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Ratingagentur S&P Unter EU-Beobachtung


Kartellrecht: Europäische Kommission unterzieht Verpflichtungsangebote von Standard & Poor's zu internationalen Wertpapierkennnummern einem Markttest
Die Kommission ist zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass der von S&P für den Vertrieb US-amerikanischer ISIN an europäische Nutzer erhobene Preis möglicherweise unangemessen hoch ist

(24.05.11) - Standard & Poor's (S&P) hat angeboten, ihre in Europa verfolgte Preispolitik im Bereich des Vertriebs in den USA vergebener internationaler Wertpapierkennnummern (International Securities Identification Numbers – ISIN) zu ändern. Damit will die Ratingagentur, eine Tochtergesellschaft von The McGraw-Hill Companies, Inc., Bedenken der Europäischen Kommission begegnen, dass sie Informationsdienstleistern und Banken in Europa für die Nutzung dieser Kennnummern zu hohe Gebühren erhebt.
Wertpapierkennnummern werden benötigt für die Kommunikation zwischen Banken, Clearing und Settlement, die Berichterstattung an Behörden und die Verwaltung der von Finanzinstituten geführten Datenbanken zu den in ihrem Portfolio befindlichen Wertpapieren. Konkret bietet die in den USA für die Vergabe von Wertpapierkennnummern zuständige Ratingagentur S&P an, die US-amerikanischen ISIN zu einem Gesamtpreis von höchstens 15.000 US-Dollar pro Jahr an Informationsdienstleister zwecks Weitervertriebs in Europa sowie an Finanzinstitute, die US-amerikanische ISIN direkt von S&P beziehen, zu vertreiben. Ferner bietet S&P an, alle Gebühren für Nutzer abzuschaffen, die ISIN nicht direkt von S&P, sondern von Informationsdienstleistern beziehen. Die Kommission fordert alle Beteiligten auf, zu den von ihr ausgehandelten Verpflichtungsangeboten Stellung zu nehmen, ehe sie sie für S&P für bindend erklärt.

"Nach mehreren Verhandlungsrunden hat S&P sich bereit erklärt, unseren Wettbewerbsbedenken zu begegnen, und bietet an, seinen Preis für den Vertrieb von Kennnummern für US-amerikanische Wertpapiere zu begrenzen und die Gebühren für indirekte Nutzer, die die Nummern von anderen Unternehmen erhalten, völlig abzuschaffen. Wir werden die Verpflichtungszusagen einem Markttest unterziehen und sie für S&P für bindend erklären, wenn wir mit den Ergebnissen zufrieden sind. Im Zuge der Umsetzung der Verpflichtungen würden die Kosten für die Nutzung von US-amerikanischen ISIN erheblich sinken. Wenn wichtige Finanzinformationen freier und preisgünstiger fließen, wird dies die Effizienz unserer Finanzmärkte zugunsten der Verbraucher steigern", erklärte der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission Joaquín Almunia.

In einer Mitteilung der Beschwerdepunkte von November 2009 vertrat die Kommission die Auffassung, dass Standard & Poor's für den Vertrieb von in den USA vergebenen internationalen Wertpapierkennnummern im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) unangemessen hohe Preise verlangt. ISIN basieren auf der internationalen Norm ISO 6166, die als öffentliche Dienstleistung für die Finanzdienstleistungsbranche entwickelt wurde. Im Einklang mit der ISO-Norm sind die US-amerikanischen ISIN von den sogenannten CUSIP, d. h. von den für nationale Zwecke in den USA entwickelten Kennnummern, abgeleitet. S&P, eine Tochter von The McGraw-Hill Companies, Inc., wurde zur Vergabestelle für Kennnummern für US-amerikanische Wertpapiere ernannt und verfügt damit über ein rechtliches Monopol für die Vergabe und den Erstvertrieb US-amerikanischer ISIN. S&P vertreibt US-amerikanische ISIN zwecks Weitervertriebs an Informationsdienstleister sowie an bestimmte Finanzinstitute, die sie direkt von S&P beziehen (direkte Nutzer). Die meisten Finanzinstitute beziehen ihre ISIN jedoch über Informationsdienstleister (indirekte Nutzer).

Die Kommission ist zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass der von S&P für den Vertrieb US-amerikanischer ISIN an europäische Nutzer erhobene Preis möglicherweise unangemessen hoch ist, da er den von ISO festgelegten Grundsätzen, die die Kommission als Benchmark für angemessene Preise betrachtet, nicht entspricht. Nach den ISO-Grundsätzen sollten Gebühren nur bei Direktvertrieb erhoben werden (d. h. keine Gebührenerhebung von indirekten Nutzern), und die für einen Direktvertrieb (d. h. von direkten Nutzern und Informationsdienstleistern) erhobenen Preise sollten die anfallenden Vertriebskosten nicht übersteigen. S&P erhebt jedoch entgegen der ISO-Benchmark von indirekten Nutzern Gebühren, und seine Informationsdienstleistern und direkten Nutzern berechneten Preise übersteigen nach Ansicht der Kommission möglicherweise die Vertriebskosten. Der Mitteilung der Beschwerdepunkte zufolge könnte das Verhalten von S&P einen Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU darstellen, der den Missbrauch von Monopolen und marktbeherrschenden Stellungen verbietet. S&P widersprach den Ansichten der Kommission, trat aber mit in Verhandlungen über etwaige Verpflichtungsangebote ein, um ihren Bedenken zu begegnen.

Nach langen Beratungen bot S&P an, alle Gebühren, die von indirekten Nutzern für die Nutzung von US-amerikanischen ISIN innerhalb des EWR erhoben werden, abzuschaffen, da diese Nutzer die Vertriebskosten bereits in Form von Gebühren der Informationsdienstleister zahlen und S&P dabei keine Kosten entstehen. Auch die laufenden Lizenzverträge zwischen indirekten Nutzern und S&P werden beendet. Indirekte Nutzer müssen jedoch einen Vertrag mit S&P schließen, der Extraktion, Nutzung und Weitervertrieb der numerisch ähnlichen CUSIP untersagt. Um den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten, kann dieser Vertrag durch einfache Eingaben auf einem Internetformular geschlossen werden.

Was Informationsdienstleister und direkte Nutzer betrifft, verpflichtet S&P sich, ISIN-Datensätze getrennt von anderen, höherwertigen Informationen zu vertreiben (mit denen S&P die höheren Preise begründete, obwohl die Nutzer für die Identifizierung eines Wertpapiers nur die ISIN-Nummer und minimale kennzeichnende Daten – zusammen als ISIN-Datensatz bezeichnet – benötigen). US-amerikanische ISIN-Datensätze sollen durch Dateneinspeisung täglich bereitgestellt werden. Der Preis für diese Dienstleistung soll anfangs auf 15.000 US-Dollar (rund 10-101 Euro) pro Jahr festgesetzt und jährlich entsprechend der Inflationsrate angepasst werden. Die mit Informationsdienstleistern und direkten Nutzern geschlossenen Verträge sollen ebenso wie die mit indirekten Nutzern geschlossenen Verträge die Extraktion von CUSIP untersagen.

Die Kommission veröffentlicht eine Zusammenfassung der Kartellsache und der Verpflichtungsangebote, um allen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ehe sie die Verpflichtungszusagen im Wege eines Beschlusses nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung Nr. 1/2003 für bindend erklärt. In diesen Beschlüssen zur Annahme von Verpflichtungsangeboten wird nicht festgestellt, dass ein Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften vorliegt, aber sie beinhalten eine rechtliche Verpflichtung der betreffenden Unternehmen, die eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten. Bei Zuwiderhandlungen kann die Kommission – ohne zuvor einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften feststellen zu müssen – gegen das Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 1= Prozent seines Jahresumsatzes verhängen.

Die Verpflichtungen würden, wie bei Kartellsachen üblich, fünf Jahre lang gelten. S&P hat ferner angeboten, der Kommission jährlich einen Bericht über die Umsetzung der Verpflichtungen vorzulegen. (Europäische Kommission: ra)


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