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Folgen der Katastrophe in Japan


Katastrophe in Japan verändert Weltwirtschaft finanziell und psychologisch - Gefahr marktwirtschaftsfeindlicher Stimmung in Europa
Schuldennation Japan: Der hohe inländische Sparanteil der Japaner konnte bis jetzt diesen Verschuldungsgrad mit einer Null-Zins-Politik finanzieren - Es wird sich zeigen, ob das so bleiben kann


(31.03.11) - Einschätzung von Johannes Führ, Vorsitzender des Advisory Boards der Johannes Führ Asset Management GmbH: Die Ereignisse in Japan werden die Welt nachhaltig verändern. Ein Umdenken in der Energiepolitik ist in vielen Ländern der Erde die konsequente Folge. Zwar werden viele Länder auch in Zukunft auf Atomenergie setzen müssen, um ihre Wirtschaft unabhängiger von Öl, Gas und Kohleimporten zu machen. Überall aber wird nach Alternativen gesucht werden - müssen.

Damit ist sowohl eine kurzfristige als auch eine langfristige Wirkung auf die Weltwirtschaft durch eine veränderte Energiepolitik zu erwarten. Allerdings ist es noch ein weiter Weg, bis Wind, Wasser und vor allem Solar die entstehende Energielücke nachhaltig schließen können. Bis dahin werden Geschehnisse wie in Nordafrika zunächst zu erhöhten Energiekosten und somit auch zu einer weiter steigenden Inflation führen, was zu einer Verlangsamung der Wirtschaftsleistung führt.

Die Belastungen aus der Katastrophe sind jedoch nicht nur ökonomischer und damit auch finanzieller Natur. Was vielleicht noch wesentlich schwerer wiegen wird, ist die Tatsache, dass das zukünftige veränderte Denken der Menschen auf diesem Globus die Weltwirtschaft maßgeblich umgestalten kann und wird.

So ist es gut möglich, dass die disziplinierte japanische Gesellschaft die wirtschaftlichen Schäden nach einem Jahr in den Griff bekommt. Auf der psychologischen Ebene wird jedoch die Befürchtung bleiben, dass sich gerade in Europa eine im Zuge der Atomskepsis auch marktwirtschaftsfeindliche Politik etablieren kann. Dies könnte größere finanzielle Folgen für die nächsten Jahrzehnte haben als die derzeitigen Katastrophen in Japan. Die vor uns liegende Zeit wird zeigen, inwieweit die Börsen in Europa schon heute dieser Veränderung Rechnung tragen werden.

Lieferschwierigkeiten beeinträchtigen Weltwirtschaft
Anders als oft berichtet ist Japan ein sehr wichtiger Handelspartner für die Welt. In den USA ist Japan der viertgrößte Exportpartner nach Kanada, Mexiko und China. Wenn nun in Japan Häfen, Straßen, Flughäfen, Fabriken und Verteilzentren beschädigt oder zerstört sind, kommt es zu Lieferschwierigkeiten, die umgehend in den ausländischen Märkten - und hier insbesondere in den asiatischen Ländern - zu spüren sein werden. Solche Lücken können die international diversifizierte Produktionskette leicht unterbrechen.

Die letzte Rezession hat bereits gezeigt, wie störungsanfällig die Weltwirtschaft diesbezüglich ist, auch deshalb, weil nur möglichst geringe Vorratslager gehalten werden. Deshalb sind nicht nur plötzliche Produktionsausfälle überall auf der Welt, sondern auch Kostenschübe einzukalkulieren. Diese drohen nicht nur in der Energieerzeugung, sondern ebenso in auf den ersten Blick unbeteiligten Branchen.

Hohe Kosten für höchstverschuldete Industrienation
Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass damit ein immenser Investitionsbedarf für den Wiederaufbau entsteht. Dieser muss jedoch finanziert werden. Die Kosten der Katastrophe sind aus heutiger Sicht gewaltig. Auch wenn andere Industrieländer wie die EU und USA finanzielle Unterstützung leisten, wird die Hauptlast von Japan zu tragen sein, das bereits die höchstverschuldete Industrienation der Welt ist. Der hohe inländische Sparanteil der Japaner konnte bis jetzt diesen Verschuldungsgrad mit einer Null-Zins-Politik finanzieren. Es wird sich zeigen, ob das so bleiben kann.

Es ist noch zu früh, um klar ausschließen zu können, dass wir am Beginn einer weltweiten Rezession stehen. In der Wirtschaft, und erst recht an den Börsen, entscheidet nicht die Realität, sondern das, was die Menschen glauben möchten. In den kommenden Monaten wird es daher wichtig sein, neben den Risiken auch die Chancen zu erkennen.

Aktien der Rückversicherer beobachten
Diese bieten sich auch am Aktienmarkt: Neben den klassischen Gewinnern eines Wiederaufbaus in Japan gilt es auch die überverkauften Werte wieder auf die Beobachtungsliste zu setzen. Ein gutes Beispiel bieten die Aktien der Rückversicherer. Diese wurden schon abgestraft, hat der Sektor doch bereits durch das Erdbeben in Neuseeland einen erheblichen Teil der Rücklagen für dieses Jahr aufgebraucht. Der Sektor ist aber auch ein gutes Beispiel für den Hang zur Übertreibung am Aktienmarkt. Denn auch in Zukunft werden Versicherungen ihre Risiken bei Rückversicherungen absichern. Da es sich hierbei um einen sehr begrenzten Markt von Anbietern handelt, werden die Rückversicherer ihre Prämien mit Hinweis auf die Verluste im Jahr 2011 massiv nach oben setzen können.

Finanzielle Last verbaut schnelle Rückkehr zu Wachstum
Bei den Ereignissen handelt es sich um vorübergehende Störungen. Jeder weiß, dass auf jede Krise ein Wiederaufbau folgt, der sich im Bruttoinlandsprodukt (BIP) statistisch gesehen als Wachstum niederschlägt. Dies war bei dem schweren Erdbeben in Kobe 1995 genauso, als nach sechs Monaten die Statistik wieder einen ausgewogenen Stand anzeigte. Doch dabei handelt es sich nicht um einen Wohlstandsgewinn, sondern nur um den Ausgleich des vorherigen Produktions- und Konsumeinbruchs, der zudem sehr einseitig war: Das Wachstum konzentrierte sich auf wenige Branchen, wie den Hoch- und Tiefbau sowie Lieferanten von Stahl oder Zement.

Japans Zentralregierung schulterte damals Lasten von umgerechnet 58 Milliarden Dollar, oder ein Prozent des BIP, um die Infrastruktur und den Wohnungssektor in der Krisenregion zu erneuern. Die heutige Ausgangslage ist wesentlich ungünstiger. Der Schaden dürfte ein Mehrfaches betragen, besonders angesichts der drohenden atomaren Verseuchung. Gleichzeitig ist die Finanzkraft der öffentlichen Hand geschrumpft. 1995 betrug der Schuldenberg in Japan noch 80 Prozent des BIP, heute liegt er bei über 200 Prozent, doppelt so hoch wie in Griechenland. Dass aber zusätzliche Staatsausgaben unausweichlich sind, liegt auf der Hand. Die finanzielle Bürde, die das Land tragen muss, wird dadurch noch schwerer.

Vorerst dürfte die Zusatzlast wenig zu spüren sein, denn das Zinsniveau ist tief, und wird durch das eifrige Sparverhalten der Japaner finanzierbar gehalten. Aber auf lange Sicht verbaut sie die schnelle Rückkehr zu Wachstum und Wohlstandsgewinnen künftiger Generationen. (Johannes Führ Asset Management: ra)

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