Compliance im Gesundheitswesen


Zur straffreien Korrumpierbarkeit von Kassenärzten: In Praxen, Ambulanzen und Kliniken muss man sich zu Recht auf eine nicht korrumpierte ärztliche Haltung verlassen können

Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil: So lautet die Definition von Korruption von Transparency Deutschland

(06.11.12) - Transparency International Deutschland nahm anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Patientenrechtegesetz zu mehreren gesundheitspolitischen "Baustellen" Stellung: zu aktuellen Fragen der Transparenz des Gesundheitswesens und des Patientenschutzes, zur straffreien Korrumpierbarkeit von Kassenärzten, zur Intransparenz der Organverteilung und zu Skandalen bei Medizinprodukten.

Transparency fordert:
1. dass der Patientenschutz und die rechtliche Vertretung der Versicherten bei Behandlungsfehlern zur Pflichtaufgabe der Krankenkassen werden und nicht dem Kranken aufgebürdet werden.

An den Patientenrechten wird durch die im Bundestag verhandelten Vorschläge der Regierung substantiell nichts verändert. Sie sollen lediglich in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übertragen werden, wo Kundenrechte und Geschäftsbeziehungen geregelt werden. Wer also wehrhaft ist und sich einen Rechtsanwalt leisten kann, für den werden Gesetze geordnet. Die meisten Opfer von Fehlbehandlungen bedürfen jedoch des Schutzes der Gemeinschaft. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ärztliche Verantwortung ohne ihr Zutun von der Gesellschaft stringent geregelt wird. Durch eine Verlagerung in das BGB werden Schutzmechanismen durch öffentlich-rechtliche Körperschaften weitgehend entpflichtet.

Die Krankenkassen konnten bisher ihren Versicherten bei Behandlungsfehlern Beistand leisten. Sie haben das aber nur vereinzelt und nur in sehr geringem Umfang getan. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Soll-Regelung geht in die richtige Richtung. Da aber Soll-Regelungen von Krankenkassen im Wettbewerb gern auf die lange Bank geschoben werden, ist dieser Vorschlag unzureichend und vage. Es werden keinerlei neue Anreize für die Kassen geschaffen, diese Funktion intensiv und wirksam auszugestalten. Deshalb kann nur durch eine klare gesetzliche Verpflichtung der Kassen im StGB eine Stärkung der Patientenrechte erreicht werden.

2. dass korrupte Ärzte insoweit strafrechtlich als Amtsträger beurteilt werden, wie sie über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden (z.B. Steuern oder gesetzliche Beiträge).

Die Arzt-Patienten-Beziehung hat Vorbildfunktion für die meisten Gesundheitsberufe, die vom Vertrauen der Patientinnen und Patienten leben. Die Notwendigkeit von Vertrauen wächst mit dem Leidensdruck, der die Hilfesuchenden in die Praxen treibt. Wer eine Praxis oder eine Klinik braucht, muss darauf vertrauen, dass professionelle Helfer die Befunde gründlich und richtig erheben, mögliche therapeutischen Alternativen kennen und ihre Patienten so beraten und behandeln, wie es für deren Wohlbefinden und Gesundheit am besten ist. Interessenkonflikte durch finanzielle Vorteile, wie der Verkauf von privaten Zusatzleistungen (IGeL) oder die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen (Marketingstudien) für die Pharmaindustrie, Zuweisungs- oder Kick-Back-Prämien, Umsatzbeteiligungen und vieles mehr dürfen dieses Vertrauensverhältnis nicht belasten.

Der BGH trägt in seinem Urteil vom Juni 2012 der besonderen Rolle der Vertragsärzte Rechnung, indem er sie ausdrücklich nicht als Beauftragte der Krankenkassen sieht. Er mahnt eine fehlende gesetzliche Regelung für niedergelassene Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen an. Wir unterstützen diese Ansicht des BGH und fordern, Kassenärzte immer dann strafrechtlich als Amtsträger zu betrachten, wenn diese über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden.

Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil - so lautet die Definition von Korruption von Transparency Deutschland. Auch Ärzte müssen bestraft werden können, wenn sie die von der Solidargemeinschaft anvertrauten Güter und Entscheidungsbefugnisse zum eigenen Vorteil missbrauchen. In Praxen, Ambulanzen und Kliniken muss man sich zu Recht auf eine nicht korrumpierte ärztliche Haltung verlassen können.

3. dass die Organisation der Organtransplantation durch eine deutliche Reduktion der Anzahl von Transplantationszentren und eine staatliche Pflicht zur Überwachung der Organverteilung transparenter gestaltet wird.

Der Staat wirbt für Organspende und regelt gesetzlich deren praktische Durchführung. Im Transplantationsgesetz wurde aber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie einem eingetragenen (Deutsche Krankenhausgesellschaft) und einem nicht eingetragenen Verein (Bundesärztekammer) die Durchführung und Kontrolle über eine gesetzeskonforme Praxis der Organspende und Organverwendung übertragen. Zwei private Stiftungen (DSO in Deutschland und Eurotransplant in den Niederlanden) wurden mit den wichtigsten praktischen Durchführungsaufgaben beauftragt. Diese aus öffentlicher Verantwortung entrückten Strukturen sind extrem intransparent und stecken voller Interessenkonflikte. Doch ohne Transparenz kein Vertrauen und ohne Vertrauen keine Organspende.

4. dass zum Verbleib im menschlichen Körper vorgesehene Medizinprodukte (z.B. Implantate) analog zu Arzneimitteln einer staatlichen Zulassung bedürfen.

Der Skandal um Brustimplantate hat einer breiten Öffentlichkeit das Fehlen einer vertrauenswürdigen Qualitätssicherung bei Implantaten erschreckend vor Augen geführt. Die Bundesregierung kuscht hier bisher vor den Interessen der Medizinindustrie und bleibt untätig. Vom Zahnimplantat über Hüft- und Knieprothesen bis zu Herz- und Hirnschrittmachern und Brustimplantaten - die Brauchbarkeit oder medizinische Sicherheit wird weder amtlich geprüft noch werden Komplikationen gemeldet und in einem öffentlich geführten Register überwacht. Es ist ein Register einzuführen, wie es bereits für Nebenwirkungen von Arzneimitteln besteht. Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, die nötige Transparenz für Patienten aber auch für Mediziner herzustellen.
(Transparency: ra)

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