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Verstoßes gegen die EU-Kartellvorschriften


EU-Kommission verhängt Geldbußen in Höhe von 48.7 Mio. EUR gegen České dráhy und die Österreichischen Bundesbahnen wegen kollusiver Absprachen zum Ausschluss eines gemeinsamen Wettbewerbers
ČD und die ÖBB stimmten ihre Vorgehensweise bei Verkaufsverfahren für gebrauchte ÖBB-Wagen für den Personenfernverkehr ab, um RegioJet am Kauf dieser Wagen zu hindern



(Alle Feststellungen in diesem Artikel geben die Einschätzung der EU-Kommission wider und nicht der Redaktion.)

Die Europäische Kommission hat gegen České dráhy ("ČD") und die Österreichischen Bundesbahnen ("ÖBB"), die etablierten tschechischen und österreichischen Schienenverkehrsbetreiber, Geldbußen in Höhe von insgesamt 48.7 Mio. EUR wegen Verstoßes gegen die EU-Kartellvorschriften verhängt. ČD und ÖBB haben kollusive Absprachen getroffen, um zu verhindern, dass ein neuer Marktteilnehmer, RegioJet, Zugang zu gebrauchten Wagen erhält, und damit den Wettbewerb auf dem Markt für Schienenpersonenverkehr beschränkt.

Die Zuwiderhandlung
ČD und die ÖBB erbringen Schienenpersonenverkehrsdienste in Tschechien und Österreich. Im Jahr 2011 trat RegioJet in den tschechischen Markt für den Schienenpersonenfernverkehr ein. Um mit ČD und den ÖBB in Wettbewerb treten zu können, war RegioJet in großem Maße von gebrauchten Wagen abhängig.

Die Kommission hat im Rahmen ihrer Untersuchung festgestellt, dass ČD und die ÖBB zwischen 2012 und 2016 kollusive Absprachen getroffen hatten, um ihre Marktstellung aufrechtzuerhalten und die Expansion von RegioJet in Tschechien und auf der grenzüberschreitenden Strecke zwischen Prag und Wien zu behindern. Damit verstießen die Unternehmen gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

ČD und die ÖBB stimmten ihre Vorgehensweise bei Verkaufsverfahren für gebrauchte ÖBB-Wagen für den Personenfernverkehr ab, um RegioJet am Kauf dieser Wagen zu hindern. Die ÖBB-Wagen waren für RegioJet aufgrund ihrer Hochwertigkeit und der modernen Ausstattung, aber auch, weil sie bereits für den Betrieb in Tschechien zugelassen waren, besonders relevant.


Die Kommission hat insbesondere festgestellt, dass ČD und die ÖBB
>> Verkaufsverfahren durch kollusive Absprachen zeitlich so festgelegt haben, dass RegioJet die gebrauchten ÖBB-Wagen nicht erwerben konnte,>> Verkaufsverfahren für gebrauchte ÖBB-Wagen manipuliert haben, damit ČD und nicht RegioJet die Wagen erwerben konnte,
>> Vereinbarungen darüber getroffen haben, welches andere Unternehmen außer RegioJet als Käufer geeignet war, wenn ČD nicht plante, die Wagen zu erwerben, und
>> vertrauliche Informationen über die Gebote und das Interesse anderer Bieter, die an den Verkaufsverfahren teilnahmen, ausgetauscht haben.

Die Geldbuße
Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 festgesetzt. Dabei berücksichtigte die Kommission verschiedene Faktoren, insbesondere die Schwere der Zuwiderhandlung, ihre geografische Reichweite und ihre Dauer.

Da die ÖBB auf der Grundlage der Kronzeugenregelung von 2006 mit der Kommission kooperiert haben, wurde die gegen das Unternehmen verhängte Geldbuße um 45 Prozent herabgesetzt. Die Höhe der Ermäßigung wurde danach bestimmt, wann die ÖBB ihre Zusammenarbeit angeboten haben und inwieweit die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben.

Gegen die einzelnen Unternehmen wurden folgende Geldbußen verhängt:
ÖBB - 16.712.000 Euro (Ermäßigung auf Basis der Kronzeugenregelung: 45 Prozent).
ČD - 31.940.000 Euro (keine Ermäßigung auf Basis der Kronzeugenregelung).

Hintergrund
Im Juni 2016 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen durch. Im Juni 2022 versandte die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

Artikel 101 AEUV, der auch von den nationalen Wettbewerbsbehörden angewandt werden kann, untersagt wettbewerbswidrige Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken.

Geldbußen für Unternehmen, die gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen, werden in den Gesamthaushaltsplan der EU eingestellt. Diese Einnahmen sind nicht für bestimmte Ausgaben vorgesehen. Stattdessen werden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt für das Folgejahr entsprechend gekürzt. Somit tragen die Geldbußen zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.

Mit Blick auf die Ziele des europäischen Grünen Deals liegt der Schwerpunkt auf der Steigerung der Effizienz des Verkehrssystems, wobei dem Schienenverkehr als umweltfreundlichem Verkehrsträger hohe Priorität eingeräumt wird. Dafür braucht es einen wirksamen Wettbewerb und attraktive Schienenverkehrsdienste.


Schadensersatzklagen
Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 sind endgültige Beschlüsse der Kommission in Verfahren vor nationalen Gerichten ein verbindlicher Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten eine Geldbuße verhängt hat, kann von nationalen Gerichten Schadensersatz zuerkannt werden, wobei die von der Kommission verhängte Geldbuße nicht mindernd angerechnet wird.

Durch die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen ist es für Opfer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen einfacher geworden, Schadensersatz zu erhalten.


Instrument für Hinweisgeber
Die Kommission hat ein Instrument eingerichtet, über das Einzelpersonen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Die Anonymität der Hinweisgeber (Whistleblower) wird durch ein ausgefeiltes Kommunikationssystem mit Verschlüsselung gewahrt, über das Mitteilungen ausgetauscht werden können.

eingetragen: 11.11.24
Newsletterlauf: 16.01.25


Meldungen: Europäische Kommission

  • Überarbeitung einschlägiger Vorschriften

    Die Europäische Kommission startet eine Aufforderung zur Stellungnahme und eine öffentliche Konsultation, mit denen Interessenträger aufgefordert werden, ihre Standpunkte zur Zukunft der EU-Verfahren für die Anwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften zu übermitteln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Evaluierung, die im September 2024 mit der Veröffentlichung einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen abgeschlossen wurde, hat die Kommission beschlossen, das Verfahren zur Überarbeitung der einschlägigen Vorschriften einzuleiten, wobei es insbesondere darum gehen wird, die Vorschriften angesichts transformativer Veränderungen wie der Digitalisierung der Wirtschaft anzupassen. Alle Interessenträger können bis zum 2. Oktober 2025 Stellung nehmen.

  • Überprüfung der Betrugsbekämpfungsarchitektur

    Die Europäische Kommission hat einen strukturierten Reflexionsprozess zur Überprüfung der EU-Betrugsbekämpfungsarchitektur in Gang gesetzt. Die Überprüfung ergänzt die vorbereitenden Arbeiten für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR). Ziel ist es, einen verstärkten und effizienteren Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten.

  • Einhaltung von Verpflichtungszusagen

    Die Europäische Kommission hat Vivendi ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass das Unternehmen gegen die Anmeldepflicht und das Durchführungsverbot nach der EU-Fusionskontrollverordnung sowie gegen die Bedingungen und Auflagen des Kommissionsbeschlusses vom 9. Juni 2023 über die Genehmigung der Übernahme von Lagardère durch Vivendi verstoßen hat.

  • Marktbeherrschende Stellung

    Die Europäische Kommission hat Verpflichtungsangebote von Corning nach den EU-Kartellvorschriften für rechtsverbindlich erklärt. Die Verpflichtungen räumen die Bedenken der Kommission aus in Bezug auf von Corning geschlossene mutmaßlich wettbewerbswidrige Alleinbezugsvereinbarungen für Alkali-Aluminosilikatglas (im Folgenden "Alkali-AS-Glas"), das hauptsächlich als Abdeckglas in Smartphones und anderen tragbaren Elektronikgeräten zum Einsatz kommt.

  • Zusammenschlusses zwischen KKR und NetCo

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet, um zu ermitteln, ob KKR & Co. Inc. (im Folgenden "KKR") der Kommission im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens zur Übernahme des Unternehmens NetCo unrichtige oder irreführende Angaben übermittelt hat.

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