Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung


EuGH-Urteil hat den Weg gewiesen, wie eine künftige Regelung im Einklang mit den Grundrechten ausgestaltet werden kann
Hohe Hürden für den Zugang der nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten sowie besondere Schutzregelungen vor Missbrauchsrisiken bei den Providern gefordert

Autor: Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit

(24.04.14) - Die Entscheidung des EuGH vom 8. April 2014 zur Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung (Richtlinie 2006/24/EG) zeigt viel Licht, aber auch etwas Schatten. Für den Datenschutz ist zunächst positiv, dass der EuGH die Richtlinie wegen Verstoßes gegen die Grundrechte der Achtung des Privatlebens und auf Schutz der persönlichen Daten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung für ungültig erklärt hat. Damit wurde die Unwirksamkeit nicht wie im Antrag des Generalanwalts bis zur Abhilfe durch den EU-Gesetzgeber ausgesetzt. Außerdem müssen grundrechtlich besonders geschützte gesellschaftliche Beziehungen wie zum Beispiel die Kontakte zu Ärzten und Rechtsanwälten künftig berücksichtigt werden.

Im Einzelnen hat das Gericht den Weg gewiesen, wie eine künftige Regelung im Einklang mit den Grundrechten ausgestaltet werden kann. Hier werden u.a. hohe Hürden für den Zugang der nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten sowie besondere Schutzregelungen vor Missbrauchsrisiken bei den Providern gefordert.

"Das Urteil kritisiert auch das Ausmaß der Speicherung mit Blick auf den fehlenden Zusammenhang zwischen betroffenem Personenkreis und dem Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten. Damit wird das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung implizit gänzlich in Frage gestellt. Bei einer möglichen Neuregelung wird man sich hiermit auseinandersetzen müssen", sagte Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI).

Kritisch zu sehen ist hingegen, dass die verdachtslose Aufzeichnung jedes Telefon- und E-Mail-Kontakts vom EuGH ohne vertiefte Auseinandersetzung grundsätzlich als geeignet und darüber hinaus auch als erforderlich angesehen wird.

Als Fazit kann festgestellt werden, dass eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur wahllosen Erfassung und Sammlung personenbezogener Daten aller Kommunikationsteilnehmer nicht besteht. Auch für den nationalen Bereich sollte daher die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung zurückgestellt werden. Die massenhafte Erhebung von Verkehrs- und Standortdaten über längere Zeiträume hinweg ermöglicht tiefe Einblicke in das Privatleben Betroffener. Die systematische Sammlung von Verkehrsdaten öffnet den Weg zur Erstellung von Beziehungs- und Persönlichkeitsprofilen. Die fehlende Messbarkeit von Aufklärungsquoten war hier stets als Argument gegen eine pauschale Speicherung von Verbindungsdaten gesehen worden. Die Einführung von entsprechenden Regelungen sollte daher ohne einen qualifizierten Nachweis der Eignung nicht erfolgen.

Derzeit ist nicht ersichtlich, ob und wann der europäische Gesetzgeber einen neuen Anlauf zu einer massenhaften Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene unternehmen wird. Diese Frage ist vor den EU-Wahlen im Mai nicht zu beantworten. Aber selbst im Falle, dass dies geschehen sollte, sind die inhaltlichen Vorgaben, die eine mögliche künftige Richtlinie hierzu machen wird, nicht bekannt. Angesichts der massenhaften Ausspähung der EU-Bürger durch Geheimdienste sollten weitere Einfallstore für eine umfassende und anlasslose Speicherung nicht im nationalen Alleingang durchgesetzt werden.

Eine durch den nationalen Gesetzgeber im vorauseilenden Gehorsam beschlossene Neuregelung ergäbe keinen Sinn. (HmbBfDI: ra)

Lesen Sie auch:
EuGH kippt Vorratsdatenspeicherung


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Hintergrund

  • Was ist das EU-KI-Gesetz?

    Das EU-KI-Gesetz ist da und es hat Auswirkungen auf die Welt des Datenschutzes, Sicherheit, Risiko und Rechnungsprüfung. Das bedeutet, es beeinflusst die Art und Weise, wie diese Funktionen organisiert sind, wie die Fachleute ihre Arbeit verrichten und was sie in ihrer Position zu tun haben.

  • Politikgetriebener Moralisierung

    Am 1. August 2024 tritt der AI Act der Europäischen Union in Kraft getreten. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst hatte kommentiert: "Ob Deutschland und Europa zu Innovationsstandorten für Künstliche Intelligenz oder zu Nachzüglern werden, hängt entscheidend von der weiteren Ausgestaltung und Umsetzung des AI Acts ab."

  • Entwicklung der HR-Softwareindustrie

    Human Resources gilt heutzutage als Rückgrat eines jeden Unternehmens. Die Verwaltung von Mitarbeiterdaten, die Durchführung von Rekrutierungsprozessen und die Entwicklung von Talenten sind nur einige der vielfältigen Aufgaben, die die Personalabteilung täglich bewältigen.

  • Mittelstand im Regulierungskorsett

    Ziel des Data Acts ist es, einen Wettbewerbsmarkt für Daten zu schaffen und die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der EU zu stärken. Durch die Förderung eines fairen, transparenten und wettbewerbsfähigen digitalen Marktes adressiert er die Notwendigkeit einer verstärkten Datenmobilität und -nutzung.

  • Paragrafen 201b Strafgesetzbuch vorgeschlagen

    Das Bundeskabinett hat am 21. August 2024 zu einer bayerischen Initiative zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes Stellung genommen. Im Juli dieses Jahres hatte der Bundesrat den bayerischen Gesetzentwurf verabschiedet.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen