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Nokia und die Hilflosigkeit deutscher Politik


"Bochum, ich häng an Dir" taugt nicht als Hymne der Globalisierung – Was der "Fall Nokia" über den Standort Deutschland aussagt
Im vergangenen Jahr seien bereits 33 Millionen Euro an öffentlichen Subventionen geflossen, um ein neues "Nokia Village" aufzubauen


(22.01.08) - Die deutsche Politik zieht die Konsequenzen aus dem Verhalten der "Subventionsheuschrecke" Nokia, das der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Jürgen Rüttgers, aufgebracht hatte. SPD-Fraktionschef Peter Struck und Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) gaben ihre Nokia-Handys ab. Seehofer lässt sogar für sein gesamtes Ministerium prüfen, ob ein Boykott dieser Marke zulässig sei.

Diese hilflosen symbolischen Handlungen sagen mehr aus als alle wortreichen Analysen. Wenn ein Weltkonzern massiv Arbeitsplätze abbaut und einen Produktionsstandort wechselt, dann ist es aus und vorbei mit der Macht der Belegschaften, Gewerkschaften und Politiker. Ethische Fragen spielen dabei keine Rolle, es geht nur um Rendite, Aktionärsinteressen und Wettbewerbsfähigkeit. Dass der finnische Handyhersteller keine warmen Gefühle für Bochum oder das Ruhrgebiet, wo 2.3000 Beschäftigte und weitere 2.000 Stellen bei Zulieferern und Leiharbeitern betroffen sind, empfindet, muss nicht eigens begründet werden. So ist eben die Globalisierung.

Warum geht Nokia nach Rumänien? Diese Frage konnte noch nicht geklärt werden. Dass Rumänien das Ruhrgebiet in punkto Ausbildungsniveau übertrifft, wird wohl niemand behaupten wollen. An den Lohnkosten kann es auch nicht liegen. Insgesamt machen die Lohnkosten nur fünf Prozent der Herstellungskosten eines Gerätes aus. Fakt ist, dass Bund und das Land NRW nach eigenen Angaben einst 60 Millionen Euro Subventionen an Nokia für den Aufbau des Standorts Bochum gezahlt haben.

Dies ist kein Einzelfall. Das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium teilte mit, in den vergangenen zehn Jahren habe es 120 Förderfälle dieser Art zwischen Rhein und Weser gegeben. Dafür seien insgesamt 443 Millionen Euro ausgezahlt worden. Der größte Betrag floss an die Finnen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Rumänen oder die EU Nokia nun wieder an einen anderen Standort gelockt haben.
Der EU-Abgeordnete Markus Pieper (CDU), regionalpolitischer Vizekoordinator der EVP-ED Fraktion im Europäischen Parlament, erklärte unterdessen, Nokia erhalte keine EU-Gelder für den Arbeitsplatzabbau in Deutschland. Die europäischen Fördergelder für das Unternehmen seien bisher nur in Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur geflossen. Recherchen bei der EU-Kommission hätten ergeben, dass diese europäische Infrastrukturförderung den Aufbau eines Technologieparks in Rumänien unterstütze, von dem jedoch auch andere Unternehmen profitierten. EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso erinnerte seine "deutschen Freunde" daran, endlich auch mal über die Vorteile der EU-Erweiterung zu sprechen.

Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" berichtete unterdessen, im vergangenen Jahr seien bereits 33 Millionen Euro an öffentlichen Subventionen geflossen, um ein neues "Nokia Village" aufzubauen. Woher das Geld genau stammt, bleibt offen. Dieser Betrag liegt laut EU-Kommission unterhalb der Schwelle, die eine Anmeldung in Brüssel erfordert.

Doch was können deutsche Politiker tun, um die Produktion im Land zu behalten und Arbeitsplätze zu schaffen? Sind Subventionen überhaupt noch der richtige Weg, wenn niemand man der ganzen Förderzirkus durchschauen kann? Laut Subventionsbericht der Bundesregierung betrugen 2005 die Subventionen 55,6 Milliarden Euro. Nach einer Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) beliefen sich die Subventionen von Bund, Ländern, Kommunen sowie der EU in Deutschland 2005 jedoch sogar auf 144,8 Milliarden Euro oder 6,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung.

Dabei wurde eine breite Abgrenzung des Subventionsbegriffs zugrunde gelegt: Berücksichtigt werden "Selektive Vergünstigungen, die Bund, Länder, Gemeinden und andere staatliche Einrichtungen zugunsten ausgewählter Produktionszweige und letztlich bestimmter Personengruppen gewähren", erläutert das Lexikon der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

Neben dem Unternehmenssektor zählen auch öffentliche Betriebe zu den Subventionsempfängern, die private Güter und Dienstleistungen anbieten. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zählen diese zum Staatssektor beziehungsweise als Organisationen ohne Erwerbszweck, während als Subventionen definitionsgemäß nur Hilfen an den Wirtschaftssektor gezählt werden. Insbesondere bei den Ländern und Kommunen kommt das IfW zu weit höheren Subventionen als der Bericht der Bundesregierung; darüber hinaus wird die Beschäftigungsförderung der Bundesanstalt für Arbeit im Umfang von 5,8 Milliarden Euro als Subvention eingeschätzt, was die Regierung nicht tut. Die Hilfen für die Bahn werden von der Bundesregierung ebenfalls nicht aufgeführt, sondern dem Infrastrukturbereich zuordnet. (ne-na.de: ra)

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