Vereinbarkeit mit EU-Recht umstritten


Einführung einer Infrastrukturabgabe bei Entlastung der Inländer eine europarechtlich verbotene mittelbare Diskriminierung?
Neben Strafzahlungen könnten Schadenersatzansprüche durch die betroffenen Unionsbürger drohen

(10.04.15) - Die Vereinbarkeit der geplanten Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut) und die gleichzeitige Senkung der Kfz-Steuer für deutsche Fahrzeughalter mit EU-Recht wird von Experten unterschiedlich beurteilt. Dies wurde deutlich bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dabei ging es hauptsächlich um den Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe" (18/3990). Danach soll eine Abgabe (Maut) eingeführt werden, die gleichermaßen von Haltern von im Inland und im Ausland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen zu entrichten ist. Halter von in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw sollen in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren (18/3991) Steuerentlastungsbeträge erhalten.

Für Professor Christian Hillgruber, Universität Bonn, stellt dies "keine mittelbare Diskriminierung" aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, die nicht unionsrechtlich zu rechtfertigen wäre. Auch für Professor Holger Schwemer liegt eine "unmittelbare Diskriminierung" nicht vor. Fraglich sei allein, ob eine mittelbare Ungleichbehandlung gegeben sei, die vom Gesetzgeber nicht offengelegt worden ist. Und dem möglichen Eindruck, dass der Gesetzgeber seine wahren Absichten nicht transparent gemacht hat, könne der Gesetzgeber entgegentreten, indem er die Gesetzesvorhaben Steuersenkung und Infrastrukturabgabe zeitlich entkoppelt.

Völlig anders sieht dies Professor Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld. Für ihn ist die Einführung einer Infrastrukturabgabe bei Entlastung der Inländer eine europarechtlich verbotene mittelbare Diskriminierung. Sie verstoße auf jeden Fall gegen die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten und gegen das Gebot der Unionstreue. Insgesamt wäre dies eine "qualifizierte Verletzung von Unionsrecht. Neben Strafzahlungen würden daher Schadenersatzansprüche durch die betroffenen Unionsbürger drohen, betonte Mayer.

Unterschiedlich äußerten sich die Sachverständigen auch zu den möglichen Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe, die vom Verkehrsministerium mit rund 732 Millionen Euro im Jahr angegeben werden. Professor Wolfgang H. Schulz von der Zeppelin Universität Friedrichshafen konnte in seiner wissenschaftlichen Überprüfung der Prognose diese Summe nachvollziehen. Die zugrundeliegenden Annahmen seien stets konservativ gehalten worden, sodass die Mauteinnahmen eher unterschätzt würden. Zu ganz anderen Zahlen kommt der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger. Nach seiner Schätzung belaufen die Einnahmen sich lediglich auf rund 262 Millionen Euro pro Jahr. Entscheidend für die unterschiedlichen Einnahmeprognosen ist vor allem die Schätzung, wie viele Tagespendler aus dem Ausland auf welchen Wegen einreisen werden.

Hilmar von Lojewski von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, zu der der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund gehören, begrüßte grundsätzlich die Zielsetzung, mit einer Infrastrukturabgabe die finanziellen Mittel für verkehrliche Infrastrukturmaßnahmen zu erhöhen. Er bedauerte allerdings ausdrücklich, dass die derzeitige Diskussion über eine Pkw-Maut weitgehend isoliert geführt werde und nicht in ein Gesamtfinanzierungskonzept für die Verkehrsinfrastruktur aller staatlichen Ebenen eingebettet sei. Der Gesetzentwurf bliebe "deutlich" hinter den Notwendigkeiten zurück. Aufwand und Ertrag stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander, heißt es in seiner Stellungnahme. Weiter kritisierte er, dass die prognostizierten Gesamteinnahmen aus der Infrastrukturabgabe in Höhe von 3,7 Milliarden Euro abzüglich der Erhebungskosten nicht vollständig in den Verkehrsinvestitionshaushalt des Bundes einfließen solle Wie bereits bei der Erhebung der Lkw-Maut würden die Steuermittel für Verkehrsinvestitionen des Bundes aus dem Umfang der erzielten Einnahmen gekürzt werden. Bei den grenznahen Verkehren schlug er vor, einen 30-km-Streifen flächendeckend an den Grenzen herauszunehmen, in dem "fakultativ" keine Maut erhoben werden soll. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Lobbygesellschaft für Digitale Transformation

    Die Bundesregierung gestaltet nach eigener Darstellung die digitale Transformation im Sinne der Bürger durch digitalpolitische Initiativen aktiv mit. Dazu würden bestehende Verfahren kontinuierlich modernisiert und implementiert im Hinblick auf aktuelle technische Entwicklungen, heißt es in der Antwort (20/13814) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/13448) der AfD-Fraktion.

  • AfD fordert Stopp der Wärmewende

    Die AfD-Fraktion will durch einen Stopp der Wärmewende Wohnen wieder bezahlbar machen. In einem Antrag (20/13764) wird insbesondere eine Absenkung der Energiestandards bei Neubauten verlangt.

  • AfD-Fraktion hält EU-Richtlinie für "rechtswidrig"

    Für die AfD-Fraktion greift eine EU-Richtlinie "rechtswidrig in die Grundrechte der Bürger ein". Das schreibt sie in einem Antrag (20/13799), in dem sie darauf abzielt, dass das EU-Parlament und der Rat der EU am 24. April 2024 die Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen hätten.

  • Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung

    Um die Umsetzung der "eIDAS 2.0"-Verordnung geht es in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/13735). Wie die Fraktion darin ausführt, wird mit eIDAS 2.0 "eine persönliche europäische digitale Brieftasche, die EUDI-Wallet" geschaffen.

  • Neufassung der Energieauditpflicht

    Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen, zur Änderung des Energieeffizienzgesetzes und zur Änderung des Energieverbrauchskennzeichnungsgesetzes (20/11852) befasst. Im Fokus stand dabei vor allem die Neufassung der Energieauditpflicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen