beschließt, den Zusammenschluss zu untersagen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den vor dem Zusammenschluss bestehenden Zustand wiederherzustellen.

Wenn die Kommission feststellt, dass ein Zusammenschluss bereits vollzogen wurde, und dieser Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird, kann sie nach Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe a der EU-Fusionskontrollverordnung geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Zustand vor dem Vollzug des Zusammenschlusses wiederherzustellen. (EU-Kommission: ra)

eingetragen: 16.10.23
Newsletterlauf: 08.12.23


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