Nur ein teures Verwaltungsmonster?


Guter Grundgedanke, mangelhafte Umsetzung: Experten warnen vor unvorbereiteter Einführung der Finanztransaktionssteuer
"Finanztransaktionssteuer missachtet den Privatanlegerschutz": Einschätzung von Capco zur geplanten Finanztransaktionssteuer

(15.04.13) - Die detaillierte Analyse des aktuellen Konzepts der Europäischen Kommission, sowie die Auswertung der öffentlich nachvollziehbaren Pläne der elf europäischen Länder, die zur erweiterten Kooperation zur Einführung der Finanztransaktionssteuer (Financial Transaction Tax, kurz FTT) zum 1. Januar 2014 zugestimmt haben, lässt bei Bernd Richter, Bankexperte und Partner der Unternehmensberatung Capco, nur einen Schluss zu: "Eine Einführung der Finanztransaktionssteuer in der aktuellen Fassung würde weder die Öffentlichkeit vor neuerlichen Finanzkrisen schützen, noch dem nachvollziehbaren Wunsch des Steuerzahlers nachkommen, Banken an den entstandenen Kosten der Finanzkrise zu beteiligen. Vielmehr würde ein selbst für Branchenexperten kaum durchdringbares Verwaltungsmonster entstehen. Die Gesetzgeber sind dringend gefordert, die Umsetzbarkeit des eigenen Konzeptes sicherzustellen. Zumindest die offensichtlichen Schwachstellen des aktuellen Konzepts, wie bspw. die drohende Doppelbesteuerung in einzelnen Ländern, die detaillierte Regelung von Ausnahmen und vor allem der unrealistische Zeitplan für die länderübergreifende, verpflichtende Implementierung der Reportdaten müssen schnellstens geklärt werden."

USA prüfen derzeit die FTT-Regularien / Verschiebung des Geschäfts auf andere hochspekulative Finanzinstrumente wahrscheinlich
Die Unternehmensberatung Capco ist ausschließlich auf die Bank- und Versicherungsbranche spezialisiert und hat in einem White Paper den aktuellen Status Quo (Stand: 01. März 2013) der Planungen analysiert und ausgewertet.

Elf Länder der EU haben der erweiterten Kooperation zur Einführung der FTT zugestimmt, andere Länder wollen entweder nicht teilnehmen oder sind unentschlossen. Im Raum steht eine Besteuerung von mindestens 0,1 Prozent auf jede Transaktion (Kauf, Verkauf oder Eigentumsübertragung) mit Wertpapieren (Aktien, Anleihen, Fonds etc.) sowie mindestens 0,01 Prozent bei allen Derivate-Transaktionen, sofern mindestens einer der beiden Kontrahenten im FTT-Land seinen Sitz ("Residenz-Prinzip") hat oder das Wertpapier im FTT-Land emittiert worden ist ("Emittenten-Prinzip").

Seit Ende Februar wird nun auch in den USA die Gesetzgebung zu FTT formell diskutiert. Der so genannte "Wall Street Trading and Speculators Tax Act“ (H.R. 880) sieht eine FTT in Höhe von 0,03 Prozent auf bestimmte Finanzinstrumente vor.

"Das Grundkonzept der Finanztransaktionssteuer zielt unter anderem auf eine Eindämmung des mitunter hochspekulativen Derivatehandels und macht den Hochfrequenzhandel unattraktiv für Spekulanten", führt Bank-Experte Richter aus. "Der aktuelle Entwurf der Finanztransaktionssteuer gleicht jedoch einem Flickenteppich. Zum einen werden so viele Ausnahmeregelungen angeführt, die eine Verschiebung des Geschäfts ermöglichen, beispielsweise zu hochriskanten CFDs. Zum anderen führt die Einführung der FTT in der aktuellen Form den Grundgedanken des Lissabon-Vertrages bzw. der angestrebten Harmonisierung des europäischen Steuerrechts ad absurdum und widerspricht den aktuellsten regulatorischen Initiativen am Kapitalmarkt (SEPA, Target2 etc.) zur grenzfreien und kostengünstigen Kapitalbewegung innerhalb Europas . Ich fürchte, die nur punktuelle Einführung der FTT in einzelnen Ländern wäre nicht verfassungskonform, würde erhebliche Nachteile für die einzelnen EU-Länder schaffen sowie zur Auslagerung der Branche außerhalb der EU langfristig beitragen. Damit würde nichts gewonnen."

Aktuelle regulatorischen Compliance-Maßnahmen wie MiFiD, MiFiD2 oder Basel III verfolgen im Kern das Ziel, den Finanzmarkt sicherer zu machen – insbesondere auch für den Privatanleger. Sollte die FTT in der aktuellen Fassung eingeführt werden, so wären laut Richter nicht nur die Banken, sondern auch Privatanleger gezwungen, in alternative und meistens hochriskanten Asset-Klassen wie z.B. CFDs zu investieren, um die Steuer wie FTT umzugehen. "Diesen Trend sehen wir schon jetzt in Ländern wie Frankreich, die seit Kurzem eine nationale FTT eingeführt haben. Die Tradevolumina in steuerpflichtigen Instrumenten wie Aktien oder Fonds sinken signifikant, während bei hochriskanten und ironischer Weise von der FTT ausgenommenen Zockerpapieren enorme Steigerungen bei den Handelsvolumina nachweisbar sind", erklärt Richter. "Damit wird die eigentliche Grundidee der FTT komplett ins Gegenteil verkehrt. Der Markt wird nicht sicherer, es kostet viel Geld und ist kaum umsetzbar."

Auch an anderer Stelle drohen dem Privatanleger hohe Kosten, sollte die FTT kommen. Ein Beispiel sind Anleger, die bisher ganz bewusst in einen Fonds mit hohen Sicherheiten investiert haben, um das Risiko hoher Verluste gering zu halten. "Jeder Fonds muss aktiv gemanagt werden, um das Renditeziel zu halten. Natürlich gilt dies auch für risikoarme Fonds. Die Fondsmanager handeln nicht selten täglich, um die langfristigen Renditeziele erfüllen zu können. Das hieße, dass täglich Steuerabgaben generiert würden, wenn die FTT in der aktuellen Fassung käme. Das hätte unter Garantie negative Folgen für die Preisgestaltung für die Kunden und Privatanleger", verdeutlicht Richter. (Capco: ra)

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