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Wolfowitz ein korrupter Weltbank-Präsident?


Hintergrundbericht: Weltbank-Präsident Wolfowitz tritt zum 30. Juni zurück - Chefideologe Wolfowitz galt als Relikt der Bush-Ära, das seinen Herren nicht überleben durfte
Das eigentliche Problem von Paul Wolfowitz ist Paul Wolfowitz selbst - Wolfowitz hat gegen interne Compliance-Regeln verstoßen, nicht mehr und nicht weniger, eher weniger

Paul Wolfowitz:
Paul Wolfowitz: Ein Opfer politischen Klimawechsels? Bild: Weltbank

Von Rainer Annuscheit

(18.05.07) – Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz tritt zum 30. Juni 2007 zurück. Er war nicht mehr zu halten. Selbst US-Präsident George W. Bush ging auf Distanz zu ihm. Sein letzter Liebes-Sturzflug hatte dem einstigen Pentagon-Falken offensichtlich das Genick gebrochen.

Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass Weltbankpräsident Paul Dundes Wolfowitz (* 22.12.1943) seine Lebensgefährtin, die arabische Frauenrechtlerin Shaha Riza, begünstigt haben soll, indem er sie ins Außenministerium versetzen ließ und ihr gleichzeitig noch ein um knapp 50 Prozent höheres Gehalt bezahlte, fiel mir spontan unsachlich ein Spruch aus der Unterhaltungsserie "Ein Herz und eine Seele" ein: Du Schwein, Du sollst an Dein Land denken und Du denkst an Deine Lenden" – Alfred Tetzlaff (Heinz Schubert in der Rolle von Ekel Alfred") war schon immer ein Freund klarer Worte. Und sein Schwiegersohn Michael Graf (Diether Krebs) war diesmal der Adressat jener ruppigen Zurechtweisung (Silvesterpunsch - Erstausstrahlung: 31.12.1973, ARD).

Mein Gedanke: Vielleicht hätte auch der Herr Weltbankpräsident in erster Linie an die armen Länder denken sollen, wie es sein Job verlangt, und vielleicht in zweiter Instanz an seine regen Lenden?

Paul Wolfowitz war der Wunschkandidat von US-Präsident George W. Bush und wurde am 31. März 2005 vom Exekutivrat der Weltbank, in dem die 184 Mitgliedsländer durch 24 Direktoren vertreten sind, einstimmig zu deren Präsident gewählt. Es gab keinen Gegenkandidaten. Wolfowitz folgte James David Wolfensohn nach, dessen zehnjährige Amtszeit am 1. Juni 2005 endete. Traditionell stellen die USA als größter Anteilseigner der Weltbank den Präsidenten der Weltbank. Als quasi Gegengewicht wird der geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Regel von den Europäern gestellt.

Die Korruptionsvorwürfe gegen Weltbankpräsident Paul Wolfowitz haben ihn nun zum Rücktritt gezwungen. Wolfowitz kämpfte zwar mit aller Macht um sein Amt. Aber er konnte es nur verlieren. Er bekam Druck aus allen Richtungen: Es waren die Demokraten in den USA, die ihn als "Neo-Konservativen" nicht mochten, es waren die eigenen Mitarbeiter, die ihn nicht leiden konnten, und nicht zuletzt war es das mächtige Europa, das auf einen Rauswurf von Wolfowitz drängte. Allen voran Deutschland, das sich ausnahmsweise sehr weit aus dem Fenster lehnt. Aus den Reihen der acht führenden Industriestaaten (G-8) waren zum Schluss nur noch USA und Japan für einen Verbleib von Wolfowitz. Kenner der Szene sagten, dass es am Ende nur noch um die Abfindung von Paul Wolfowitz ging und die richtige Formulierung für einen Ausstieg in Würde.

Welche Schuld hat Wolfowitz?

Doch die Frage ist: Was hat er eigentlich getan, der Paul Wolfowitz? Und nicht: Was wirft man ihm vor? In den Medien wird allgemein von Korruptionsvorwürfen geredet, wenn es um die Begünstigung seiner Lebensgefährtin geht. Die Beförderung seiner Freundin habe gegen die Compliance-Richtlinien der Weltbank verstoßen, sagt man.

Aber offensichtlich ist Fakt,
1. dass Paul Wolfowitz schon mit Amtsantritt am 1. Juni 2005 die zuständige Ethikkommission der Weltbank darüber informierte, dass eine seiner zukünftigen Angestellten, nämlich Shaha Riza, seine Freundin ist,
2. dass Wolfowitz schon im Juli 2005 darauf gedrungen hat, dass alle Personalentscheidungen und Arbeitskontakte, die einen Bezug zu seiner Lebensgefährtin haben, von anderen Mitarbeitern übernommen werden,
3. dass ferner die Ethik-Kommission selbst den Vorschlag zur Diskussion gestellt hat, Shaha Riza in einen Job außerhalb der Weltbank zu versetzen, damit es nicht zu Compliance-widersprechenden Situationen kommt.

Gerade ein solcher Vorschlag ist das, was man ein klassisches Outplacement nennt und in der Regel nur mit viel Geld zu erkaufen ist.

Wolfowitz Pech ist:
1.
Er fädelte die Versetzung selbst ein – und zwar ins US-Außenministerium, also dorthin, wohin er ohnehin die besten Kontakte hat.
2. Natürlich gab es auch die entsprechende Gehaltserhöhung (von 130.000 Dollar auf 180.000 Dollar, verbunden mit einer gleichzeitig vertraglich festgelegten Gehaltserhöhung von jährlich 8 Prozent).
3. Und ferner übernahm Weltbank die gesamten Gehaltskosten.

Die Ethikkommission hatte dagegen nichts einzuwenden, und dementsprechend reagierte sie nicht, als Mitarbeiter der Weltbank diese Maßnahme rügten. Erst als der ganze Sachverhalt an die Öffentlichkeit kam, nahm die Kommission eine distanzierte Haltung ein. Ein Untersuchungsausschuss hat nun festgestellt, dass Wolfowitz gegen interne Compliance-Regeln der Bank verstoßen hat, nicht mehr und nicht weniger – eher weniger.

Wolfowitz hat sich politisch überlebt

Paul Wolfowitz:
Paul Wolfowitz: Europa macht Jagd auf einen Falken, Bild: Weltbank

Und nun zurück zur Frage, was hat er eigentlich getan, der Wolfowitz?
Getan hat er eigentlich nichts.
Vielleicht hat der Herr Weltbankpräsident nicht rechtzeitig realisiert, dass das Wort Gefährtin von "Gefahr" kommt, sonst wäre er vermutlich noch sensibler mit dem Thema Begünstigung umgegangen. Wolfowitz hat lediglich einen Compliance-Verstoß begangen – und meines Erachtens noch nicht mal den schlimmsten. Zumindest ist dieser Verstoß leicht korrigierbar.

Das eigentliche Problem von Paul Wolfowitz ist Paul Wolfowitz selbst: Er ist vielen in der Politik zutiefst verhasst und äußerst unbeliebt. Über den ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher hat man einmal hintertrieben gesagt: Wer ihn kennt, der liebt ihn nicht, und wer ihn liebt, der kennt ihn nicht. Auf Wolfowitz trifft diese Aussage wohl zu 100 Prozent zu.

Schon seine Nominierung wurde ihn Europa mit Argwohn betrachtet und auch in den USA sehr kritisch aufgenommen. Dahinter stand die Befürchtung, dass Wolfowitz, der im Bereich der Entwicklungspolitik bislang keine Erfahrungen gesammelt hatte, als getreuer Bush-Ablatus die Weltbank im Interesse der USA führen würde. Was soviel heißt, dass er sie im Do-ut-des-Sinn als Druckmittel gegen die armen Länder einsetzen würde. Wolfowitz betonte zwar immer, die Weltbank neutral führen zu wollen – abgenommen hat ihm dies aber keiner, vor allem nicht die Europäer.

Spätestens seit den späten 90iger Jahren gilt Wolfowitz zusammen mit den US-Politikern Richard Perle, Donald Rumsfeld, Richard Armitage als rücksichtsloser Falke des Pentagons. Schon lange vor dem 11. September 2001 plante Paul Wolfowitz zusammen mit den genannten Herren einen gewaltsamen Regimewechsel im Irak und war damit seinem Präsidenten George W. Bush gedanklich weit voraus – was allerdings kein großes Kunststück ist. Im Februar 2001 wurde Wolfowitz stellvertretender Verteidigungsminister unter George W. Bush, sein drittes Engagement im Pentagon.

Als Bush den 11. September 2001 zum Anlass nahm, die Verhältnisse in Afghanistan im US-Sinn neu zu ordnen, erteilte ihm Paul Wolfowitz den entsprechenden Nachhilfeunterricht, doch unter Zuhilfenahme des praktischen Taliban- und Massenvernichtungsargumentes den Diktator des Irak, Saddam Hussein, gleich mit zu beseitigen. Seitdem gilt Wolfowitz als rücksichtslos und verlogen und obendrein als unnachgiebiger Chefideologe der Bush-Administration.

Wolfowitz, ein Opfer seiner eigenen Strategie

Vielleicht ist Paul Wolfowitz auch einfach zu intelligent, was ihn in den Augen vieler noch unsympathischer macht (insofern würde er das Schicksal mit Donald Rumsfeld teilen). Wolfowitz Vater Jacob, ein polnischer Jude, wanderte 1920 in die USA ein. Er galt als mathematisch sehr begabt, ein Talent, das der Sohn vom Vater geerbt hat und auf der Universität zunächst ausbaute. Ein Professor förderte dann Pauls Interesse an der Außenpolitik mit der Folge, dass der junge Mathematiker in die Politikwissenschaft wechselte. Paul Wolfowitz erwarb seinen Doktortitel, lehrte an der Yale-Universität und landete schließlich in der Behörde für Rüstungskontrolle. Von dort aus nahm Paul Wolfowitz seinen Weg ins US-Außen- und Verteidigungsministerium, unterbrochen von Aufenthalten im Ausland (unter anderem war er Botschafter in Indonesien).

Wolfwitz wollte das Werk seines Vorgängers James David Wolfensohn fortsetzen und weltweit das "Krebsgeschwür" der Korruption bekämpfen. Unter anderem stoppte Wolfowitz nach Korruptionsvorwürfen die Hilfen zur Finanzierung einer Ölpipeline im Tschad und strich den Indern 1 Milliarde Dollar für ein Gesundheitsprojekt.

Für Wolfowitz ist es besonders peinlich, nun seinerseits wegen eines Korruptionsvergehens angeklagt zu werden. Wolfowitz bezeichnet die Korruptionsvorwürfe als "in hohem Grade unfair" und hat wahrscheinlich auch Recht damit. Es soll einfach nicht zählen, dass er, wie er es ausdrückt, im guten Glauben gehandelt habe. Man will Wolfowitz fallen sehen – auch in den USA (wenn man von der Bush-Administration einmal absieht, aber auch die rückt mittlerweile vorsichtig von ihm ab). Wolfowitz gilt als Relikt der Bush-Ära, das seinen Herren nicht überleben darf.

Muss man nun mit Paul Wolfowitz Mitleid haben, weil er unter Anwendung "gefälschter" Argumente aus dem Amt gejagt wird? – Wohl kaum. Wolfowitz kennt doch das Spiel. Es läuft nicht anderes als seinerzeit beim Irak. Wolfowitz war einer der Drahtzieher, als die USA ihre Bündnispartner mit gefälschten Beweisen in den Irak-Krieg gezogen haben oder ziehen wollten. Er ist gewissermaßen sogar Erfinder dieses Spiels, das mit etwas veränderten Regeln nun auf ihn angewandt wird. Was pflegte Alt-Kanzler Helmut Kohl immer zu sagen: "Wichtig ist, was hinten rauskommt."

Und damit auf jeden Fall was rauskommt, ließ sich auch die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zu einer völlig undiplomatischen Hass-Tirade hinreißen. Sie forderte am Mittwoch nicht nur den Rücktritt von Wolfowitz. Sie erklärte ihn sogar zur "Persona non grata", falls er auf dem Afrika-Forum der Weltbank am 21. Mai in Berlin auftauchen würde: "Ich würde es ihm nicht raten, wenn er noch im Amt ist." – Was soviel heißt: Auch wenn er am Monatag noch im Amt sein sollte, würde ich ihn am liebsten aus dem Afrika-Forum rausschmeißen. (Weltbank: ra)


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