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Wettbewerb auf dem Orangensaftmarkt


Fusionskontrolle: Kommission genehmigt Zusammenschluss der Orangensaftsparten von Votorantim und Fischer
Die eingehende Untersuchung der Kommission ergab, dass andere etablierte Anbieter weiterhin Wettbewerbsdruck auf das Gemeinschaftsunternehmen ausüben werden


(09.05.11) - Die Europäische Kommission hat nach der EU-Fusionskontrollverordnung die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens genehmigt, in dem die brasilianischen Unternehmensgruppen Votorantim und Fischer ihre Orangensaftsparten zusammenfassen wollen. Obwohl durch den Zusammenschluss der weltweit größte Großhandels-Anbieter von Orangensaft entsteht, kam die Kommission nach einer eingehenden Prüfung dennoch zu dem Schluss, dass eine Reihe von in Europa und weltweit tätigen Unternehmen weiterhin einen ausreichenden Wettbewerbsdruck ausüben wird.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte: "Durch eine sorgfältige und umfassende Prüfung des Vorhabens konnte sich die Kommission davon überzeugen, dass es weiterhin genügend Wettbewerb auf dem Markt geben wird und den europäischen Verbrauchern keine Nachteile entstehen werden."

Die beiden brasilianischen Unternehmen Votorantim und Fischer meldeten Ende November 2010 bei der Kommission das Vorhaben an, ihre in der Orangensaftbranche tätigen Tochterunternehmen Citrovita bzw. Citrosuco zusammenzulegen. Da ihre Umsätze in Europa über den Schwellenwerten liegen, ab denen für Fusionen und Übernahmen die EU-Fusionskontrollvorschriften gelten, beantragten Votorantim und Fischer bei der Kommission die Freigabe des geplanten Zusammenschlusses.

Die Kommission leitete im Januar eine eingehende Prüfung ein, da sie Bedenken hatte, dass das zusammengeschlossene Unternehmen möglicherweise in der Lage sein würde, von seinen Kunden höhere Preise zu fordern. Mit dem geplanten Joint Venture wird der weltweit größte Orangensaft-Hersteller und -Lieferant für Unternehmen geschaffen, die Endverbrauchern Marken- und Eigenmarkenprodukten anbieten. Auch bei einer Reihe von Nebenerzeugnissen, die während der Saftgewinnung anfallen, wie Orangenöle und -essenzen, Fruchtfleisch und Citruspellets, wird das neu aufgestellte Unternehmen über eine starke Marktposition verfügen. Die Nebenerzeugnisse werden für die Herstellung von Chemikalien und Lösungsmitteln, Aromen und Duftstoffen, Farben, Kosmetika und Tiernahrung verwendet. Die Tätigkeiten der beiden Unternehmen überschneiden sich am deutlichsten auf dem Markt für gefrorenes Orangensaftkonzentrat (FCOJ).

Die eingehende Untersuchung der Kommission ergab, dass andere etablierte Anbieter weiterhin Wettbewerbsdruck auf das Gemeinschaftsunternehmen ausüben werden, trotz dessen führender Stellung auf dem Orangensaftmarkt. Es zeigte sich, dass der Zugang dieser Anbieter zu frischen Orangen nicht eingeschränkt würde und sie daher in der Lage wären, eventuellen Strategien des neuen Gemeinschaftsunternehmens, durch eine Verringerung der Ausbringungsmenge die Preise zu erhöhen, entgegenzuwirken. Außerdem stellte die Kommission fest, dass viele Kunden mehrere Bezugsquellen haben und die Kosten eines Anbieterwechsels niedrig sind, da es sich bei dem von dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen und seinen Wettbewerbern produzierten Orangensaft um ein Massenprodukt handelt.

Im Rahmen der Untersuchung konnte zudem ausgeschlossen werden, dass mit der Schaffung des Gemeinschaftsunternehmens das Risiko von Absprachen auf dem Orangensaftmarkt steigen könnte, da das Vorhaben die asymmetrische Verteilung der Marktanteile zwischen den Hauptakteuren weiter verstärken würde und die derzeitige Situation nicht dahingehend zu ändern scheint, dass die Absprachen wahrscheinlicher, stabiler oder wirksamer würden.

Die Kommission zog außerdem den Schluss, dass das geplante Gemeinschaftsunternehmen keine wettbewerbsschädlichen Auswirkungen auf den Markt für Orangensaft haben würde, der nicht aus Konzentrat erzeugt wird (NFC – not from concentrate). Citrovita ist auf diesem Markt derzeit nicht tätig, hätte aber ein potenzieller Wettbewerber für Citrosuco sein können.

Im Hinblick auf die Nebenerzeugnisse, die bei der Gewinnung von Orangensaft anfallen, kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass dieselben Unternehmen, die auch jetzt schon auf dem Orangensaftmarkt tätig sind, weiterhin Wettbewerbsdruck auf das Gemeinschaftsunternehmen ausüben werden. Ferner gibt es für einige der Nebenerzeugnisse bei bestimmten Endanwendungen Alternativen.

Die Kommission gelangte daher zu dem Schluss, dass das Rechtsgeschäft den wirksamen Wettbewerb weder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) noch in einem wesentlichen Teil desselben erheblich beeinträchtigen wird.

Hintergrundinformationen zu den Unternehmen
Votorantim, ein großer Industriekonzern, ist u. a. in den Bereichen Zement und Beton, Bergbau und Metallurgie, Papier, Finanzdienstleistungen sowie Chemikalien tätig. In der Orangensaftbranche ist Votorantim über seine Tochtergesellschaft Citrovita aktiv, die gefrorenes Orangensaftkonzentrat (FCOJ – frozen concentrated orange juice) erzeugt und vertreibt. Als FCOJ wird Orangensaft bezeichnet, dem vor dem Transport überschüssiges Wasser entzogen wird und der vor dem Endverbrauch wieder verdünnt werden muss.

Fischer erbringt Seeverkehrsdienstleistungen für Erdölplattformen und ist über seine Tochtergesellschaft Citrosuco in der Produktion und im Großhandelsverkauf von Fruchtsaft (einschließlich FCOJ und NFC) tätig. Im Gegensatz zu gefrorenem Orangensaftkonzentrat wird nicht aus Konzentrat gewonnener Saft keinem Eindampfungsprozess unterzogen und behält daher sein ursprüngliches Volumen.

Fusionskontrollvorschriften und -verfahren
1989 wurde die Kommission damit betraut, Fusionen und Übernahmen zwischen Unternehmen zu prüfen, sofern deren Umsatz bestimmte Schwellenwerte übersteigt (vgl. Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung). Die Kommission genehmigt den weitaus größten Teil der Zusammenschlüsse ohne Bedingungen. Wenn das Vorhaben jedoch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs führen oder sich nachteilig auf die Verbraucher auswirken würde, kann sie die Genehmigung von Abhilfemaßnahmen abhängig machen oder den Zusammenschluss ganz untersagen.

Nach der Anmeldung eines Zusammenschlusses hat die Kommission in der Regel 25 Arbeitstage Zeit, um zu entscheiden, ob sie das Rechtsgeschäft im Vorprüfverfahren (Phase I) genehmigt oder eine eingehende Prüfung (Phase II) einleitet. Eingehende Untersuchungen dauern in der Regel 90 bis 105 Arbeitstage.
(Europäische Kommission: ra)


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