Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Jedes Gerät ein Testsieger


Sieger vom Fließband: Verbraucherzentrale NRW kritisiert Technik-Werbung mit Test-Logos
Wichtig vor dem Kauf sei es, an erster Stelle Tests von unabhängigen Prüfinstituten zu berücksichtigen


(10.11.10) - Abertausende Siegel von Hunderten verschiedenen Testern und Instituten bescheinigen scheinbare Spitzenqualität. Doch die Verbraucherzentrale NRW warnt vor fragwürdigen Empfehlungen ohne Transparenz.

Die meisten Kunden orientierten sich bei ihrer Kaufentscheidung an Testergebnissen und -logos. Ein gutes Urteil könne den Absatz einer Ware massiv nach oben puschen. Die Folge: Eine Flut von Signets überschwemme den Markt. Kaum ein Technikprodukt bleibt da außen vor - ob Flachbildfernseher oder Beamer, ob Digital-Kamera oder Handy.

Die Konkurrenz unter den Testern sei groß. Benotungen kommen von der Stiftung Warentest, von Ökotest und Testmagazin. Eigene Siegel verbreiten Fachzeitschriften wie Chip, Connect oder Computerbild. Auch weniger Bekannte seien mit ihren Logos am Start. Insgesamt seien, so schätzen Kenner der Szene, weit über 500 unterschiedliche Prüfer am Werk.

Die Werbung mit Testsiegeln habe bereits das höchste Gericht erreicht. Erste Mindestanforderungen hat der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 50/07) im Januar dieses Jahres gesetzt. Es sei ein Gebot der Sorgfalt, dass die Fundstelle jedes Tests eindeutig und leicht zugänglich angegeben werde. Verbraucher müssten stets die Möglichkeit erhalten, testbezogene Werbung zu überprüfen und im Gesamtzusammenhang zu bewerten.

Doch die Praxis sehe oft anders aus. Das würden Beobachtungen der Verbraucherzentrale NRW zeigen. So seien beispielsweise manche Sieger-Berichte nicht mehr lieferbar – weder online noch als Printversion.

Die Verbraucherzentrale NRW kritisiert das "Testsystem", das mit seinen "dynamischen Testverfahren" die rege Plakettenproduktion fördere.

So schafften es die fleißigen Tester, dass Hersteller ihre Kundschaft mit Spitzen-Urteilen zu ihren Produkten geradezu bombardieren können. Ein Hersteller von Fotoapparaten beispielsweise präsentierte im Oktober auf seinen Internetseiten neun aktuelle Spiegelreflexkameras: Acht davon wären reichlich mit Siegeln verschiedenster Prüfer verziert, teilweise mit bis zu 15 pro Modell.

Das ganze System bestünde aus Geben und Nehmen. Hersteller lieferten das Gros der Testgeräte und dürften im Gegenzug kostenlos oder gegen eine Servicepauschale pro Siegel mit Logos und Benotungen werben.

Andere Zeitschriften dagegen würden hohe Beträge für das Erscheinen von Testberichten verlangen,

Bei beliebten Geräten der Unterhaltungselektronik, bei Kameras und Handys werden dem Kunden oft Dutzende Tests angezeigt, in der Spitze können es durchaus fast 100 aus der ganzen Welt sein – wohlgemerkt: pro Produkt.

Wichtig dabei ist die Addition der einzelnen Testurteile zu einer neuen Gesamtnote. Für deren Gewichtung und Relevanz hat jedes Portal seinen eigenen Bewertungsschlüssel. Da unterscheidet der eine Betreiber "Top-Quellen" von weniger wichtigen, da fließen bisweilen gar "Käufermeinungen zu 25 Prozent" in den Portal-Score ein.

Verständlich daher, dass der mit Vorsicht zu genießen ist. Denn zumeist pendelt die Mixtur aus Qualitäts- und Möchte-gern-Tests umgerechnet nahe der Schulnote "2". Und mit dieser guten Note kann dann - oft wieder gegen Siegel-Bezahlung - tüchtig die Reklametrommel geschlagen werden.

Merkwürdig nur: Oftmals finden sich auf einem Sammel-Portal für dasselbe Gerät die unterschiedlichsten Bewertungen. Ein Tintenstrahldrucker etwa, den eine Zeitschrift als "sehr gut" feierte, schnitt bei einer anderen nur "ausreichend" ab.
Ein MP3-Spieler zählt mal zur "Oberklasse", mal bekommt er gerade noch ein "ausreichend". Ein Mini-Camcorder wiederum wird mit Noten zwischen 1,6 und 4,0 gelistet.

Auffällig auch: Immer wieder weichen die Benotungen der renommierten Stiftung Warentest von anderen Prüfern deutlich ab.

Für Verbraucher, die sich nur flüchtig informieren, sei all das schwer zu durchschauen. Wer sich allein von den vielen Sieger-Logos auf den Hersteller- und Händler Seiten blenden lässt, dem drohen Reinfälle. Wichtig vor dem Kauf sei es deshalb, an erster Stelle Tests von unabhängigen Prüfinstituten zu berücksichtigen. (Verbraucherzentrale NRW; ra)

Lesen Sie auch den Originalbeitrag:

Verbraucherzentrale NRW: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Hintergrund

  • Was ist das EU-KI-Gesetz?

    Das EU-KI-Gesetz ist da und es hat Auswirkungen auf die Welt des Datenschutzes, Sicherheit, Risiko und Rechnungsprüfung. Das bedeutet, es beeinflusst die Art und Weise, wie diese Funktionen organisiert sind, wie die Fachleute ihre Arbeit verrichten und was sie in ihrer Position zu tun haben.

  • Politikgetriebener Moralisierung

    Am 1. August 2024 tritt der AI Act der Europäischen Union in Kraft getreten. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst hatte kommentiert: "Ob Deutschland und Europa zu Innovationsstandorten für Künstliche Intelligenz oder zu Nachzüglern werden, hängt entscheidend von der weiteren Ausgestaltung und Umsetzung des AI Acts ab."

  • Entwicklung der HR-Softwareindustrie

    Human Resources gilt heutzutage als Rückgrat eines jeden Unternehmens. Die Verwaltung von Mitarbeiterdaten, die Durchführung von Rekrutierungsprozessen und die Entwicklung von Talenten sind nur einige der vielfältigen Aufgaben, die die Personalabteilung täglich bewältigen.

  • Mittelstand im Regulierungskorsett

    Ziel des Data Acts ist es, einen Wettbewerbsmarkt für Daten zu schaffen und die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der EU zu stärken. Durch die Förderung eines fairen, transparenten und wettbewerbsfähigen digitalen Marktes adressiert er die Notwendigkeit einer verstärkten Datenmobilität und -nutzung.

  • Paragrafen 201b Strafgesetzbuch vorgeschlagen

    Das Bundeskabinett hat am 21. August 2024 zu einer bayerischen Initiative zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes Stellung genommen. Im Juli dieses Jahres hatte der Bundesrat den bayerischen Gesetzentwurf verabschiedet.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen