Bundeslagebild "Organisierte Kriminalität 2010"


Das Bundeskriminalamt veröffentlicht neue Zahlen zur Organisierten Kriminalität in Deutschland
Die höchsten Gewinne wurden mit rund 400 Millionen Euro im Bereich der Wirtschaftskriminalität erzielt


(19.07.11) - Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 606 Ermittlungsverfahren in Fällen der Organisierten Kriminalität geführt (2009: 579). Dies entspricht einem Anstieg von fast 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 318 (2009: 305) dieser Verfahren wurden neu eingeleitet, alle anderen stammten aus dem Vorjahr bzw. den Vorjahren und wurden im Jahr 2010 fortgeführt. BKA-Präsident Jörg Ziercke erklärte: "Die Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität ist in Deutschland weiterhin hoch. Das von der Organisierten Kriminalität ausgehende Schadens- und Gefahrenpotenzial ist groß. OK-Gruppierungen verursachten 2010 insgesamt einen Schaden von 1,65 Milliarden Euro, was eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um mehr als 20 Prozent bedeutet. Die OK-Gewinne bewegten sich mit 903 Millionen Euro auf dem Niveau des Vorjahres."

Die höchsten Gewinne wurden mit rund 400 Millionen Euro im Bereich der Wirtschaftskriminalität erzielt, gefolgt von Steuer- und Zolldelikten (ca. 190 Millionen Euro), dem Rauschgifthandel und -schmuggel (knapp 130 Millionen Euro) sowie der Umweltkriminalität (rund 75 Millionen Euro).

Im Jahr 2010 wurden in 92 Prozent aller OK-Verfahren (556) Finanzermittlungen durchgeführt. In knapp 40 Prozent der Verfahren (242, 2009: 189 Verfahren) fanden sich Hinweise auf Geldwäsche. In knapp einem Drittel der Verfahren (29 Prozent) ist es gelungen, kriminell erlangtes Vermögen abzuschöpfen. Die höchsten Sicherungen erfolgten in Verfahren wegen Steuer- und Zolldelikten mit rund 78 Millionen Euro. Insgesamt konnten Vermögenswerte in Höhe von 171 Millionen Euro (2009: 113 Millionen Euro) vorläufig als Vermögenswerte gesichert werden.

Tatverdächtige
Insgesamt wurden in den 606 OK-Verfahren 9.632 Tatverdächtige ermittelt, knapp 4 Prozent mehr als im Vorjahr (2009: 9.294). Damit blieb die Gesamtzahl der Tatverdächtigen während der letzten sechs Jahre nahezu konstant.

3.515 (2009: 3.564) der Tatverdächtigen (36,5 Prozent) waren deutsche Staatsangehörige, die damit wie in den Vorjahren den größten Anteil stellten. Mit 996 Tatverdächtigen (2009: 855) stellten die türkischen Staatangehörigen die stärkste nichtdeutsche Gruppe, gefolgt von italienischen Staatsangehörigen mit 340 (2009: 323) Tatverdächtigen, serbischen Staatsangehörigen mit 330 (2009: 253) und polnischen Staatsangehörigen mit 294 (2009: 297) Tatverdächtigen.

Gruppenstrukturen
Wie in den Vorjahren wurde die Organisierte Kriminalität in Deutschland von deutschen und türkischen OK-Gruppen geprägt. Deutsch dominierte Gruppen stellten mit ungefähr 30 Prozent (182 Gruppen) den größten Anteil an den OK-Gruppen. Deutsch-dominierte OK-Gruppierungen betätigten sich wie in den Vorjahren insbesondere im Rauschgifthandel und -schmuggel. Darüber hinaus spielte die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle.

35 OK-Verfahren (5,8 Prozent) richteten sich gegen deutsch-dominierte Rockergruppierungen (2009: 21, 2008: 15, 2007: 9, 2006: 29). Außerdem wurden 22 OK-Verfahren gegen OK-Gruppierungen geführt, bei denen es Verbindungen zu Rockergruppierungen gab.

BKA-Präsident Ziercke sagte: "Kriminelle Rockergruppierungen und Organisierte Kriminalität sind zunehmend eng miteinander verbunden. Im Jahr 2010 wurde insgesamt in 57 OK-Verfahren und damit fast in jedem zehnten OK-Verfahren gegen Rockergruppierungen direkt oder gegen OK-Gruppierungen mit Verbindungen zu Rockern ermittelt. Kennzeichnend für Rockergruppierungen ist eine hohe Gewaltbereitschaft, insbesondere gegen Mitglieder rivalisierender Gangs. Wir gehen davon aus, dass das Verhältnis zwischen Rockergruppierungen angesichts der Expansionsbestrebungen der Clubs weiterhin sehr angespannt bleiben und auch künftig von brutalen gewalttätigen Konflikten bestimmt sein wird."

Die 75 türkisch dominierten OK-Gruppierungen (2009: 80), die wie in den Vorjahren die stärkste Zahl unter den nichtdeutschen OK-Gruppierungen stellten, konzentrierten sich hauptsächlich auf den Handel und Schmuggel von Rauschgiften. Die Anzahl italienisch dominierter OK-Gruppen blieb mit 30 im Vergleich zum Vorjahr konstant. Sieben OK-Verfahren richteten sich gegen Gruppierungen der italienischen Mafia. In 13 Verfahren wurde gegen OK-Gruppierungen mit Verbindungen zur Mafia ermittelt. Kokainhandel und -schmuggel, Fälschungskriminalität und sonstige Kriminalitätsbereiche mit Schwerpunkt auf Geldwäschedelikten waren ihre Hauptbetätigungsfelder.

Ziercke stellte fest: "Deutschland wird insbesondere von der N'drangheta als Aktionsraum für Delikte der Rauschgift-, Eigentums- und Wirtschaftskriminalität genutzt. Daneben dient Deutschland den Angehörigen und Unterstützern italienischer Mafiaorganisationen als Flucht-, Ruhe- und Investitionsraum."

Die Anzahl der russischen OK-Gruppierungen (23) sank im Vergleich zum Vorjahr (2009: 25) leicht. Russische Gruppierungen waren insbesondere im Rauschgifthandel und -schmuggel, im Bereich der Wirtschaftskriminalität (Betrugsdelikte) und im Bereich der Steuer- und Zolldelikte (Zigarettenschmuggel) tätig.

Kriminalitätsbereiche
Angesichts hoher Profitmargen bildet die Drogenkriminalität traditionell einen wesentlichen Geschäftsbereich der internationalen OK. Wie in den Vorjahren dominierte auch im Jahr 2010 die Rauschgiftkriminalität mit einem Anteil von fast 40 Prozent die OK-Lage in Deutschland. Dabei ist der organisierte Drogenhandel gekennzeichnet durch netzwerkartige Verflechtungen bis hin zu hierarchisch straff aufgebauten Organisationen - in den Strukturen mit Wirtschaftsunternehmen vergleichbar.

Die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben löste mit 88 Verfahren (2009: 75) im Jahr 2010 die im Vorjahr noch an Rang zwei registrierte Eigentumskriminalität ab. Auf organisierte Wirtschaftskriminalität entfielen im Jahr 2010 jeweils fast 45 Prozent der durch OK verursachten Schäden - 737 Millionen Euro von insgesamt 1,65 Milliarden Euro - und der geschätzten Gewinne - nämlich 401 Millionen von 903 Millionen Euro insgesamt. In über 84 Prozent der Verfahren agierten die Tätergruppen ausschließlich in diesem Deliktsbereich (2009: 69 Prozent), was für eine hohe Spezialisierung der Täter spricht. Viele Verfahren richteten sich gegen international agierende betrügerische Anlagefirmen.

Ziercke sagte: "Auch im Bereich der Organisierten Kriminalität beobachten wir den Trend, dass OK Gruppierungen das Internet zunehmend nicht nur zur Kommunikation, sondern auch als Tatmittel nutzen. Immer häufiger verwenden OK-Gruppierungen modernste technische Mittel zur Umgehung polizeilicher Überwachungsmaßnahmen. Neue Anonymisierungs- und Verschlüsselungstechniken werden für Kommunikation und Datenspeicherung genutzt. Die Beweisführung wird dadurch immer schwieriger."

Der drittgrößte Bereich, die Eigentumskriminalität, war bei rund 12 Prozent (2009: 14,3 Prozent) aller OK-Verfahren maßgeblich. Im Vordergrund standen dabei hauptsächlich Kfz-Diebstähle - in 42 der registrierten 72 Verfahren (2009: 83). Hauptsächlich ging es dabei um Fahrzeuge, die in Deutschland entwendet und oftmals nach Polen und Litauen verbracht wurden. (BKA: ra)


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