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Kartellrechtlicher Anspruch gegen Lufthansa


Lufthansa behindert Condor im Wettbewerb auf der Langstrecke
Bundeskartellamt sichert Zugang zu Zubringerflügen




Das Bundeskartellamt untersagt Lufthansa bis auf weiteres die Beendigung langjähriger Kooperationsvereinbarungen (sog. Special Prorate Agreements, SPA) mit Condor. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Condor-Passagiere aus ganz Europa können auf dieser Grundlage weiterhin Zubringerflüge der Lufthansa und ihrer Fluggesellschaften mit Durchgangsticket zum Condor-Langstreckenflug nutzen. Die ursprüngliche Beendigung dieser Vertragsbeziehung hatte Lufthansa nach Intervention des Bundeskartellamtes mehrmals zeitlich befristet bis nunmehr 31. Oktober 2022 ausgesetzt. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Condor ein kartellrechtlicher Anspruch gegen Lufthansa auf Zugang zu den Zubringerflügen auch über diesen Zeitpunkt hinaus zusteht."

Ferner hat das Bundeskartellamt verschiedene weitere Wettbewerbsbeschränkungen in den bisherigen Vereinbarungen zwischen den Fluggesellschaften abgestellt, da sonst der Zugangsanspruch teilweise ins Leere gelaufen wäre.

Auch nach den erneuten Einlassungen der Unternehmen bestehen keine Zweifel daran, dass Lufthansa die einzige Fluggesellschaft ist, die für die zentralen deutschen Drehkreuze (Hubs) in Frankfurt, München und Düsseldorf ein umfassendes Zubringernetz mit Flügen aus Europa anbieten kann. Diese Position ist nach den durchgeführten Ermittlungen auch nicht angreifbar: Zum einen bietet Lufthansa als einzige Fluggesellschaft an diesen Flughäfen ein Netz an Zubringerstrecken zu europäischen Destinationen insbesondere unter Einschluss innerdeutscher Flugverbindungen an. Keine andere Airline verfügt über ein vergleichbar dichtes Zubringernetz. Zum anderen hat Condor auf absehbare Zeit keine Möglichkeiten, ihren Langstreckenpassagieren eine vergleichbar nahtlose Reise über das Angebot einer Anreise zum Flughafen mit der Eisenbahn oder mit dem Bus zu ermöglichen. Auch der Aufbau eines eigenen Zubringernetzes – sollte es für eine vergleichsweise kleine Fluggesellschaft wirtschaftlich betrieben werden können – ist derzeit schon angesichts der weitgehend an Lufthansa vergebenen Start- und Landerechte an den deutschen Drehkreuzen nicht absehbar.

Aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung beim Angebot eines Zubringernetzes unterfällt Lufthansa der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und hat daher gegenüber anderen Marktteilnehmern besondere Pflichten. Auch vor dem Hintergrund, dass Lufthansa sich insbesondere mit Eurowings Discover verstärkt in direktem Wettbewerb zu Condor auf den touristischen Langstrecken positioniert, gibt es zwischen den beiden Fluggesellschaften unterschiedliche Auffassungen über die Fortführung der Verträge. Die Langstrecken, auf denen beide Airlines vor allem in der Wintersaison fliegen, haben sich zwischen 2019 und 2022 mehr als verdoppelt und Lufthansa will keinen fremden Wettbewerb durch Zugang zu seinem Zubringernetz fördern. Für die ressourcenstarke Lufthansa gibt es aber zahlreiche Mittel für einen wirksamen Leistungswettbewerb mit Condor, die sie auch nutzt.

Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist auf den ohnehin stark konzentrierten indirekten Langstreckenverbindungen ein ausreichender Leistungs- und Preiswettbewerb nur möglich, wenn Condor auf der Grundlage von SPAs gegen Entgelt auf die Vorleistungen der auf dem Zubringermarkt marktbeherrschenden Lufthansa zurückgreifen kann. Ansonsten könnte Condor – anders als ihre Wettbewerber – jedenfalls keine nahtlose Langstreckenverbindung vom Abflug- zum Zielflughafen mit durchgehend aufgegebenem Gepäck und vollständigem Reiseschutz im Falle von Verspätungen oder Flugausfällen anbieten.

Würde Condor die Kundengruppe der Reisenden wegbrechen, die einen Zubringerflug wünschen, hätte dies schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen und für den Wettbewerb. Nach den Ermittlungen nehmen je nach Saison bis zu 30-40 Prozent der Langstreckenpassagiere einen Zubringerflug in Anspruch. Auf knapp 80 Umsteigeverbindungen zu touristischen Zielen könnte Lufthansa in der Folge als aktuelle oder als potentielle Wettbewerberin erhebliche Wettbewerbsvorteile, teilweise sogar eine Alleinstellung erlangen. Die Auswahlmöglichkeiten für Reisende und Reiseveranstalter würde eingeschränkt.

Damit der Zugangsanspruch auch wirksam umgesetzt werden kann, reicht eine bloße Fortführung der bisherigen Verträge nicht aus. Daher wird Condor durch die Verfügung Zugang zu mehr Buchungsklassen als bisher erhalten. Zudem wird Condor die Möglichkeit haben, immer dann Plätze buchen zu können, soweit die Zubringerflüge noch erhebliche freie Kapazitäten haben. Auch ist es kartellrechtlich nicht zulässig, dass Lufthansa über Vorgaben für Buchungsklassen, die Condor ihren Passagieren auf der Langstrecke anbieten kann, die Buchungs- und Preissteuerung für Condor einschränkt.

Andreas Mundt sagte: "Die von der Lufthansa vorangetriebene Neuausrichtung mit einem verstärkten Fokus auf das touristische Langstreckengeschäft wird durch die Entscheidung nicht berührt. Lufthansa bleibt es unbenommen, die Buchungs- und Preissteuerung für die eigenen Passagiere nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Dies kann allerdings nicht bedeuten, dass die technische Umsetzung für den Zugangsanspruch daran scheitert."

Die Entscheidung ist zwar nicht befristet, enthält aber einen Widerrufsvorbehalt. Sollten sich die Markt- und Wettbewerbsbedingungen ändern, kann das Bundeskartellamt auf Antrag beispielsweise prüfen, ob sich für Condor dann Alternativen zur Zubringung über das Lufthansa-Netz ergeben. Es ist davon auszugehen, dass beide Unternehmen die entsprechenden Spielräume hierfür fortlaufend prüfen werden.

Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist noch nicht rechtskräftig. Lufthansa hat die Möglichkeit innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen, über die dann das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.

Bisheriges Verfahren:
Ursprünglich hatten Lufthansa und ihre Konzerngesellschaften Austrian Airlines und Swiss Airlines das SPA mit Wirkung zum 1. Juni 2021 gekündigt. Das SPA mit der Lufthansa-Tochtergesellschaft Brussels Airlines lief ursprünglich am 28. Februar 2021 aus. Am 6. Januar 2021 hat Condor beim Bundeskartellamt hiergegen Beschwerde eingelegt. Am 21. Januar 2021 hat das Bundeskartellamt ein Missbrauchsverfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 19 GWB, Art. 102 AEUV sowie wegen des Verdachts verbotenen Verhaltens gemäß § 20 Abs. 1 GWB i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB gegen Lufthansa eingeleitet. Wegen der drohenden und zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung zu Lasten von Condor teilweise bereits eingetretenen oder zumindest angekündigten Verweigerung von Buchungen, hatte das Bundeskartellamt zugleich ein Verfahren zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen nach § 32a Abs. 1 GWB eingeleitet. Schon in diesem einstweiligen Verfahren war das Bundeskartellamt vorläufig zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beendigung der SPAs durch die Lufthansa-Gruppe einen Behinderungsmissbrauch nach §§ 19, 20 GWB sowie Art. 102 AEUV darstellt. Dieses Verfahren war nach der zeitlich befristeten Einigung zwischen Lufthansa und Condor in das Hauptsacheverfahren übergeleitet worden. Die vorläufigen Feststellungen im Eilverfahren wurden durch weitergehende Ermittlungen in der Hauptsache bestätigt. (Bundeskartellamt: ra)

eingetragen: 20.09.22
Newsletterlauf: 19.10.22


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