Professionalisierung in zahlreichen Aufsichtsräten


Qualität der Aufsichtsratsarbeit leidet unter Großaktionären
Studie zeigt Schwächen in der Effizienz von Aufsichtsräten bei Unternehmen mit dominierenden Großaktionären - Wandel der Aufsichtsratsvorsitzenden zum Teamplayer erforderlich

(25.02.16) - Die Deutsche Bank hat erneut den besten Aufsichtsrat im DAX. Die Deutsche Börse klettert um einen Platz auf den zweiten Rang, gefolgt vom Sportartikelunternehmen adidas, dem Rückversicherer Münchener Rück und dem Versicherungskonzern Allianz. Das ist das Ergebnis der aktuellen Untersuchung "Aufsichtsrats-Score". Für die Studie wird die Aufsichtsratstätigkeit der Unternehmen in den wichtigsten deutschen Aktienindizes DAX und MDAX durch den Corporat Governance-Experten Dr. Peter Ruhwedel untersucht, Wissenschaftlicher Leiter des KompetenzCentrums für Unternehmensführung und Corporate Governance an der FOM Hochschule. Der Spitzenreiter im MDAX ist ProSiebenSat.1, die sich nach dem Ausstieg zweier Großinvestoren deutlich verbessert hat.

Auf den nachfolgenden Plätzen finden sich die Aareal Bank, Leoni, Axel Springer und Klöckner. Die Studie vergleicht bereits zum vierten Mal Arbeitsweise, Eignung, Diversität und Transparenz der Aufsichtsräte in DAX- und MDAX. Wie die Studienergebnisse zeigen, wirken Krisen häufig als Weckruf für die Aufsichtsräte. So haben sich etwa die Arbeitsweise bei der Deutschen Bank, ThyssenKrupp oder Telekom in den vergangenen Jahren deutlich verbessert; die gegenwärtigen Probleme bei VW und Gerry Weber dürften dagegen auch auf Defizite in den Aufsichtsräten zurückzuführen sein.

Deutsche Bank: Vorbild für VW-Aufsichtsrat
"Aufsichtsräte haben eine wichtige Funktion in der Risikoerkennung", sagt Professor Peter Ruhwedel. "Hierfür ist es wichtig, dass Vorstand und Aufsichtsrat nicht gleichgeschaltet sind. Der Aufsichtsrat sollte vielmehr die Strategien und Investitionsvorhaben des Vorstands kritisch hinterfragen, um bereits im Vorfeld unnötige Risiken zu erkennen." Diese Frühwarnfunktion scheint bei VW versagt zu haben.

"Die seit längerem zu beobachtende Besetzung und Arbeitsweise des VW-Aufsichtsrats deuten darauf hin, dass die Kontrolle durch einige wenige Personen ausgeübt worden sein muss." Ganz anders dagegen der Aufsichtsrat der Deutschen Bank: Die Ergebnisse der Studie "Aufsichtsrats-Score" zeigen, dass der Aufsichtsrat des Bankhauses nach verschiedenen Skandalen die Zusammensetzung des Gremiums deutlich verändert und die Überwachungsarbeit weiter intensiviert hat. So wurden wichtige Funktionen im Aufsichtsrat in den vergangenen Jahren mit unabhängigen Experten neu besetzt. Und auch die Arbeitsintensität weist krisenbedingt weiterhin ein hohes Niveau auf. Mit sechs Plenumssitzungen, einem zweitägigen Strategieworkshop, Fortbildungsveranstaltungen für die Aufsichtsratsmitglieder sowie insgesamt 57 Ausschusssitzungen besteht ein engmaschiges Überwachungsnetz. "Der Deutsche Bank- Aufsichtsrat könnte den VW-Aufsichtsratsmitgliedern als Blaupause für notwendige Veränderungen dienen", erläutert Professor Ruhwedel. "Mit der Einrichtung eines "Sonderausschuss Dieselmotoren" haben sie einen ersten Schritt gemacht – neben organisatorischen Veränderungen wäre darüber hinaus zu überlegen, inwieweit die Zahl unabhängiger Fachexperten im VW-Aufsichtsrat erhöht werden kann."

Unternehmen mit Großaktionären zeigen Schwächen in der Aufsichtsratsarbeit
"Insgesamt sind wir bei der Tätigkeit der Aufsichtsräte in Deutschland auf einem guten Weg", so Ruhwedel. So weist eine große Zahl von Aufsichtsräten inzwischen ein hohes Maß an Professionalisierung auf, das weit über die rechtlichen Mindestanforderungen hinausgeht. Abweichungen zeigen die Untersuchungsergebnisse jedoch bei Familienunternehmen bzw. Unternehmen mit einem Großaktionär. In diesen Gesellschaften scheint der Aufsichtsrat seine Überwachungsfunktion eher an den gesetzlichen Mindeststandards auszurichten.

So verfügen alle der gemessen am Aufsichtsrats-Score schwächsten 13 MDAX-Unternehmen über einen dominierenden Großaktionär, der zwischen 25 Prozent (Aurubis) und 100 Prozent (Jungheinrich) der Stimmrechte kontrolliert - bei der durchschnittlichen Präsenz auf Hauptversammlungen ist somit davon auszugehen, dass der Großaktionär das gesamte Unternehmen dominiert und wesentliche Entscheidungen beeinflusst. "Der Aufsichtsrat scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, da die Großaktionäre de facto über direkte Durchgriffsmöglichkeiten verfügen können", so Ruhwedel.

Auch wenn verschiedene Studien zeigen, dass insbesondere Familienunternehmen häufig eine überdurchschnittliche Performance realisieren können, so gibt es immer wieder auch dramatische Negativbeispiele (s. etwa VW oder die zwischenzeitlich in den SDAX abgestiegene Gerry Weber AG). Ein professioneller und unabhängig besetzter Aufsichtsrat gewährleistet eine funktionsfähige und zukunftsgerichtete Unternehmensüberwachung und kann helfen, derartige Fehlentwicklungen zu vermeiden. "Die größte Herausforderung für Großaktionäre besteht in der Regel darin, unabhängige Experten in die Überwachungsgremien aufzunehmen", erläutert Professor Ruhwedel. "Gleichzeitig liegt hierin oftmals der Schlüssel für die notwendige Professionalisierung der Gremien sowie eine Erhöhung der Diversität - beides wichtige Voraussetzungen für eine ausgewogene und risikoorientierte Überwachung."

MDAX: Licht und Schatten
Ein modernes Rollenverständnis des Aufsichtsrats zeichnet sich insbesondere durch eine Besetzung der Gremien mit unabhängigen Experten, eine hohe Diversität, aktive Fachausschüsse, eine intensive Tätigkeit des Gesamtgremiums und eine hohe Transparenz aus – demgegenüber ist eine nicht mehr zeitgemäße Aufsichtsratsarbeit durch Passivität des Gesamtgremiums und die Dominanz des Aufsichtsratsvorsitzenden gekennzeichnet. Die Spitzengruppe der MDAX-Unternehmen kann sich dabei mit den DAX-Unternehmen messen; dies zeigt, dass eine vorbildliche Governance grundsätzlich keine Frage des Börsensegments, sondern des Rollenverständnisses des Aufsichtsrats ist. Die Studienergebnisse zeigen jedoch auch, dass gerade bei MDAX-Unternehmen zum Teil noch ein erheblicher Nachholbedarf bei der Professionalisierung der Gremien besteht. "Eine Schlüsselrolle hat hierbei der Aufsichtsratsvorsitzende, der zu einem Teamplayer werden muss", erläutert Professor Ruhwedel. "Ein dominanter Aufsichtsrat, der alle Aktivitäten bei sich konzentriert, sollte dagegen der Vergangenheit angehören."

Professionelle Aufsichtsräte haben einen hohen Frauenanteil
"Der notwendige Rollenwandel des Aufsichtsrats erfordert ein neues Selbstverständnis sowie ein hohes Maß an kritischer Selbstreflexionsfähigkeit der Aufsichtsratsmitglieder", so Ruhwedel. Ein Indiz für die hierfür erforderliche Anpassungsfähigkeit der Gremien ist ein hoher Frauenanteil, da dieser zu einer stärker an Eignungskriterien orientierten Besetzung und zu einem Aufbrechen herkömmlicher Besetzungsmuster im Sinne eines "Old-Boys-Netzwerks" führt – so zeigen die Studienergebnisse bei den DAX-Unternehmen, dass ein hoher Aufsichtsrats-Score positiv mit einem hohen Frauenanteil korreliert ist.

Zur Studie " Aufsichtsrats-Score": Orientierungsrahmen für die Effizienzprüfung
Die Studie hat das Ziel, über die vergleichende Analyse der Aufsichtsräte (Benchmarking) und die Identifikation vorbildlicher Vorgehensweisen in den Aufsichtsräten einzelner Unternehmen (Best Practices) Anregungen für eine weitere Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit zu geben. "Die Studienergebnisse sollen Aufsichtsräte bei der Weiterentwicklung der Strukturen, Prozesse und Arbeitsweise unterstützen und einen Orientierungsrahmen für eine Effizienzprüfung geben", betont Professor Dr. Peter Ruhwedel, der mit dem Deutschen Institut für Effizienzprüfung (diep) Aufsichtsräte bei Effizienzprüfungen unterstützt.

Über den Autor der Studie Professor Dr. Peter Ruhwedel:
Peter Ruhwedel ist Wissenschaftlicher Leiter des KCU KompetenzCentrum für Unternehmensführung & Corporate Governance und Professor für Strategisches Management und Organisation an der FOM Hochschule in Duisburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Corporate Governance, insbesondere Fragen der Zusammensetzung und Tätigkeit von Aufsichtsräten. Vor seiner Berufung an die FOM Hochschule im Jahr 2011 war er über zehn Jahre als Unternehmensberater tätig, zuletzt als Partner einer international führenden Managementberatung. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer ist Peter Ruhwedel Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Deutschen Instituts für Effizienzprüfung (diep).
(Deutsches Institut für Effizienzprüfung, diep: ra)

Dt. Institut für Effizienzprüfung: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Studien

  • Detaillierte Einblicke in die Gehaltsstrukturen

    APSCo (Association of Professional Staffing Companies) Deutschland veröffentlicht den ersten umfassenden Gehaltscheck für die Staffing-Branche und schafft damit eine wichtige Grundlage für mehr Gehaltstransparenz. Die Ergebnisse unterstützen Staffing-Unternehmen in ihrer Vorbereitung auf die bevorstehenden Anforderungen der EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz, die ab 2026 verpflichtend wird.

  • Gute Bedingungen für GenAI-Anwendungen

    Ein Großteil der weltweiten KI-Investitionen fließt in den Finanzsektor. 2023 wurden in der Branche 87 Milliarden US-Dollar in KI investiert - deutlich mehr als im Gesundheitswesen (76 Milliarden) oder in der Telekommunikations- und Medienbranche (75 Milliarden).

  • 9 Prozent der Unternehmen nutzen generative KI

    Die deutsche Wirtschaft nimmt bei Künstlicher Intelligenz Fahrt auf. Erstmals beschäftigt sich mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Unternehmen mit KI. Jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) nutzt bereits KI. Vor einem Jahr waren es erst 15 Prozent, 2022 nur 9 Prozent. Mehr als jedes Dritte (37 Prozent) plant oder diskutiert derzeit den KI-Einsatz, nach 28 Prozent 2023 und 25 Prozent 2022.

  • Studie zu Lieferkettengesetzen

    Für neun von zehn Unternehmen in Deutschland ist Personalmangel die größte Hürde bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Das zeigt eine neue Studie der EQS Group in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ansbach. Während Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich nur ein geringes Risiko für LkSG-Verstöße sehen, schätzen sie dieses bei ihren mittelbaren Lieferanten deutlich höher ein.

  • Unternehmen evaluieren Krisenmanagementpläne

    Das Business Continuity Institute (BCI) hat seinen aktuellen Crisis Management Report 2024 veröffentlicht. Untersucht wurde der globalen Status des Krisenmanagements im vergangenen Jahr. Der von F24 gesponserte Report stützt sich auf Umfragen und strukturierte Interviews mit leitenden Resilienz-Experten und ermöglicht dadurch detaillierte Einblicke in den aktuellen Stand des Krisenmanagements.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen