Rechtliche Schlupflöcher offengelegt


Korruptionswahrnehmungsindex 2021: Deutschland kommt nicht voran
Maskenaffäre zeigt: Verschärfung des Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung dringend notwendig



Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat den Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) veröffentlicht. Der jährlich erscheinende Index ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator. Er listet 180 Staaten und Gebiete nach dem Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) auf.

Dänemark, Neuseeland und Finnland belegen mit 88 Punkten den ersten Platz. Fragile oder autoritär regierte Staaten wie Südsudan (11 Punkte), Somalia und Syrien (beide 13 Punkte) stehen auf den untersten Plätzen. International setzt sich der Trend fort, dass Staaten, die rechtsstaatliche und demokratische Institutionen beschneiden und Menschenrechte verletzen, eine steigende Korruptionswahrnehmung erleben. So gehören Ungarn (-12 Punkte) wie auch die Türkei (-11 Punkte) zu den Staaten, die im Verlauf der letzten zehn Jahre weltweit am meisten Punkte verloren haben. Diese Entwicklungen sind besorgniserregend und verdeutlichen, wie eng die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze mit der Vermeidung von Machtmissbrauch und Korruption verknüpft sind.

Die Situation in Deutschland
Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit 80 von 100 Punkten verhältnismäßig gut da, liegt auf dem 10. Platz dennoch deutlich hinter den Spitzenreitern. Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland, erklärt: "Seit sechs Jahren hat sich die Punktzahl Deutschlands nicht mehr verbessert. Das zeigt, dass wir bei der Korruptionsbekämpfung leider kaum vorankommen. Nach der Maskenaffäre war der Druck letztes Jahr zwar endlich hoch genug, um das Lobbyregister einzuführen und die Regeln zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu verschärfen. Weiterhin bestehen jedoch massive Defizite in allen gesellschaftlichen Bereichen – in der Verwaltung gilt noch immer größtenteils der Grundsatz des Amtsgeheimnisses, die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen ist noch immer nicht geregelt und Hinweisgeber sind noch immer nicht ausreichend geschützt. So verhindert beispielsweise die willkürliche Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Unternehmen häufig die Aufklärung korruptiver Verdachtsfälle.

Ein bedenkliches Schlupfloch haben im vergangenen Jahr die Aserbaidschan- und die Maskenaffäre verdeutlicht: Trotz der enormen Empörung nach Bekanntwerden der Fälle persönlicher Bereicherung konnten die betroffenen Abgeordneten am Ende strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Das zeigt: Das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung ist bislang praktisch wirkungslos und muss dringend nachgeschärft werden. Transparency Deutschland begrüßt, dass die Ampel im Koalitionsvertrag angekündigt hat, den Straftatbestand wirksamer auszugestalten. Darauf drängt Transparency Deutschland seit Jahren. Es kann nicht sein, dass die Regeln für Beamte bisher schärfer sind als für Abgeordnete. Der Straftatbestand muss künftig in der Praxis ein scharfes Schwert sein, damit es bei vergleichbaren Fällen tatsächlich zu Verurteilungen kommt. Die derzeitige Situation schürt leider Politikverdrossenheit, Bundesjustizminister Buschmann muss deshalb zügig liefern."

Vorschläge zur Reform des § 108e StGB zur Mandatsträgerbestechung

1. Transparency Deutschland fordert,
dass künftig das Handeln eines Abgeordneten strafbar ist, wenn er seine Stellung als Mandatsträger missbraucht, um Interessen zum eigenen Vorteil zu verfolgen. Die Strafbarkeit sollte also bereits am Umstand der Vorteilsannahme bei mandatsbezogenem Handeln greifen – und nicht nur im engeren Sinn bei der Wahrnehmung des Mandats.

2. Außerdem muss der Tatbestand auch Vorteile einschließen, die erst im Nachhinein gewährt werden, wie es bei Amtsträgern bereits der Fall ist. Nach herrschender Meinung erfasst § 108e StGB in der derzeit geltenden Fassung nur Vorteile, die vor der vorgenommenen bzw. unterlassenen Handlung des Abgeordneten von einem Dritten gewährt worden sind.

3. Weiterer Änderungsbedarf besteht hinsichtlich der Formulierung, dass ein Abgeordneter "im Auftrag oder auf Weisung" des Vorteilsgebers gehandelt haben muss. Wenn die Initiative zur Erlangung des Vorteils vom Mandatsträger ausgeht, fehlt es an einem solchen Auftrag. Außerdem ist für Korruption das Bestehen einer "Win-Win"-Situation charakteristisch, da Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer beide profitieren und sich damit auf Augenhöhe begegnen. Somit fehlt es schon rein logisch am Vorliegen eines "Auftrags" oder einer "Weisung".

4. Zusätzlich sollte das Abgeordnetengesetz künftig auch private Provisionsgeschäfte mit dem Staat verbieten, so wie dies in Bayern seit kurzem der Fall ist.

Hintergrund: Masken- und Aserbaidschanaffäre legen rechtliches Schlupfloch offen
Das Oberlandesgericht München hat in der Entscheidung vom 18. November 2021 in den Fällen Nüsslein und Sauter festgestellt, dass das Verhalten von beiden Abgeordneten in der Maskenaffäre den Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern derzeit nicht erfüllt. Der Tatbestand des §108e erfasst nur Fälle, in denen auf einen im Plenum oder einem Ausschuss stattfindenden parlamentarischen Entscheidungsprozess – zum Beispiel eine Abstimmung – Einfluss genommen werden soll ("bei Wahrnehmung des Mandats").

Geht es bei der Entgegennahme des Vorteils hingegen "nur" um die Nutzung der Autorität des Mandats oder der Kontakte des Abgeordneten, etwa zu Ministerien, so ist das bislang nicht strafbar. Das Gericht stellte fest, dass dies bislang der eindeutige Willen des Gesetzgebers sei. Dem musste sich das Gericht zähneknirschend beugen (zur Mitteilung des OLG München). (Transparency Deutschland: ra)

eingetragen: 11.02.22
Newsletterlauf: 20.04.22

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Unternehmen

  • Detaillierte Einblicke in die Gehaltsstrukturen

    APSCo (Association of Professional Staffing Companies) Deutschland veröffentlicht den ersten umfassenden Gehaltscheck für die Staffing-Branche und schafft damit eine wichtige Grundlage für mehr Gehaltstransparenz. Die Ergebnisse unterstützen Staffing-Unternehmen in ihrer Vorbereitung auf die bevorstehenden Anforderungen der EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz, die ab 2026 verpflichtend wird.

  • Gute Bedingungen für GenAI-Anwendungen

    Ein Großteil der weltweiten KI-Investitionen fließt in den Finanzsektor. 2023 wurden in der Branche 87 Milliarden US-Dollar in KI investiert - deutlich mehr als im Gesundheitswesen (76 Milliarden) oder in der Telekommunikations- und Medienbranche (75 Milliarden).

  • 9 Prozent der Unternehmen nutzen generative KI

    Die deutsche Wirtschaft nimmt bei Künstlicher Intelligenz Fahrt auf. Erstmals beschäftigt sich mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Unternehmen mit KI. Jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) nutzt bereits KI. Vor einem Jahr waren es erst 15 Prozent, 2022 nur 9 Prozent. Mehr als jedes Dritte (37 Prozent) plant oder diskutiert derzeit den KI-Einsatz, nach 28 Prozent 2023 und 25 Prozent 2022.

  • Studie zu Lieferkettengesetzen

    Für neun von zehn Unternehmen in Deutschland ist Personalmangel die größte Hürde bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Das zeigt eine neue Studie der EQS Group in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ansbach. Während Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich nur ein geringes Risiko für LkSG-Verstöße sehen, schätzen sie dieses bei ihren mittelbaren Lieferanten deutlich höher ein.

  • Unternehmen evaluieren Krisenmanagementpläne

    Das Business Continuity Institute (BCI) hat seinen aktuellen Crisis Management Report 2024 veröffentlicht. Untersucht wurde der globalen Status des Krisenmanagements im vergangenen Jahr. Der von F24 gesponserte Report stützt sich auf Umfragen und strukturierte Interviews mit leitenden Resilienz-Experten und ermöglicht dadurch detaillierte Einblicke in den aktuellen Stand des Krisenmanagements.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen